Wert des LebensAktive Sterbehilfe wird nun gesellschaftsfähig

Das Bundesverfassungsgericht erlaubt die „geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid“. Und geht damit noch deutlich weiter als die Niederlande: In Zukunft soll jeder sterben dürfen, unabhängig von Alter und Krankheit. Ein Symptom einer Gesellschaft, die über alles die Kontrolle behalten muss – bis zuletzt.

Nach dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die „geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid“ erlaubt, werden verschiedenste Vereine damit beginnen, Menschen, die sich selbst töten wollen, die entsprechenden Mittel zu besorgen und den Sterbewilligen bei der Einnahme „behilflich“ zu sein. Der Richterspruch hat ein 2015 inkraftgetretenes Gesetz gekippt, das „geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid“ unter Strafe stellte. Das jetzige Urteil geht aus vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß den ersten beiden Artikeln des Grundgesetzes: Demnach habe jeder Mensch das Recht und die Freiheit zu einem sogenannten selbstbestimmten Sterben. Die Richter sprechen davon, dass Staat und Gesellschaft die Entscheidung, das Leben zu beenden, als „Akt autonomer Selbstbestimmung“ respektieren müssen. Dafür dürfe der Sterbewillige auch die freiwillige Hilfe Dritter in Anspruch nehmen.

Im Vorfeld hatte der Theologe Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrats, gewarnt, dass eine Lockerung des Rechts zugunsten einer geschäftsmäßigen, wenn auch nicht kommerziellen Unterstützung des Todeswunsches darauf hinausläuft, dass alte und kranke Menschen sich fragen müssen: „Darf ich noch da sein?“

Thomas Sitte, Vorsitzender der Deutschen Palliativstiftung beklagt: Karlsruhe setze die Selbstbestimmung der ohnehin Starken über den Schutz der Schwächsten. „Jetzt wird die Erleichterung der Selbsttötung für Kranke und Lebensmüde zur normalen Dienstleistung.“ Der Palliativmediziner Lukas Radbruch verweist auf die Aussage im Urteil: „Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben ist nicht auf fremddefinierte Situationen wie schwere oder unheilbare Krankheitszustände oder bestimmte Lebens- und Krankheitsphasen beschränkt. Es besteht in jeder Phase menschlicher Existenz.“ Das heiße: „Im Prinzip kann auch jeder junge Mensch, der unter Liebeskummer leidet, künftig Hilfe zum Suizid einfordern.“ Damit geht Deutschland weiter als die Niederlande, die „unerträgliches Leid“ zur Voraussetzung für Beihilfe zum Suizid oder aktive Tötung auf Verlangen machen.

Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, sieht im Urteil einen „eklatanten Widerspruch“ zu den „grundlegenden Aufgaben“ der Ärzte, für Humanität zu wirken.

Die Kirchenleitungen warnen: „Die Würde und der Wert eines Menschen dürfen sich nicht nach seiner Leistungsfähigkeit, seinem Nutzen für andere, seiner Gesundheit oder seinem Alter bemessen. Sie sind Ausdruck davon, dass Gott den Menschen nach seinem Bild geschaffen hat und ihn bejaht und dass der Mensch sein Leben vor Gott verantwortet.“

Offenkundig ist nun, dass in der zunehmend areligiösen Gesellschaft auch die Haltung verschwindet, dass Gott allein, der dem Einzelnen das Leben geschenkt hat, auch Herr ist über das Sterben. Das Verfassungsgerichtsurteil passt sich den gesellschaftlichen Trends, die durch verschiedene Umfragen bestätigt sind, an. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis auch die aktive Tötung Sterbewilliger rechtlich erlaubt wird. Dass es in diesen dramatischen, existenziellsten Fragen eine Grauzone gibt, in der letzten Endes nicht alles juristisch geregelt werden kann – damit will sich diese Gesellschaft samt ihrem Rechtswesen offenbar nicht abfinden.

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