Frauen in SpitzenpositionenWir als Kirche brauchen mehr!

Etliche Frauen haben gerade kirchliche Führungspositionen inne. Das ist gut und richtig – und doch nur ein Zwischenschritt.

Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.“ So schwärmerisch schrieb Paulus im Brief an die Galater (3,28). Das war schon zu seiner Zeit bloß Theorie, ein Traum, alles andere als eine Zustandsbeschreibung. Und bis heute werden die Kirchen dem egalitären Impuls, der zum Kern unseres Glaubens gehört, nicht gerecht. Vor allem das Geschlecht ist nach wie vor ein Kriterium, auf das man schaut beziehungsweise das allzu oft entscheidet. Es geht eben nicht nur darum, ob jemand theologisch versiert ist, gut predigen, seelsorgerisch wirken oder kompetent führen kann. Als Schlüsseleigenschaft für manche Positionen muss man – in der katholischen Kirche sogar ganz offen ausgesprochen – zudem noch ein X- und ein Y-Chromosom mitbringen.

Evangelisches Triumfeminat

Vor diesem Hintergrund ist es leider immer noch eine Nachricht – weil eine Neuigkeit, etwas Ungewöhnliches –, dass derzeit so viele kirchliche Führungspositionen wie noch nie mit Frauen besetzt sind. In der evangelischen Kirche stehen Annette Kurschus als EKD-Ratsvorsitzende, die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs als ihre Stellvertreterin sowie Anna-Nicole Heinrich als Synoden-Präses an der Spitze. Neben diesem „Triumfeminat“ (FAZ) hat sich aber auch auf katholischer Seite einiges bewegt: Irme Stetter-Karp wurde zur neuen ZdK-Präsidentin gewählt, Eva Maria Welskop-Deffaa leitet den Caritas-Verband, und schon seit ein paar Monaten hat Beate Gilles das Amt der Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz inne. Geballte Frauenpower also an wichtigen Stellen beider Kirchen!

Keine „Quotenfrauen“

So erfreulich jede einzelne dieser Personalien ist, so wenig selbstverständlich sind sie. Wären wir doch bloß schon an dem Punkt, den Paulus einst erträumt hat! Hätten wir nur die kleinliche Erbsenzählerei des Proporzes, in diesem Fall der Geschlechter, überwunden! Denn ist es nicht ungerecht und unfair, dass all diese tollen Menschen, die jetzt in kirchliche Spitzenpositionen berufen wurden, sich doppelt und dreifach anstrengen müssen – nur um zu zeigen, dass sie nicht bloß „Quotenfrauen“ sind?

Aber die strukturelle Sünde männlicher Vorherrschaft, in Jahrhunderten des Patriachats „gelernt“, ist leider noch sehr wirksam. Und vieles ist dadurch nach wie vor vergiftet. Die Heilung ist anstrengend und braucht Zeit. Wir können noch nicht unbefangen auf das ganze Thema blicken. Und katholischerseits muss klar sein: Vor allem auch mit ein paar neu geschaffenen Posten parallel zur Hierarchie – Verwaltungsdirektorinnen oder Amtschefinnen, die es jetzt vielerorts gibt – ist es nicht getan. Wir als Kirche brauchen mehr!

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