Aspekte einer erwachsenen GlaubenskommunikationKatechese im Horizont der Gottesherrschaft

Dass Katechese in erster Linie ein Lernprozess ist, der sich an Erwachsene richtet, mag als Kehrreim moderner Katechetik gelten. Die lehramtlichen Dokumente seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil stellen die frühchristliche Praxis eines mehrstufigen Prozesses des Hineinwachsens Erwachsener in die Gemeinde und einer längeren mystagogischen Vertiefung des Erlebten mit der Gemeinde als das Grundmodell allen katechetischen Bemühungen voran. Freilich: Die (zumindest deutschsprachige) Praxis ist davon noch weit entfernt. Zwar gibt es da und dort (möglicherweise in einer sich abzeichnenden, vielerorts auch schon tatsächlichen Diaspora in wachsendem Maße) gelungene Beispiele für den Erwachsenenkatechumenat, eine Grundüberzeugung, zumal durch eine entsprechende Praxis gedeckt, ist eine Glaubenskommunikation mit Erwachsenen vielerorts noch nicht.

Fazit

Katechese mit Erwachsenen besteht aus sensiblen Prozessen wechselseitigen Lernens unter den Augen Gottes, gern heute als „Glaubenskommunikation“ bezeichnet. Die Relevanz christlichen Glaubens für die eigene Biographie kann dabei nicht vermittelt, sondern allenfalls angeboten, ausprobiert, differenziert und letztlich nur selbst angeeignet werden. Eine Rückbesinnung auf die Mitte christlichen Glaubens und das didaktische Konzept der „Abduktion“ sollen zur Klärung der Möglichkeiten erwachsener Glaubenskommunikation beitragen.  

Katechese heute ist weithin Kinder- und Jugendkatechese anlasslich der anstehenden, haufig noch jahrgangsweise vorgenommenen Feier von Erstkommunion bzw. Firmung. Diese heute scheinbar immer noch unverzichtbar erscheinende Praxis ist Folge einer sich verfluchtigenden, durch Elternhaus und Sozialmilieu gestutzten „Volkskirche“, in der sich Christwerden und Christsein durch Sozialisation und Teilnahme fast von allein ereignete. Doch sobald die Gesellschaft wesentlich durch (Aus-)Wahl und individuelle Entscheidung im Kontext einer Pluralitat von Religionen und Religiositaten, Weltanschauungen und Sinnhorizonten gekenn zeichnet ist, wird solche Katechese wirkungslos. Noch ist Katechese kaum ein situatives, biographiebezogenes Lernen auf Augenhohe. Glauben-Lernen gleicht in der gemeindlichen Katechese vielmehr einem instrumentellen Lernen, bei dem der Instrukteur (haufiger sind es Instruktessen) zeigt, wie es geht. Oder es ist (in Religionsunterricht oder der Erwachsenenbildung) ein Reflektieren uber den Glauben, die fides quae, dem die Basis der eigenen Positionierung und Praktizierung abhanden gekommen ist.
Der inzwischen haufiger verwendete Begriff „Glaubenskommunikation“ will deutlich machen, dass Glauben-Lernen, dass Katechese eigentlich anders funktioniert. „Kommunikation im Glauben“ oder „Kommunikation des Evangeliums“ will deutlich machen, dass auch fur das Lernen im Glauben die Grundregeln menschlicher bzw. gottmenschlicher Kommunikation anzuwenden sind. Und dann wird deutlich, dass es um Wechselseitigkeit, um verbale wie nonverbale Kommunikation, um Begegnung und Beziehung geht. Glaubenskommunikation reicht weiter als das klassische katechetische oder erwachsenenbildnerische Setting. Sie ereignet sich im Wesentlichen vorgangig zu und unabhangig von den ublichen methodisch-didaktischen Zugangen.

