PäpsteJohannes XXIII. und Johannes Paul II. neue Heilige

Am 27. April sprach Papst Franziskus gleich zwei seiner Vorgänger heilig, Johannes XXIII. und Johannes Paul II.

Heilig- und Seligsprechungen gehören zwar nicht gerade zum Alltag der katholischen Kirche, sind aber auch nichts Besonderes. Dass Päpste heiliggesprochen werden, kommt allerdings eher selten vor. So wurde beispielsweise zwischen dem Heiligen Pius V. (1566–1572) und dem Heiligen Pius X. (1903–1914) keinem Papst diese besondere Auszeichnung zuteil – im Fall von Innozenz XI. (1676–1689) und Pius IX. (1846–1878) ist es bisher bei der Seligsprechung geblieben.

Insofern war der 27. April 2014 ein historisches Datum für die katholische Kirche, wurden doch gleich zwei Päpste an diesem Tag heiliggesprochen, und zwar solche aus der jüngeren Vergangenheit. Unmittelbar vor dem vierten Treffen des von ihm ins Leben gerufenen Rats der acht Kardinäle sprach Papst Franziskus seinen Vor-Vorgänger Johannes Paul II. und den unvergessenen Konzilspapst Johannes XXIII. heilig. Die entsprechenden Seligsprechungen hatten am 1. Mai 2011 beziehungsweise am 3. Oktober 2000 stattgefunden.

Rekordzahl von Kanonisationen

In seiner Ansprache bei der Doppel-Heiligsprechung hob der gegenwärtige Papst hervor, Johannes XXIII. habe mit der Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils eine „sensible Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist an den Tag gelegt, er habe sich führen lassen und sei für die Kirche ein Hirte, ein vom Geist geleiteter Leiter gewesen: „Das war sein großer Dienst für die Kirche.“

Die Verdienste von Johannes XXIII. um das Zweite Vatikanum sind unbestritten. Er kündigte 1959 zur allgemeinen Überraschung ein Konzil an, nachdem das Vorgängerkonzil von 1869/70 abrupt abgebrochen worden war und im Dissens endete, den die Abreise einer ansehnlichen Minderheit von Bischöfen vor der Dogmatisierung des päpstlichen Lehr- und Jurisdiktionsprimats überdeutlich markierte. Johannes XXIII. konnte das Zweite Vatikanische Konzil dann am 11. Oktober 1962 feierlich eröffnen, starb aber schon nach der ersten Sitzungsperiode, bevor auch nur ein Konzilsdokument verabschiedungsreif war.

Der spätere Papst Johannes Paul II. nahm zunächst als Krakauer Weihbischof und dann (ab 1964) als Erzbischof von Krakau am Zweiten Vatikanischen Konzil teil und engagierte sich besonders bei der Erarbeitung der wegweisenden Erklärung über die Religionsfreiheit sowie der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute. Zur Umsetzung des Konzils führte er in seinem Bistum eine Synode durch und veröffentlichte unter dem Titel „Quellen der Erneuerung“ einen Leitfaden zu Verständnis und Einordnung der Dokumente des Zweiten Vatikanums.

In sein 1978 begonnenes Pontifikat fiel dann die Promulgation der neuen kirchlichen Rechtsbücher, des CIC (für die „lateinische“ Kirche) von 1983 und des CCEO (für die katholischen Ostkirchen) von 1990. Dazu kam der „Katechismus der Katholischen Kirche“ (1992) als eine „Darlegung des katholischen Glaubens, wie sie von der Heiligen Schrift, der apos­tolischen Überlieferung und vom Lehramt der Kirche bezeugt oder erleuchtet wird“ (so die Apostolische Konstitution „Fidei Depositum“ zur Veröffentlichung des „Weltkatechismus“). Die Anregung dazu stammte von der Außerordentlichen Vollversammlung der Bischofs­synode, mit der der Papst das zwanzigjährige Jubiläum des Konzilsabschlusses Ende 1985 markiert hatte.

Zu den weniger beachteten amtlichen Dokumenten aus der langen Amtszeit von Johannes Paul II. gehört die Apostolische Konstitution „Divinus perfectionis magister“ über die Durchführung von Kanonisationsverfahren vom 25. Januar 1983. Sie regelt die Phase des Verfahrens auf der Ebene der Diözesen und das Vorgehen der vatikanischen Kongregation für die Heiligsprechung. Die gegenwärtige Struktur der Kongregation (sie wird seit 2008 von Kardinal Angelo Amato, einem italienischen Salesianer, geleitet) verdankt sich den von Johannes Paul II. erlassenen Bestimmungen. Der polnische Papst ordnete nicht nur das Verfahren neu, sondern nahm selber auch eine Rekordzahl von Kanonisationen vor: In sein Pontifikat fielen nicht weniger als 1383 Selig- und 482 Heiligsprechungen. Etliche davon fanden nicht in Rom, sondern im jeweiligen Herkunftsland der Seligen beziehungsweise Heiligen statt.

