MaßhaltenWir – das bin doch ich!

Genau vor einem Jahr, als der Bundestagswahlkampf seinem Höhepunkt zustrebte, überboten sich die Parteien damit, dem Volk zu sagen, dass die weltweiten Krisen – allem voran der Klimawandel – ohne persönliche Einschränkungen, ohne Wohlstands-, ohne Freiheitsverlust zu bewältigen seien.

Transformation hieß das Zauberwort. Nach den Corona-Lockdowns sollten die Leute jedoch nach Herzenslust nachholen dürfen, was sie versäumt hatten. Das Volk glaubte daran. Und glaubt daran immer noch, wie der Reisewahn mit verstopften Flughäfen oder die Massenevents dichtesten Gedränges belegen, obwohl die Covid-Infektionen täglich zwischen hundert und zweihundert Tote fordern. Eine harte „Kennzahl“, aber wer will das schon wissen! Omikron ist angeblich harmlos, wie uns von allen Seiten gepredigt wird. Im Aufblühen der Seele dank Konsumrausch möchte man schon gar nichts wissen von Ressourcenverschwendung, geschweige denn von Fridays-for-Future. Nebenan herrscht Krieg. Getreide fehlt. Aber nach dem kurzen Erschrecken ist das schon wieder weit weg. Gefährlichere Virus-Varianten im Herbst? Der Gesundheitsminister, der händeringend neue vorbeugende Regelungen erwirken will, wird zurückgepfiffen, so wie einst die Bundeskanzlerin nicht durchsetzungsfähig war. Der Liberalismus darf nicht getrübt werden. Erdgasmangel? Es kommt momentan doch genug aus der Leitung. Außerdem ist mein großer Öltank für den Winter bereits seit letztem Jahr gut gefüllt.

Plötzlich beginnen Ratgeber, der Bevölkerung zu erklären, welcher Duschkopf sparsamer Wasser spendet, ja warum Duschen jeden zweiten Tag ausreicht. Oder wie man benzinsparend an eine rote Ampel heranrollt, durch Ausschalten von Stand-by Strom spart. Das Umrüsten auf LED-Birnen bitte nicht vergessen! Bistümer lassen ihre Dome bei Nacht nicht mehr anstrahlen. Eier lieber kürzer kochen, den alten Kühlschrank verschrotten. Weniger Fleisch essen ist ohnehin vorteilhaft. Lastenfahrräder sollen die Welt retten, während China einen Flughafen nach dem anderen baut. Kinkerlitzchen müssen die Gesellschaft beruhigen. Wenn nur das andere Zauberwort nicht wäre: Zeitenwende. Transformation ohne Verzicht? Nach bloß einem Jahr ist das bereits Makulatur.

Wahrscheinlich werden viel heftigere Zumutungen tief ins Wohlstandsgefüge und Wohlstandsgefühl dieser Nation einschneiden. Zu lange haben wir auf dem Vulkan getanzt in der Meinung, die durch unaufhörliche Subventionen mit gigantischem Schuldenmachen finanziell abgesicherte Zivilisation werde ihren inneren Frieden so auf ewig bewahren. Eine Täuschung, so wie wir ähnlich die Expansionsansprüche des militaristisch aufgeblähten Russland ausblendeten. Anders leben, damit andere überleben, forderten kirchliche Hilfswerke schon vor Jahrzehnten. Jetzt gilt noch radikaler: damit wir überleben. Wir – das bin doch ich! Wie lange wird es noch dauern, bis die Einzelnen merken, dass sie sich nicht mehr hinter Gesellschaft, Staat, Politik, Wirtschaft, Technik, Kirche verstecken können. Religiösen Menschen fällt die Einsicht möglicherweise leichter als säkularistisch eingestellten – verbunden damit, die Bußübungen harten Verzichts auf sich zu nehmen. Todsünden, Maßlosigkeit, Verschwendung oder andererseits Gewissenserforschung, Reue, Umkehr, Opfer, Maßhalten schienen von gestern zu sein. Die Weisheit der Religion erweist sich jetzt aber wieder einmal als weiser denn das, was der säkularistische Liberalismus uns weiszumachen versucht.

Anzeige: In der Tiefe der Wüste. Perspektiven für Gottes Volk heute. Von Michael Gerber

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