Glauben und Glauben- Lernen im Horizont der anbrechenden Gottesherrschaft

Ein Masnehmen an der Begegnungspraxis Jesu ist stets hilfreich. Nicht nur dass an ihr gelernt werden kann, welche Rahmenbedingungen zu einer gelingenden Kommunikation fuhren: die Beobachtung des Anlasses, die Art und Weise des Begegnens, des Zuhorens und des Einander-gelten-Lassens – exemplarisch ablesbar an der Begegnung mit zwei Jungern auf dem Weg nach Emmaus (Lk 24,13–35), der Begegnung mit der Frau am Jakobsbrunnen (Joh 4) und vielerorts mehr. Weiterfuhrend ist vor allem die Erinnerung an den Mittelpunkt jeder Verkundigung in der Nachfolge Christi, jeder „Evangelisierung“. Mit dem Lernen des Glaubens ist ja im Tiefsten nicht die Mitteilung bestimmter Kenntnisse oder bestimmter Praktiken verbunden. Im Mittelpunkt steht letztlich das Sich-Einlassen auf Jesu Botschaft, die nichts anderes war als die Ankundigung der Gottesherrschaft (basileia tou theou) im Kontext seiner zeitgenossischen Eschatologie. Sie ist nach Uberzeugung der neutestamentlichen Exegeten zu verstehen als der Anbruch einer ganz und gar von Gott selbst ausgehenden neuen Zeitepoche, in der Gott selbst die Herrschaft ubernimmt und „Konig ist“. Mit der Tilgung der Schuldvergangenheit, der „Er-Losung“, mit dieser neuen Qualitat einer moglichen Gottesbeziehung ist es dem Glaubenden eroffnet, einer neuen, anderen, alternativen Ethik zu folgen: Wer gibt, gewinnt. Wer sich aufopfert, lebt. Wer sich als klein erlebt, ist dennoch gros. Es ist die Umkehrung der „Weisheit der Welt“ (1 Kor 1,18–31), die im Kreuzestod Jesu ihren Hohepunkt findet.
Glauben erscheint auf diesem Hintergrund als ein Sich-ergreifen- Lassen. Gottesherrschaft ereignet sich bereits jetzt. Und zwar immer dann, wenn Menschen selbst Teil dieses Geschehens werden. Etwa in einer personlichen Begegnung oder einer individuellen Schlusselerfahrung. Dann, wenn wie beim Horen eines Gleichnisses, sich die innere Plausibilitat der Erzahlung durch die verbluffende Konvergenz von Sachund Bildhalfte offenbart. Hier wird nicht etwas mitgeteilt. Hier wird Gottesherrschaft am eigenen Leib erfahren.
Glauben-Lernen hiese dann dieses Geheimnis zu entdecken, hiese eine neue Lebensweise kennenzulernen und als lebenswert zu entdecken. Dies zu erfassen entzieht sich weithin methodisch-didaktischer Instrumente. Das reformatorische „sola gratia“ erinnert daran und ermutigt zu einer neuen katechetischen Demut. Zugleich formatiert es gangige katechetische Paradigmen neu. Anhand der schon genannten Emmaus-Perikope sei das verdeutlicht: Mit der Verkundigung Beauftragte, ob hauptamtlich Seelsorgende oder ehrenamtliche Katechetinnen und Karecheten, identifizieren sich nicht selten mit dem „hinzukommenden Jesus“, der ein gutes Stuck Weg zunachst aufmerksam mitgeht, Anteil nimmt an den Sorgen der beiden Junger, bevor er die Schrift auslegt und schlieslich Mahl mit ihnen halt. Vor dem Geheimnis Gottes aber sind letztlich alle gleichermasen Fragende und Suchen de. Daher ware das Bild zu wenden. In jeder Situation glaubender Begegnung ist Jesus der „unsichtbare Dritte“. Katechetische Momente sind jene, in denen gemeinsam, aus der jeweiligen Perspektive und aus dem jeweiligen, unterschiedlichen Hintergrund Jesus befragt wird. Die Kommunikation ist eine Dreiecksbeziehung. Daher ist im Blick auf die Praxis der Katechese zu fragen: Welche Rolle spielt eigentlich Gott in unserer Kommunikation?

