Eine kreative Idee mit ObstkistenKleine Welt aus Holz

Kleine Welt aus Holz
© Anja Horn, Freiberg

Brechen, Krachen, Zersplittern – Tim und Jakob treten begeistert auf die berstenden Obstkisten ein. Lilly steht etwas zögerlich abseits. Darf sie sich das wirklich trauen? Erst als die Jungen sich ihre Hölzer aus den Splitterstücken längst gesichert haben, mit Zangen die Metallklammern entfernen und Längen zurechtsägen, begutachtet sie das entstandene Baumaterial. Sie befühlt die Holzstückchen und sucht sich die dünnsten geraden Teile heraus. Denn ihr Haus braucht einen Zaun mit Latten. Zum Glück sind die Holzteile so dünn, dass die Kraft ihrer Finger reicht, um sie auf die gewünschte Länge zu brechen. Sorgfältig setzt sie Korken als Wand ein und drückt jeden einzelnen genau auf die Kleberschnur. Als sie erkennt, was für ein prima Dach die Ecke der Obstkiste ist, strahlt sie. Darunter hat ein richtiges Schlafzimmer Platz – sogar mit kuscheligem Stoffbett zum Hinlegen, wenn man müde ist.
Der Räuber Hotzenplotz, eine Hasenfamilie und Pippi Langstrumpf – die Kinder wissen, wer in ihr Haus einziehen soll. Die Motivation ist groß, für diese ein Zuhause oder einen Garten zu gestalten. Werden Stoffe und Kleinmaterial wie Kronkorken, Milchtütendeckel und Knöpfe zum Herstellen von Möbeln und Inneneinrichtung angeboten, können die Kinder ihrer Fantasie freien Lauf lassen.
Obstkisten als Wegwerfprodukt sind schnell beim Gemüsehändler nebenan besorgt und erlauben et was für die Kinder Unerhörtes: die lustvolle Zerstörung als Materialgewinnung. Zuvor wird sichergestellt, dass die Kinder festes Schuhwerk tragen und auf die Gefahr durch Metallklemmen in den Kisten hingewiesen wurden. Die Reste der Kiste sind Miniaturlatten, es entstehen Ecken oder zaunähnliche Bruchstücke. Durch Zersägen können diese Teile auch gezielt hergestellt werden. Stehen den Kindern zusätzlich Sperrholzplatten als stabiler Untergrund, Resthölzer und Korken zur Verfügung, dann können spannende Bauten entstehen. Wie bei allen Konstruktionsprozessen in der Werkstatt müssen verschiedene Verbindungsmittel wie Kleber, Schnur, Draht oder Nägel vorhanden sein.
Kinder lieben es, Miniaturwelten zu bauen: Mit Naturmaterialien wie Moos und Ästen gestalten sie eine Wiese oder Bäume, Kleinmaterial wie Flaschendeckel deuten die Kinder als Teller um, machen sich auf die Suche, was ein Tisch oder Stuhl werden könnte. Die Grenzen zwischen Bauen, Gestalten und Spielen sind fließend.

Bildungsaspekte

Zerstören, Zerteilen und Zerlegen – die Dekonstruktion ist der natürliche Gegenprozess zur Konstruktion und für Kinder ebenso spannend und lehrreich. Das „Kaputtmachen“ ist natürlicherweise meist negativ bewertet oder sogar streng verboten.
Ergeben sich wertungsfreie Prozesse, bei denen Zerstörung sinnstiftend und erlaubt ist – wie hier zur Materialgewinnung –, werden Kinder mit Begeisterung aktiv. Sie erfahren, wie Holz bricht, wenn es dünner ist, oder verwenden Hebelwirkungen, um ihre Kraft bei dickeren Stücken zu vergrößern. Auch die Kraft und die Wirkung des eigenen Fußtritts sorgt für eine neue, oft verblüffende Erfahrung.
Setzt nach der Zerlegung die Sammelphase ein, ist assoziatives Denken gefragt: Welches Holzstück könnte sich in eine Wand, ein Bodenbrett verwandeln? Geometrische Raum-Lage-Beziehungen von Ecken, Wänden, Zäunen fördern räumliches Denken. Konstruktionsprozesse mit nicht vorgefertigtem Material führen Kinder ins Experimentieren. Immer wieder ist die Eignung des Materials für das geplante Vorhaben entscheidend: Kippt auf ungleich hohen Korken die aufgesetzte Decke? Auf die Frustration des Scheiterns folgt ein neuer Versuch: Gleich hohe Korken halten den Deckenbalken besser, auf die stabile Basis lässt sich aufbauen. Gelungene Verbesserungen in ihrem Vorgehen zeigen wichtige Lernschritte der Kinder. Zweites Grundthema beim Konstruieren ist die Herstellung von Verbindungen – je besser ein Kind Verbindungen durch Knoten, Kleben, Schnüren, Stecken ausführen und die Wirksamkeit der Verbindung vorhersehen kann, umso größer werden seine Gestaltungsmöglichkeiten.
Da Holz verwendet wird, das im echten Hausbau dieselben baulichen Eigenschaften hat, bieten die Obstkisten-Konstruktionen gegenüber Basteleien aus Papier wirklichkeitsnahe Lernsituationen.

