FreizeitgestaltungBraucht mein Kind ein Hobby?

Ein Steckenpferd ist gut fürs Selbstvertrauen solange kein Muss dahintersteckt

Braucht mein Kind ein Hobby?
Wenn Kinder viel ausprobieren dürfen, entdecken sie ihre Vorlieben © thinkstock

Hobbys helfen Kindern, die eigenen Stärken kennenzulernen, und unterstützen sie beim Selbstständigwerden. Bei den meisten Kindern kommt das Interesse an Sport, Musik oder kreativem Tun von ganz alleine, denn Kinder sind von Natur aus neugierig und vielseitig interessiert. Doch bis sie eine Freizeitbeschäftigung finden, die gut zu ihnen passt und bei der sie bleiben wollen, vergehen oft Jahre. „Das ist völlig normal. Es gehört zur Entwicklung dazu, sich auszuprobieren“, erklärt Fabienne Becker-Stoll, Professorin für Entwicklungspsychologie und Leiterin des Münchener Staatsinstituts für Frühpädagogik. „Deshalb ist es auch in Ordnung, wenn Kinder bis ins Jugendalter die Hobbys immer mal wieder wechseln.“

Fördern kann überfordern

Studien belegen, dass Kinder heute seltener frei spielen. Der Grund: Immer mehr von ihnen besuchen Ganztagskindergärten, und auch in der Grundschule werden sie oft bis in den Nachmittag betreut. Dazu möchten viele Eltern, dass ihre Kinder schon im Kleinkindalter jede Bildungschance nutzen, und lassen sie Englisch oder Geige lernen. Doch um emotional und geistig zu reifen, brauchen Kinder auch die Möglichkeit, ihre Freizeit frei zu gestalten. Für Kindergartenkinder gilt: Nicht mehr als zwei verplante Nachmittage in der Woche, sonst kommen Fantasie und Muße zu kurz. Denn nicht nur Erwachsene haben stressige Arbeitstage, ein aufregender Tag in einer großen Gruppe kann auch ein Kita-Kind schlauchen.

„Die Gesellschaft verlangt schon von Kindern eine ganze Menge, da sollte nicht auch noch das Hobby Zeit- und Leistungsdruck ausüben“, betont die Psychologin Fabienne Becker-Stoll. Es kommt eben auf das richtige Maß von Ruhe und Aktion an. Dann kann ein Hobby eine Bereicherung für das Kinderleben sein: Es ist erwiesen, dass Kinder bei Freizeitaktivitäten wichtige Bildungserfahrungen machen, von denen sie profitieren. Der Sieg des Fußballteams, die erste Aufführung der Tanztruppe, all das sind unvergessliche Erinnerungen, die Kinder selbstbewusst und glücklich machen. Doch was ist, wenn ein Kind an gar nichts so richtig Interesse zeigt? „Dann ist es okay, das Kind erst einmal in Ruhe zu lassen. Früher oder später kommt es schon mit eigenen Wünschen zu den Eltern“, sagt Becker-Stoll. Die können derweil auch testen, was dem Kind gefällt. Für viele Familien ist zum Beispiel das Eltern-Kind-Turnen eine gute Gelegenheit, etwas gemeinsam zu unternehmen und zu sehen, ob Sport dem Nachwuchs Spaß macht.

Sport, Musik - oder beides?

Manche Kinder wissen dagegen ganz genau, was sie wollen: Gitarre lernen, zum Ballett gehen oder die Malschule besuchen. Oft kommen solche Ideen durch inspirierende Angebote in der Kita auf. „Gute Kindergärten helfen den Kindern durch ihre Arbeit und unterschiedliche Angebote dabei, eigene Interessen zu entwickeln, Stärken kennenzulernen und so zu einem Hobby zu finden“, erzählt Fabienne Becker-Stoll. Bei vielen Kindern hängt die Lust auf ein Hobby aber auch stark von den Freunden ab. Beginnt der beste Kumpel mit dem Fußballtraining, ist der Reiz groß, es ihm gleichzutun.

Wichtig: Viele Hobbys werden auf Dauer zeitintensiver. Wer als Kita-Kind bei den Fußball-Bambini einmal die Woche trainiert, muss Jahre später mit drei Trainings wöchentlich plus Turnier am Wochenende rechnen. Eltern sollten sich fragen, ob das dann noch mit dem Familienleben vereinbar ist. Zudem liegen Turnhallen, Sportplätze oder Musikschulen nicht immer wohnortnah. Also muss Mutter oder Vater nachmittags Zeit haben, um das Kind dort hinzubringen und wieder abzuholen. Hier lohnen sich Absprachen mit anderen Eltern, um sich dabei abzuwechseln.

