Zur Kritik an PromihochzeitenKirchliche Willkommenskultur

Obwohl sie keine Kirchenmitglieder sind, haben Christian Lindner und Franca Lehfeldt kirchlich geheiratet. Seither hagelt es Kritik: Hat sich die Kirche bloß als „Kulisse“ hergegeben? Unser Autor hält dagegen: Warum freuen wir uns nicht über den Vorgang?

Finanzminister Christian Lindner und die Journalistin Franca Lehfeldt haben sich in Keitum das kirchliche Jawort gegeben. Kaum ein Paar feierte in jüngerer Zeit mit einer vergleichbar großen Ansammlung von Prominenten aus Politik, Kultur, Sport und Gesellschaft. Friedrich Merz flog mit Privatjet an und erntete dafür Hohn und Spott – verständlich in Zeiten von Inflation und Flughafenchaos.

Am Tag nach der kirchlichen Trauung hat die evangelische Theologin Margot Käßmann die Feierlichkeiten in der altehrwürdigen St.-Severin-Kirche auf Sylt kritisiert. In ihrer Kolumne für die Bild am Sonntag fragte sie: „Weshalb wünschen zwei Menschen eine kirchliche Trauung, die bewusst aus der Kirche ausgetreten sind, ja öffentlich erklärt haben, dass sie sich nicht als Christen verstehen?“ Und Käßmann spitzte rhetorisch noch weiter zu: Die Feierlichkeiten hätten dem Brautpaar schlicht als „Kulisse“ gedient. Ihre Sorge: Durch solche Hochzeiten würden die „traditionellen Räume, in denen Christen Gott die Ehre geben“, entwertet.

Vieles mag ein Christ in der Gegenwart kritisieren, aber eine Entwertung kirchlicher Räume durch eine Promihochzeit nun wahrlich nicht. Hier irrt Käßmann. In Zeiten, in denen sich die Kirchen in Deutschland mit Hiobsbotschaften überbieten und einen Vertrauensverlust nie gekannten Ausmaßes durchleben, sollten alle froh darüber sein, dass sich Persönlichkeiten von Bundeskanzler Olaf Scholz bis hin zur Dressurreiterin Isabell Werth in einer Kirche die Ehre geben – und sich von Kirche etwas sagen lassen!

Ich selbst habe so oft mit Ausgetretenen zu tun (vor allem zu Weihnachten, Erstkommunionen und bei Trauungen), dass ich gerade in solchen Momenten bewusst ins Wort bringe, wie sehr „Gott und unsere Kirchengemeinde sich freuen, dass heute so viele Menschen gekommen sind“. Besonders herzlich begrüße ich alle Christen anderer Konfessionen, ebenso Menschen anderer Religionen und Weltanschauungen, vor allem auch diejenigen, die in keiner Religion zu Hause sind beziehungsweise nicht an Gott glauben, aber sich vom Zauber dieses Tages haben anrühren lassen.

Gibt es im kirchlichen Kontext eigentlich keine Willkommenskultur? Ich habe mich schon als Kind geärgert, wenn der Pfarrer zu Weihnachten von denen sprach, die „heute als U-Boot-Christen einmal im Jahr auftauchen und denen den Platz wegnehmen, die immer kommen“; meine drei Geschwister gehören bis heute dazu. Merkt eigentlich noch jemand, dass durch solche Verbalinjurien auch diejenigen, die wie der heilige Thomas nur zur Kirche gehen, wenn dieser Kirchgang wirklich eine echte Christusbegegnung ermöglicht – und das kann gerade einmal im Jahr intensiver der Fall sein als jeden Sonntag –, endgültig abgeschreckt und vergrault werden?

Kirche sollte sich in Krisenzeiten über solche Feste freuen. Hier zeigt sich, dass hochrangige Vertreter aus allen sozialen Bereichen mit Kirche noch etwas verbinden. Die traditionellen Räume, von deren Entwertung Käßmann schreibt, könnten schon bald ganz leer werden, wenn die Selbstabschaffung von Kirche durch Machtmissbrauch und die Kunst des Sich-überflüssig-Machens anhält. Umso froher sollten wir sein, wenn diese so geehrt werden, wie es jetzt auf Sylt geschah.

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