Obstkisten als Baumaterial

Kreative Idee mit Obstkisten: Obstkisten als Baumaterial
© Anja Horn, Freiberg

Obstkisten sind in verschiedenen Modellen als kostenloses Abfallprodukt erhältlich. Da die Materialstärke des Holzes unterschiedlich ist, lohnt es sich, eine Auswahl zu treffen.

Kreative Idee mit Obstkisten: Obstkisten als Baumaterial
© Anja Horn, Freiberg

Beim Zertreten müssen feste, am besten alte Schuhe getragen werden und die Kinder vorher auf die Gefahr durch Metallklammern im Holz hingewiesen werden.

Kreative Idee mit Obstkisten: Obstkisten als Baumaterial
© Anja Horn, Freiberg

Meist gibt es unter den Kindern „Profis“, die sich gern an den stabilen Klammern abarbeiten. Ebenso gibt es begeisterte „Zertreter*innen“ oder „Sortierer*innen – zur Materialgewinnung findet jeder und jede eine passende Aufgabe.

Villa Kunterbunt

Kreative Idee mit Obstkisten: Villa Kinterbunt
© Anja Horn, Freiberg

Je nach handwerklichen Fähigkeiten der Kinder lassen sich aus den entstandenen Holzresten räumliche Konstruktionen umsetzen. Oft sind die Kinder dankbar dafür, wenn sie für ihre nächsten Schritte Beratung bekommen. Gemeinsam lässt sich gut die Auswahl der geeigneten Verbindungstechniken diskutieren.

Piratenschiff

Kreative Idee mit Obstkisten: Piratenschiff
© Anja Horn, Freiberg

Die „wilde“ Form der zerbrochenen Holzstücke bietet sich beispielsweise an, um Schiffe raubeiniger Piraten damit zu bestücken. Sie kommen als Seitenwand oder Kajütendach zum Einsatz. Vielleicht mussten sich die Seeleute ihr Schiff aus Balkenresten alter gestrandeter Schiffe bauen, weil ihr eigenes untergegangen ist?

Baumhaus der kleinen Hexe

Kreative Idee mit Obstkisten: Baumhaus der kleinen Hexe
© Anja Horn, Freiberg

Für Kinder ebenso echt – weil aus Holz –, aber viel einfacher zu bewältigen als räumliche Strukturen, sind flächige Verklebungen zu bildhaften Arbeiten. Das Baumhaus für die Kleine Hexe kann beispielsweise in einen vorher auf Karton oder Sperrholz gemalten Baum hineingeklebt werden. Die Ausstattung mit Strickleiter, Hexenbett unterm Dach oder Haken für den Flugbesen erfolgt ganz nach der Fantasie des Kindes.

Giraffe

Kreative Idee mit Obstkisten: Giraffe
© Anja Horn, Freiberg

Die vielfältigen Formen der Bruchstücke regen gestalterische Umdeutungen an: Ein Tierkopf, lange Beine, der Schwanz sind schnell gefunden.

Kreative Idee mit Obstkisten: Giraffe
© Anja Horn, Freiberg

Die hier dargestellten Tiere sind Entwürfe für größere afrikanische Tierskulpturen aus Holz. Das Fellmuster konnte auf den Bruchstücken der Obstkisten gut skiziert werden. Der Schritt vom Entwurf zur Umsetzung mit Holzbalken und Latten war einfach, da der Entwurf – weil materialgleich – schon zu passenden formalen Lösungen führte.

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