Auf einer abgesteckten Fläche Kleines und Großes entdeckenDas 1qm-Projekt

Auf einem überschaubaren Bereich im Außengelände finden die Kinder Eicheln, Stöcke, Blätter. Sie untersuchen das Quadrat genauer, erfassen Mengen, hinterfragen ihre Umwelt – eine Idee und die Umsetzung.

Das 1qm-Projekt
© Sonja Damen, Düsseldorf

Eine abgesteckte Fläche von 1qm an einer beliebigen Stelle in der Natur. Für Kinder gibt es innerhalb dieses Quadrats allerhand zu entdecken. In der Regel sortieren sie ihre Fundstücke nach unterschiedlichen Kategorien, dabei entstehen Gespräche. Sie beginnen sich Gedanken darüber zu machen, wie das Plastik an den Waldrand gekommen ist, ob es nicht gefährlich für die Tiere ist und was passiert, wenn es niemand wegräumt. Das Draußensein in der nahen Umgebung bietet Kindern einen Alltagsbezug, der sofort für kleine und große Entdeckungen nutzbar ist. Mit Kindern zu Nachhaltigkeit, Natur und Umwelt, Ökologie oder Mathematik und Philosophie zu arbeiten, muss nicht kompliziert sein.

Benötigtes Material:

  • 2 Zollstöcke pro Quadrat
  • Notizblock und Stift
  • weißer oder schwarzer Stoff (ca. 2m x 2m), um die Fundstücke sichtbar zu machen und zu sortieren
  • Fotoapparat oder Handy mit GPS-Funktion bei Fotoaufnahmen

Start der Untersuchung:

Zusammen mit einer Kindergruppe von ca. drei bis fünf Kindern sucht eine pädagogische Fachkraft einen beliebigen Ort draußen auf und steckt zwei Zollstöcken 1m x 1m ab. Zu Beginn ein Foto vom abgesteckten Quadrat machen, idealerweise mit GPS-Daten, damit nachvollziehbar bleibt, wo das Quadrat untersucht worden ist. Frage an die Kinder: „Was befindet sich alles innerhalb des Quadrats?“ Die Kinder fangen an, das Quadrat zu untersuchen und die gefundenen Schätze zu sortieren. Sie tauschen sich aus, beginnen Zusammenhänge herzustellen, Mengen zu erfassen und die Umgebung zu hinterfragen.

Den Entdeckungsprozess begleiten

Die Rolle der Erwachsenen ist es, die Fundstücke der Kinder und die Sortierungen fotografisch zu dokumentieren und die Kommentare und Gespräche der Kinder zu notieren. Weiterführende Fragen können einen Zugang zum Philosophieren öffnen.1 Damit das Entdecken gelingt, „suspendiert“ die erwachsene Person ihre Erwartungen und Annahmen – und ihr Wissen – für eine gewisse Zeit. So können die Kinder Zeit gewinnen, um selbst ihren Blick zu schärfen, eigene Gedanken und Lösungsideen beim Forschen zu entwickeln.2 Das Abwarten und „wahrnehmende Beobachten“ 3 der Erwachsenen ist entscheidend, denn dadurch können Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen und Erkenntnisse daraus gewinnen. Im 1qm-Projekt lernen die Kinder an echten Aufgaben, probieren sich frei aus, finden selbstständig Lösungen, denken nach, hinterfragen Zusammenhänge, experimentieren und agieren ergebnisoffen und selbstorientiert.4

