Theologisches Forum Christentum-Islam zur FriedensethikDie Religionen und der Krieg

Nicht erst seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sind die Religionen mit Fragen nach Krieg und Frieden befasst. Und doch sind nicht zuletzt die friedensethischen Konzepte der christlichen Theologie durch den Ukrainekrieg besonders herausgefordert. Aber gerade auch im interreligiösen Dialog spielt das friedensstiftende Potenzial der Glaubensgemeinschaften eine wichtige Rolle. Das zeigt nicht zuletzt die gemeinsame Erklärung von Papst Franziskus und Sheikh Ahmed el-Tayeb, Scheich der Azhar, aus dem Jahr 2019. Auch deshalb befasste sich das „Theologische Forum Christentum-Islam“ bei seiner Jahrestagung Mitte März unter dem Titel „Herausforderung Frieden: Anfragen an Christentum und Islam“ mit dieser Thematik. Rund 150 Expertinnen und Experten debattierten in der Katholischen Akademie Stuttgart-Hohenheim darüber, wie Glaubensgemeinschaften ihrer Selbstzuschreibung als Religionen des Friedens gerecht werden können.

Dirk Ansorge, Professor für Dogmatik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen, hielt fest, dass es keinen Beitrag „der“ Religionen zur Beilegung oder Anstachelung von Konflikten gebe. Vielmehr seien Konflikte multistrukturell: „Religionen können dabei eine Rolle spielen, müssen es aber nicht.“ In eine ähnliche Richtung argumentierte Andreas Hasenclever, Friedensforscher an der Universität Tübingen. Religionen stellten keine primären Konfliktursachen dar, vielmehr seien politische Diskriminierung oder soziale Ungleichheiten zentrale Aspekte. Allerdings zeigte er auf, dass und wie politische Eliten auf religiöse Motive und Traditionen zurückgreifen, um in Konfliktsituationen zu mobilisieren. Dabei wurde die Gefahr der Instrumentalisierung der Religionen auf verschiedenen Ebenen deutlich. Dieser könne jedoch durch religiöse Bildung, religiöses Bewusstsein, religiöse Öffentlichkeit und religiöse Autonomie entgegengewirkt werden. Hasenclever schlug als „Instrumentalisierungsprophylaxe“ die Bildung von Friedensnetzwerken vor.

Wie solche interreligiösen Netzwerke in der Praxis aussehen könnten, veranschaulichte Matthias Eder, der für die deutsche Organisation Agiamondo am Tangaza University College in Nairobi tätig ist. Die von 22 Ordensgemeinschaften getragene Universität arbeitet daran, Interreligiosität zu nutzen, um Konflikte in Kenia zu entschärfen. Religionen könnten demnach Brücken über andere Konfliktlinien hinweg bauen.

Muna Tatari, Professorin für Islamische Systematische Theologie an der Universität Paderborn, fragte schließlich, ausgehend von der Anthropologie, nach der Wurzel des Gewaltproblems: Ist sie der Islam als Religion an sich oder ist sie eine Islamisierung von Radikalität? Sie verdeutlichte, dass beide Ansätze dem Phänomen und dessen Komplexität nicht gerecht werden würden. Tatari brachte Ambiguitätstoleranz ins Spiel und suchte diese als hermeneutischen Schlüssel für die Koranauslegung fruchtbar zu machen. Ihr Fazit lautete: Die Theologie könne einen Beitrag dazu leisten, Spannungen in der ambiguen Welt wahrzunehmen, auszuhalten und zu stabilisieren – da Gott selbst ambigue sei. Dana Kim Hansen-Strosche

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