Papst Franziskus ließ bei der Heiligsprechung am 27. April dieses Element der Amtsführung Johannes Pauls II. unerwähnt. Er hob hervor, die beiden Päpste hätten „mit dem Heiligen Geist zusammengearbeitet, um die Kirche gemäß ihrer ursprünglichen Gestalt wiederherzustellen und heutig zu machen“ („per ripristinare e aggiornare la Chiesa“). Außerdem kennzeichnete er Johannes Paul II. mit dem etwas überraschenden Epitheton „Papst der Familie“ und verwies in diesem Zusammenhang auf die beiden für diesen Herbst und für 2015 vorgesehenen Treffen der Bischofssynode zu diesem Thema.

Unmittelbar nach dem Tod und im Umfeld der Begräbnisfeierlichkeiten von Johannes Paul II. war der Ruf „Santo subito“ nicht zu überhören. Benedikt XVI. und die einschlägigen kurialen Organe taten denn auch alles, um diesen Wunsch möglichst bald Wirklichkeit werden zu lassen: Sowohl die Selig- wie die Heiligsprechung seines 2005 verstorbenen Vorgängers erfolgten in Rekordzeit – dagegen lagen zwischen Tod und Heiligsprechung von Johannes XXIII. immerhin etwas mehr als 50 Jahre.

Im Vorfeld der jetzigen Doppel-Heiligsprechung kursierten in der italienischen Presse Meldungen über die Stellungnahme, die der 2012 verstorbene Mailänder Kardinal Carlo Maria Martini im internen Konsultationsverfahren zur Person von Johannes Paul II. formuliert haben soll (vgl. Corriere della Sera, 9. April 2014). Insgesamt, so der „Corriere“, seien 114 Zeugen gehört worden, davon 35 Kardinäle und 20 Bischöfe beziehungsweise Erzbischöfe. Die Zeitung beruft sich für ihre Aussagen zu Kardinal Martini auf ein kürzlich erschienenes kleines Buch aus der Feder von Andrea Riccardi (La santità di Papa Woityla, Edizioni San Paolo).

Johannes Paul II., so demnach Kardinal Martini, habe nicht immer eine glückliche Hand bei Ernennungen und bei der Auswahl von Mitarbeitern bewiesen; er habe zu sehr die geistlichen Bewegungen auf Kosten der Ortskirchen unterstützt. Etwa bei Reisen habe er sie unvorsichtigerweise in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestellt. Auf der Habenseite wird verbucht, Johannes Paul II. sei ein „treuer und gläubiger Diener“ der Kirche gewesen, zu dessen Stärken Begegnungen mit den Massen, vor allem mit den Jugendlichen gezählt hätten. An der Notwendigkeit der Heiligsprechung von Johannes Paul II. habe Martini insgesamt Zweifel geäußert; ihm genüge das „geschichtliche Zeugnis seiner ernsthaften Zuwendung zur Kirche und zum Dienst an den Seelen“.

Bei einer Pressekonferenz im Vorfeld der Heiligsprechung kritisierte der Postulator des Verfahrens für Johannes Paul II., der polnische Priester Slawomir Oder, das Vorgehen der Medien im Zusammenhang mit den Äußerungen von Kardinal Martini. Es sei zweifellos unangemessen, daraus eine Ablehnung der Heiligsprechung Johannes Paul II. abzuleiten. Man müsse sich darüber im Klaren sein, dass es verschiedene Denkrichtungen in Bezug auf die Angemessenheit einer Heiligsprechung von Päpsten gebe. Ähnlich äußerte sich der vatikanische Pressesprecher Federico Lombardi: Kardinal Martini habe daran erinnert, dass dieses Thema in größerem Umfang in der Diskussion stehe.

Eine solche Diskussion ist denn auch mehr als angemessen, schon deshalb, weil mit der Doppel-Heiligsprechung vom 27. April offensichtlich kein Endpunkt gesetzt wurde: Schon kurz danach wurde bekannt gegeben, dass die Seligsprechung von Paul VI. am 19. Oktober dieses Jahres erfolgen wird. Sie dürfte zwar nicht im selben Maß umstritten sein wie seinerzeit die Seligsprechung von Pius IX. oder eine mögliche Seligsprechung von Pius XII. Aber eine Kirche, die in ihrer jüngeren Geschichte fast nur noch selig- oder gar heiliggesprochene Spitzenrepräsentanten zählt, setzt sich selber als Institution in ein merkwürdiges Licht und tendiert zur Immunisierung des römischen Bischofsamts – was diesem theologisch wie kirchenpraktisch gesehen nicht gut tut.

Den Heiligsprechungen vom 27. April folgten im vatikanischen Terminkalender die ersten Zusammenkünfte sowohl des von Papst Franziskus ins Leben gerufenen Wirtschaftsrats wie auch der neuen Päpstlichen Kommission für den Schutz der Minderjährigen. Beide Gremien stehen für den Willen des Papstes, in der katholischen Kirche für ein höheres Maß an Transparenz zu sorgen, gerade in den heiklen Bereichen der Finanzen einerseits und des Umgangs mit Schutzbefohlenen andererseits, bei denen einiges in der jüngeren Vergangenheit im Argen lag beziehungsweise immer noch liegt. Päpste, die man offiziell als Heilige oder Selige anrufen kann, ersetzen nicht die ständige kritische Selbstprüfung einer Kirche, die nach der Formulierung des Zweiten Vatikanischen Konzils „zugleich heilig und stets reinigungsbedürftig“ ist und „immerfort den Weg der Buße und Erneuerung“ geht (Lumen gentium, Nr. 8).

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