Outdoor mit KindernDie Wildnis ruft

Es gibt sie: Familien, die mit Sack und Pack durch Lappland paddeln, Alpengipfel erstürmen oder Wolfsfährten lesen. Mit ein paar Tricks und genug Zeit im Gepäck werden kleine Kinder zu ausdauernden Trekkern

Die Wildnis ruft
Ein Urlaub in der Natur begeistert nicht nur Kinder © Juliana Hermelbracht

Meine Kinder haben eigentlich kein Problem mit frischer Luft. Wären da nicht erstens: das Gesetz der Trägheit, das den Wechsel von drinnen nach draußen zu einem Kraftakt macht, zweitens: das Rudelverhalten, das mindestens einen gleichaltrigen Gefährten fordert, und drittens: die Abhängigkeit von Spielgeräten, die in Wald und Feld zu Fragen führt wie: „Und wo ist der Spielplatz?“ Manche Tour endete bereits an der Haustür oder mündete mitten in der Pampa in einen Sitzstreik. Ich bewundere Familien, die Berge und Flüsse überwinden, in Iglus hausen und sich von selbst erbeutetem Fisch ernähren. Warum quengeln deren Kinder nicht?

Auf dem Wasser

Die Hermelbrachts aus München sind so eine Familie. Mit aufblasbaren Booten, sogenannten Packrafts, bereisten sie Seen und Flüsse in Finnland. Mit an Bord sind Bran und Finn, sechs und drei Jahre alt. Bei ihrem letzten großen Abenteuer paddelten sie 120 Kilometer über den Saimaa. Mutter Juliane berichtet von Regengüssen, Mückenplagen und scharfem Wind. Sie lacht. „Das hat die Kinder gar nicht gestört!“ Die Jungs seien bei jedem Wetter aus dem Zelt gekrochen. Zu Beginn hätten sie zwar ihr Spielzeug vermisst, aber das sei nach wenigen Tagen vergessen gewesen. „Bald war die Umgebung ein riesiger Spielplatz. Sie merkten, dass sie alles, was sie brauchten, in sich trugen und ohne künstliche Bespaßung auskamen.“ Juliane rät, genug Zeit einzuplanen und die Etappen auf ein bis zwei Stunden zu beschränken. Als wichtigster Garant für gute Laune habe sich eine warme Mittagsmahlzeit erwiesen. Das Gewässer sollte natürlich den Paddelfähigkeiten entsprechend gewählt werden, zum Ausprobieren empfiehlt sich ein heimisches. „Die Altmühl mit ihrer ruhigen Fließgeschwindigkeit und den vielen Liegeplätzen eignet sich für den Anfang sehr gut.“

Den Gipfel erklimmen

Boote haben den Vorteil, dass sie die – gerade für Eltern – heikle Gepäckfrage lösen. Wechselsachen, Brotdosen, Windeln … alles ist schön wasserdicht verstaut und man gelangt ohne krummen Buckel in wildere Ecken. Für die, die gern auf dem Trockenen bleiben: Selbst das gute alte Wandern kann mit Kindern ein Vergnügen sein. Familienbergführerin und Journalistin Ute Watzl kraxelt mit Tochter Helene (6) und Sohn Jakob (4) am liebsten in den Bergen. „Aussicht und Besinnlichkeit sind für Kinder unattraktiv“, weiß sie. „Kinder brauchen Abenteuer, die sie davon ablenken, dass sie überhaupt wandern.“ Das beginne schon bei der Strecke. „Eine Klamm ist spannender als ein breiter Forstweg.“ Kinder, die vor Augen haben, wie weit sie noch gehen müssen, verlieren schnell die Lust. Spannende Entdeckungen am Wegesrand, eine Schatzsuche oder das Sammeln von Gegenständen aus der Natur sorgen dann für die nötige Zerstreuung. Die größte Motivation überhaupt seien Freunde. „Unterwegs in der Gruppe heißt es plötzlich: Wer ist als Erster oben?“ Ansonsten gilt auch hier klein anfangen und Pausen machen. Ute wurde für Geduld und Kreativität mit vielen schönen Gipfelmomenten belohnt. Einer hat sich besonders in ihr Gedächtnis eingeprägt: „Wir erreichten zwei Felstürme in den Dolomiten. Helene fing an zu singen und das Echo war unglaublich, ein fantastischer Klang! Das Mädchen saß auf dem Felsen wie die Loreley.“

Tieren auf der Spur

Neben der singenden Helene hüpften Murmeltiere durchs Gras, die Hermelbrachts beobachteten in Finnland Rentiere – wer Glück hat, trifft während einer Outdoortour auf Tiere in freier Wildbahn. Sie gezielt aufzuspüren ist schwieriger. Kinder sind meist laut und es fällt ihnen schwer, in einem Versteck auszuharren. Eine spannende Alternative stellt das Lesen von Spuren dar. „Jede Spur wirft Fragen auf. Indem wir versuchen, Antworten zu finden, nähern wir uns Natur und Tieren“, schwärmt Antje Beneken. Die zertifi zierte Fährtenleserin stapft durch die verschneite Dresdner Heide. Tochter Malou prescht mit Freundin Christina voraus. Dort, wo der Pfad zum Bach abfällt, werden die beiden Achtjährigen fündig. „Ich hab eine Spur!“, ruft Malou. Vor ihr führen Pfotenabdrücke zum Wasser. Christina ist zur Stelle: „Von einem Waschbären?“ „Könnte auch ein Hund sein“, findet Malou. Antje fordert sie auf, die Zehen zu zählen. Es sind fünf. „Juhu, ein Waschbär!“ Hinter der nächsten Biegung ist der Schnee auf einem breiten Streifen zertrampelt. Die Kinder finden heraus, dass hier am Morgen eine Rotte Wildschweine den Bach durchquert hat. Die kurze Schrittlänge beweist, dass die Tiere gemächlich unterwegs waren. Im Gegensatz zu den Mädchen – die folgen einem Marder, kugeln einen Abhang runter, quieken, lachen. Zum Schluss gießen sie einige Spuren mit Gips aus, um sie mit nach Hause zu nehmen. Malou will später Fährtenleserin werden wie ihre Mutter. Ihr bisher schönstes Outdoor-Erlebnis: als sie in den Lausitzer Wäldern Wolfsspuren folgte.

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