Ausprobieren, verwerfen, finden

Zu jedem neuen Hobby gehört eine Phase des Ausprobierens. Juliane Arnold, Leiterin der Evangelischen Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Köln, rät, eine neue Leidenschaft etwa zwei bis drei Monate lang zu testen; die meisten Einrichtungen bieten Probestunden oder Probeverträge an. Auch Wochenend- Workshops bieten die Möglichkeit, das Hobby in Ruhe auszuprobieren. Sprechen Sie auch den Kursleiter auf eine Probestunde an. So können Sie gut einschätzen, ob die Sportart oder das Musikinstrument zu den Bedürfnissen und Talenten Ihres Kindes passt. Was die Ausgaben angeht: Angehende Reiterinnen brauchen nicht gleich einen neuen Helm, kleine Drummer kein komplettes Schlagzeug. Instrumente kann man leihen, Sportkleidung und Ausrüstung gebraucht kaufen. Will ein Kind nach anfänglicher Euphorie nicht mehr zum Kurs gehen, rät Psychologin Juliane Arnold, dem Nachwuchs einen Zeitrahmen vorzugeben: „Du machst noch einen Monat weiter, und wenn du dann wirklich keine Lust mehr hast, darfst du aufhören.“ So lernen Kinder, Durchhaltevermögen zu entwickeln und Verbindlichkeiten einzugehen. Wenn Eltern sie dabei regelmäßig und ehrlich für ihre Fortschritte beim Kicken oder Klavierspiel loben, wird das die Kinder motivieren, weiterzumachen.

kizz Interview

Prof. Fabienne Becker-Stoll ist Diplom-Psychologin und Leiterin des Staatsinstituts für Frühpädagogik. Mit kizz sprach sie über Eltern als Vorbilder, die Suche nach Interessen und besondere Begabungen

„Eltern, entspannt Euch!“

Wie wichtig sind Eltern-Hobbys für Kinder?

Sehr wichtig und wirksam: Wer selbst leidenschaftlich Sport treibt, mit Spaß ein Instrument spielt oder ambitioniert einem anderen Hobby nachgeht, kann ziemlich sicher sein, dass die eigenen Kinder es ihm auf die eine oder andere Weise nachtun werden.

Wie können Eltern Kinder beim Entdecken eigener Interessen begleiten?

Indem sie dem größten Wunsch von Kindern nachkommen: Zeit mit Mama und Papa zu verbringen. In jeder Familie gibt es Beschäftigungen und Unternehmungen, die allen Spaß machen. Egal ob puzzeln, fotografieren, schwimmen, radeln oder basteln. Dabei stellt sich mit der Zeit von ganz alleine heraus, was ein Kind besonders begeistert.

Viele Eltern macht es nervös, wenn sich Kinder für kein Hobby begeistern können …

Denen möchte ich zurufen: „Entspannt euch!“. Eltern sollten lieber alle Sinne dafür offenhalten, was die Persönlichkeit ihres Kindes ausmacht. Es gibt ja auch Kinder mit hoher Begabung im sozialen Bereich: Sie haben einen großen Gerechtigkeitssinn und sind tolle Streitschlichter. Auch das sind Fähigkeiten, die Eltern wertschätzen sollten – ohne gleich ein Hobby daraus zu machen.

kizz Tipp

5 Regeln auf dem Weg zum Hobby

  1. Kind auswählen lassen: Lassen Sie es unter mehreren Möglichkeiten – die Sie ohne Mühen bezahlen und organisieren können – erst einmal ein Hobby aussuchen, das das Kind in der Freizeit ausprobieren darf.
  2. Mindestens drei Monate abwarten: Bevor Sie Trikots, Sportgeräte oder Musikinstrumente anschaffen, sollte Ihr Kind mindestens drei Monate dabeibleiben. Das spart Geld, Frust und Streit.
  3. Scheitern dürfen: Hobbys sind nicht dazu da, die Träume der Eltern zu verwirklichen. Kinder müssen mit einem Hobby auch scheitern dürfen, ohne dass Eltern sich dadurch in ihrem Stolz verletzt fühlen.
  4. Pause nach vielen Abbrüchen: Wenn Ihr Kind mehrfach hintereinander ein Hobby abgebrochen hat, verordnen Sie erst mal eine Pause, bevor es das nächste Projekt startet. Während einer Auszeit kann es besser herausfi nden, was es wirklich möchte.
  5. Unverplante Zeit lassen: Begrenzen Sie die Aktivitäten auf jeden Fall so, dass Ihrem Kind genügend unverplante Zeit bleibt.

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