Kardinal Jean-Claude Hollerich Weniger ägyptisch sein

In unserer Sprache und Vorstellung liegt die Vergangenheit hinter uns und die Zukunft vor uns. Im alten Ägypten war das genau andersherum. Die Vergangenheit wurde als das vor uns Liegende gesehen, weil wir sie ja kennen und sehen. Die Zukunft hingegen lag nach ägyptischer Vorstellung hinter uns, weil wir sie nicht kennen.

Die katholische Kirche, so scheint mir, ist noch immer ägyptisch angehaucht. Doch das funktioniert nicht mehr. Gott öffnet die Zukunft. Die Offenbarung ist ein Erinnern im Jetzt, um ins Morgen zu gehen. Wir lesen die Geschichten der Vergangenheit einzig und allein, um in die Zukunft zu gehen, nicht um in der Vergangenheit zu bleiben...

Wenn wir von der großen Tradition der Kirche sprechen, wird zu oft eine bestimmte Epoche verklärt, und zwar so, wie sie nie gewesen ist. Die Messe war früher viel schöner, sagen manche. Doch welche Form meinen sie? Meist wird eine Vergangenheit imaginiert und zu einer Tradition stilisiert. Daran ist die ägyptische Zivilisation letztlich gescheitert. Sie hatte nicht mehr die Kraft, sich zu verändern.

Kardinal Jean-Claude Hollerich in: „Was auf dem Spiel steht. Die Zukunft des Christentums in einer säkularen Welt“ (Verlag Herder, Freiburg 2022)

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