Edward Berger weiß, wie man Schweiß, Schmutz und Grabenkämpfe auf die Leinwand bringt. Anfang des Jahres gewann der österreichisch-schweizerische Regisseur vier Oscars mit seiner beklemmend-realistischen Verfilmung von Im Westen nichts Neues. Was reizt einen solchen Filmemacher an einem Konklave – einem vergleichsweise ruhigen Vorgang, bei dem ältere Herren in langen Bänken sitzen und mit gewichtiger Miene Stimmzettel in die Wahlurne werfen? Die Antwort liefert der Film sehr direkt: „Das hier ist Krieg!“, entfährt es einem der Kardinäle, die in diesem fiktiven Spielfilm zusammengetrommelt wurden, um über den nächsten Papst abzustimmen. „Da muss man eine Seite wählen!“
Die beiden Seiten sind, wenig überraschend, der traditionell-konservative und der liberal-fortschrittliche Flügel der Kirche. Und Regisseur Berger lässt beide Fraktionen in seinem Film gnadenlos auflaufen. Die Konservativen sind eine Gruppe von mehr oder weniger offenen Rassisten, die das Papstamt fest in europäischer Hand halten, Latein wieder zur verpflichtenden Liturgiesprache machen und die Uhren der Kirche allgemein um ein paar Jahrzehnte zurückdrehen wollen. Dagegen stehen die Liberalen, die in Hinterzimmern um Stimmen schachern und sich wie Fähnchen im Wind mal hinter dem einen, dann hinter dem anderen Kandidaten versammeln. Als dann plötzlich ein erzkonservativer Afrikaner ernsthafte Chancen auf den Petrusthron hat, gerät ihr Weltbild völlig aus den Fugen. „Wäre er weiß, wäre er der schlimmste Kandidat“, sinniert einer der Fortschrittskardinäle beim Mittagessen. Aber ein schwarzer Papst wäre ein so schönes Zeichen für die Weltoffenheit der Kirche...
Hauptfigur Kardinal Thomas Lawrence (Ralph Fiennes) findet sich schnell zwischen den Fronten wieder. Er, der eigentlich schon seinen Rücktritt angeboten hat, muss jetzt dafür sorgen, dass das Konklave ordnungsgemäß abgehalten wird. Am besten so schnell und reibungslos wie möglich. Wenn die Weltöffentlichkeit zu lange auf den weißen Rauch warten muss, könnte das den Eindruck erwecken, die Kirche sei gespalten – und das kann schließlich niemand wollen. Dabei ist Lawrence einer der wenigen Männer bei diesem Konklave, denen man abnimmt, selbst keine Ambitionen auf das Papstamt zu haben. So stört es ihn dann auch wenig, dass er mit seiner Begrüßungsrede direkt beide Seiten gegen sich aufbringt. Die größte Sünde unserer Zeit sei Gewissheit, gibt er den versammelten Kardinälen mit. „Gewissheit ist der Feind der Einheit. Gewissheit ist der Feind der Toleranz.“ Wer überzeugt ist, für die alleinige Wahrheit zu stehen, sieht im anderen schnell nur noch einen Gegner statt jemanden, der es auf seine Weise auch gut meinen könnte.
Allzu viel Zeit, über Lawrences Warnung nachzudenken, haben die Kardinäle allerdings nicht. Denn das Drehbuch lässt im Staccato eines Politthrillers immer neue Probleme auf das Konklave einprasseln. In den zwei Stunden Spielzeit werden ein Vertuschungsskandal aufgedeckt, eine Korruptionsaffäre platzt, einer der Kardinäle entpuppt sich als Vater eines unehelichen Kindes und irgendwann gerät die Kirche ganz physisch unter Beschuss, als die Sixtinische Kapelle durch einen islamistischen Terroranschlag erschüttert wird. Ganz zuletzt klingt auch noch die immer präsente Frauenfrage an, als Schwester Agnes (Isabella Rossellini), einer der Nonnen aus der vatikanischen Küche, der Kragen platzt: „Wir sollen unsichtbar sein. Aber Gott hat auch uns Augen und Ohren gegeben!“ Das mag man für einen einzelnen Film überfrachtet finden, vielleicht ist es aber auch ein bewusst überwältigender Rundumblick auf all die Krisenherde der Kirche. Lassen sich die Probleme lösen? Wohl nur, wenn beide Seiten irgendwie konstruktiv zusammenfinden. Der verstorbene Papst sei am Ende seines Lebens immer wieder von Zweifeln geplagt worden, vertraut der Kämmerer Lawrence irgendwann an. An Gott habe er nie gezweifelt – „aber an der Kirche“.