Erprobung in der Praxis

Ein Erfahrungsbericht aus der ev. Kita „Leichlinger Straße“ in Düsseldorf:
Kennengelernt haben wir das 1qm-Projekt auf der Tagung des Klima-Kita-Netzwerks von „Innowego – Forum Bildung & Nachhaltigkeit“ im Januar 2020. Es hat uns sofort angesprochen, weil wir die Anregungen gut in die tägliche Arbeit einbeziehen konnten.
Für die Umsetzung wählten wir den Eingangsbereich vor der Kita. Dort fanden die Kinder verschiedene Naturmaterialien, aber auch Gegenstände, die nicht dahin gehörten. Um den Überblick nicht zu verlieren, hatten wir die Fläche von 1m x 1m mit zwei Zollstöcken abgesteckt. Die Kinder fanden: Rosenblüten, dünne und kurze Zweige, dicke und lange Stöcke, einige Eicheln und deren Hüte, verwelkte Eichenblätter, Grashalme, einen Wollfaden, einen Korken und ein sauberes Taschentuch. Es entstand folgendes Gespräch:
„Die Rosenblüten liegen schon lange hier, weil sie so verwelkt aussehen.“
„Deshalb kann man den Duft nicht mehr riechen.“
„Der Wind hat die Blüten zwischen den Zaunstäben gepustet.“
„Hier scheint auch die Sonne am Vormittag.“
„Die Zweige und Stöcke sind von diesem Baum, der hier in der Nähe steht.“
„Die sind durch den Wind runtergefallen.“
„Manche aber nicht, die sind stark.“
„Die dünneren schon eher, die sind noch so klein.“
„Vielleicht haben die Krähen oder Tauben die Zweige im Flug verloren.“
„Die Eicheln und Hüte fielen von diesem Baum, und so viele.“
„Da war aber der Wind stark.“
„Die Eichenblätter können wir nicht mehr pressen.“
„Wenn man sie glatt machen möchte, gehen sie kaputt.“
„Die liegen bestimmt schon ganz lange hier auf dem Boden.“
Das Taschentuch, der Korken und der Wollfaden waren für die Kinder unwichtig. Die gefundenen Schätze wurden auf Tüchern sortiert, geordnet und gezählt. Die Schätze variierten in ihrer Anzahl: Mal gab es von einer Sache mehr, von einer anderen weniger und sogar einmal gleich viel. Während die Kinder die Sachen sortierten und anordneten, trafen sie untereinander Absprachen. Der überschaubare Rahmen half den Kindern, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Sie waren erstaunt, welche und wie viele Dinge sie entdeckt hatten, und benannten alle.

Beschreiben und vergleichen

Die Gegenstände wurden berührt, beschnuppert und jedes Kind beschrieb seine Eindrücke. Die Kinder nahmen auch Bezug auf die Form, das Quadrat. Sie verglichen es mit einem Naturmandala, das als Kreis gelegt wird.
Ein Kind erinnerte sich an Geruchsdosen und an den Rosenduft darin. Es stellte aber auch fest, dass die gefundenen Rosenblüten nicht mehr dufteten. Die Kinder setzten sich mit Wind, Regen, Sonne und Sturm auseinander. Sie wussten auch, dass einige Fundstücke nicht in die Natur gehörten und vermuteten, dass sie durch Unachtsamkeit dort hingelangt waren.
Im Gespräch konnten die Kinder ihre eigenen Erfahrungen, Erlebnisse und Eindrücke einbringen und sich darüber austauschen – zum Beispiel über den Rosenduft, über die Jahreszeiten und deren Früchte.

Fazit

Die Kinder fühlen sich mit der Natur sehr verbunden. Sie sind in der Lage, Zusammenhänge zu erkennen und Rückschlüsse zu ziehen. Sie wissen aber auch, dass die Natur geschützt werden muss und dass jede Person ihren Teil dazu beitragen kann. Die Schätze blieben auf dem Stoffquadrat liegen, denn die Kinder hatten den Wunsch, es ihren Eltern zu zeigen. Zum Schluss kam ihnen noch eine Idee: aus den Naturgegenständen ein Mobile zu machen.

Fragen an Kinder während der Erforschung eines Ortes

  • Warum habt ihr diesen Ort gewählt?
  • Was findet ihr hier?
  • Wovon ist viel vorhanden und wovon wenig?
  • Wie viel ist jeweils da?
  • Was meint ihr, woher die ganzen Sachen kommen?
  • Wonach habt ihr die Schätze auf den Tüchern unterschieden und geordnet?
  • Würdet ihr die Sachen woanders auch finden?
  • Kann man all das immer und überall finden?
  • Wann fallen die Blätter von den Bäumen?
  • Habt ihr viele Sachen gesammelt, die man im Herbst unter Bäumen finden kann?

Leicht verändert entnommen aus: Röber, A. (2017): 1 qm-Projekt. Mit Kindern die nahe Natur und die kulturelle Umwelt erforschen. Vorlesung „Mathematik ist überall“ an der Fliedner Fachhochschule Düsseldorf, Fachsemester – Bildung und Erziehung in der Kindheit.

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