HeilfastenDiät der Seele

Nach der Taufe durch Johannes zog sich Jesus vierzig Tage in die Wüste zurück, um zu fasten. Das klassische Heilfasten kann auch ohne religiöse Bezüge auskommen, doch verknüpfen zahlreiche Angebote gesundheitliche und spirituelle Aspekte.

Jesus war kein Asket und seine Botschaft keine asketische. „Können denn die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Solange der Bräutigam bei ihnen ist, können sie nicht fasten“ (Mk 2,18f.), antwortet er auf die Anfragen der Pharisäer. Seiner Umwelt galt er zudem als „Fresser und Säufer“ (Mt 11,19). Ein harter Vorwurf. Erst mit Kreuzigung und Auferstehung gerät die Gemeinde in die Situation, dass das Fasten angemessen ist. Die spätantike Umwelt mit ihren asketischen, leibfeindlichen Trends tat ihr Übriges, damit Fasten, Askese und Bedürfnisverneinung ihren festen Platz innerhalb der Geschichte und der Spiritualität des Christentums einnehmen konnten. Der große Erfolg der Wüstenväter, der in Klostergründungen und der Entwicklung des Mönchstums mündete, legt ein eindrucksvolles Zeugnis dieser das Christentum so prägenden Tradition des Verzichts ab. Ab und an muss man auch heute darauf hinweisen, dass die urchristliche Botschaft keine leibfeindliche, verzichtende ist, sondern die Freude über die Ankunft des Reiches Gottes zum Kern hat (Lk 5,33–35).

Dennoch: Die vierzig Tage Jesu in der Wüste bleiben als Vorbild der vierzigtägigen Vorbereitungs- und Fastenzeit vor Ostern bestehen. Nach vierzig Tagen brach Jesus das Fasten ab, denn „er hatte Hunger“ (Mt 4,2). Das ist recht nah an den Methoden des klassischen Heilfastens, wie es im ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts von dem deutschen Arzt Otto Buchinger (1878–1966) begründet wurde. Buchinger und seine Methoden sind bis heute alles andere als unumstritten, dennoch sind die Angebote, die sich jedes Jahr auf seine Methoden berufen, nachweislich zahlreich und beliebt. Dies betrifft auch den religiösen Sektor.

Eine kurze Internetsuche zu den Schlagworten „Heilfasten“ und „Kloster“ liefert ein breites Angebot von Orten, an denen man zu einer religiös begleiteten Fastenkur einkehren kann. Nicht alle berufen sich auf Buchinger, einige auch auf Fastenkuren nach der Hl. Hildegard von Bingen (1098–1179). Der Konvertit Buchinger selbst empfahl für seine „Diät der Seele“ auch Psalmenlesung und geistige Übungen. Er war ein wichtiger Protagonist der Lebensreformbewegung. Als solcher hätte er sowohl das Weintrinken als auch das fröhliche Mitfeiern Jesu Christi nicht gutgeheißen. Genussmenschen bezeichnete Buchinger abfällig als „Gepökelte“. Für die Zeit des Fastens nehmen die Probanden keinerlei feste Nahrung mehr zu sich, nur Flüssigkeiten wie Wasser, Brühe und Saft. Dies soll der „Entschlackung“ des Körpers dienen; ungesunde Ablagerungen sollen aus dem Körper geschwemmt werden. Nach kurzer Zeit verspürt der Körper dabei kein Hungergefühl mehr, die Sinne schärfen sich, das Schlafbedürfnis lässt nach. Buchingers Methoden sind vonseiten der Wissenschaft oft angezweifelt und teils widerlegt worden; der Begeisterung für das Heilfasten hat dies keinen Abbruch getan. Auch wenn die radikaleren Ideen Buchingers gerne dabei unter den Tisch fallen.

Das christliche Fasten hingegen kennt weder Leibfeindlichkeit noch Verächtlichmachung. Die Vorbereitungszeit auf Ostern, die mit dem Aschermittwoch beginnt, ist vielmehr eine umfassende seelische wie körperliche Einstellung auf Karfreitag und Ostersonntag. Und dann darf auch wieder gefeiert werden. Zu Recht.

Anzeige: In der Tiefe der Wüste. Perspektiven für Gottes Volk heute. Von Michael Gerber

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