Veröffentlichung der Missbrauchsstudie in FrankreichDebatte um das Beichtgeheimnis

Beichtstuhl
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Nach der Veröffentlichung des Berichts über sexuellen Missbrauch in der Kirche in Frankreich wird dort über das Beichtgeheimnis diskutiert. Die von der Französischen Bischofskonferenz Ende 2018 in Auftrag gegebene Untersuchung war zu dem Ergebnis gekommen, dass es seit 1950 geschätzt 216.000 minderjährige Opfer sexueller Übergriffe durch Priester und Ordensleute gegeben hat. Zähle man Laien und Kirchenmitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen hinzu, komme man auf geschätzte 330.000 Betroffene. Es seien zwischen 2900 und 3200 potenzielle Täter ermittelt worden. Die Kommission, die aus Juristen, Medizinern, Historikern und Theologen besteht, hatte unter anderem gefordert, das Beichtgeheimnis im Zusammenhang mit der Verfolgung sexueller Übergriffe zu überprüfen.

Innenminister Gérald Darmanin betonte die Pflicht von Priestern zur Anzeige von besonders schweren Missbrauchsfällen. Priester, die im Beichtgespräch von Verbrechen gegen Kinder unter 15 Jahren erfahren, müssten diese der Justiz melden. In Frankreich steht die Nichtverfolgung und Nichtanzeige von Straftaten unter Strafe. Darmanin, der auch für religiöse Angelegenheiten zuständig ist, hatte zuvor den Vorsitzenden der Französischen Bischofskonferenz, Erzbischof Eric de Moulins-Beaufort, zu einem Gespräch über „Bedeutung des Beichtsakraments für Katholiken und die theologischen, geistlichen und kirchenrechtlichen Grundlagen des Beichtgeheimnisses“ eingeladen. Der Erzbischof hatte in einem Interview auf die Frage, ob das Beichtgeheimnis Vorrang vor französischen Gesetzen habe, geantwortet, das Beichtgeheimnis sei für alle Priester verpflichtend und damit „stärker als die Gesetze der Republik“. Der Erzbischof entschuldigte sich später für diese Äußerung. Die Formulierung sei ungeschickt gewesen. Die katholischen Bischöfe seien entschlossen, „dem Schutz der Kinder höchsten Vorrang einzuräumen, in Zusammenarbeit mit den französischen Behörden“.

Die Ergebnisse der Kommission unter Leitung des früheren Richters und Vizepräsidenten des Französischen Staatsrates, Jean-Marc Sauvé, hatten für Entsetzen gesorgt. FranÇois Devaux, selbst Opfer von Missbrauch, hatte zu Beginn der Vorstellung des Berichts das Wort an die französischen Bischöfe gewandt: „Meine Herren, Sie sind eine Schande für die Menschlichkeit! Sie haben die göttliche Verpflichtung verletzt, das Leben und die Menschenwürde des Einzelnen zu schützen – und das ist der innerste Kern Ihrer Institution.“

Papst Franziskus zeigte sich bestürzt: „Das ist ein Moment der Schande.“ Den Opfern sprach er „meine Trauer und meinen Schmerz aus für das Trauma, das sie erlitten haben. Aber auch meine Scham, die Scham von uns allen, meine Scham“, so Franziskus. Für Deutschland fordert unterdessen unter anderem der Psychiater Harald Dreßing, der die MHG-Studie koordiniert hatte, eine neue Untersuchung nach französischem Vorbild. „Die für Deutschland ermittelten Opferzahlen der MHG-Studie sind die unterste Grenze. Wir haben aber immer betont, dass das nur die Spitze des Eisbergs und das Dunkelfeld viel größer ist“. Dana Kim Hansen-Strosche

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