Glaubenskommunikation unter Erwachsenen in nachchristlicher Moderne

Glaubenskommunikation ereignet sich nicht im luftleeren Raum und von alleine – einzelne individuelle Gewissheitssituationen und Erleuchtungserfahrungen einmal ausgenommen. Sie braucht die Gemeinschaft der Glaubenden, die Voraussetzung wie erhoffte, wenn auch nicht zwangslaufige Frucht von Glaubenskommunikation ist. Hier ist zu beobachten, dass einerseits die Moglichkeiten schwinden, andererseits neue Momente und Gelegenheiten hervortreten. Die Kirchengemeinden tun sich weiterhin schwer, ein Ort lebendiger Glaubenskommunikation zu sein. Jenseits von Gottesdienst und Predigt werden nur wenige Formate genutzt, um sprachfahig zu werden. Glauben zu kommunizieren oder den Glauben zu reflektieren – darin ist man weitgehend ungeubt. Und auch Hauptamtliche tun sich oft schwer, auserhalb von durch die Rolle gestutzten Settings vom Glauben zu reden bzw. ihn durch ein personliches Zeugnis darzulegen. Uberhaupt: Immer da, wo Menschen offentlich von ihrem Glauben sprechen, macht sich – vor allem unter Katholiken (anders vielleicht in Bewegungen oder Freikirchen) – Unwohlsein breit.
Vieles im gemeindlichen Leben ist auch ohne christliches Glauben moglich. Daher ist es umso schwerer, Mitwirkende zu finden, die auskunftsfahig im Blick auf nicht Glaubende sind. Das eine geht aber nicht ohne das andere. Andererseits entsteht jenseits der Kirchengemeinden eine Fulle an Momenten, Angeboten und Einrichtungen, in denen weitaus situativer, individueller und daher biographiebezogener Glauben erlebt wird und ins Wort kommt: ob in Einrichtungen von Diakonie und Caritas, in Eltern- und Freundeskreisen, in den klassischen und den neuen Medien, in passageren Angeboten wie Kirchencafes, offenen Kirchen oder am Rande kultureller Veranstaltungen. Hier beginnen Suchprozesse, die weitaus weniger zielgerichtet verlaufen als klassische Formen von Katechese oder religioser Erwachsenenbildung. Andererseits wird sich christliches Glauben hier als lebenswert erweisen mussen und konnen. Dazu notwendig ist eine „Apostelschule“, eine „Schule des Bezeugens“. Viele tun langst Gutes in „gutem Glauben“. Ein erster Schritt ist die Bewusstmachung dessen. Ein zweiter, ebenso notwendiger ist das Erlernen einfacher Kommunikations- und Gesprachsregeln.

Glaube als Hypothese

Hier fallen sogleich Begriffe wie Wertschatzung, Respekt, Offenheit, einfuhlendes Verstehen ein, Grundregeln, wie sie in der personzentrierten Gesprachsfuhrung seit langem bekannt sind. Auf dem Hintergrund uralter und neuer Konzepte der Mystagogie sowie der oben angesprochenen Grundstruktur des Glaubens im Horizont der Gottesherrschaft kann dies als ein aufmerksames Mitgehen verstanden werden, das vom Bewusstsein getragen ist, dass (1) die eigene wie die fremde Biographie eine von Gott getragene ist, (2) dies nicht notwendigerweise jedem bewusst ist und (3) diese Gottesbeziehung sich nicht herstellen lassen kann. Der Katechet, der Begleiter ist hier Maeut, Geburtshelfer, der versuchen kann, das Von-Gott-getragen Sein als eine mogliche Lebensperspektive anzubieten. In einer Welt, in der jeder Einzelne sich bewahren muss, „als ob es Gott nicht gabe“ (etsi deus non daretur – Dietrich Bonhoeffer etwa im Anschluss an Hugo Grotius), kann zugleich gepruft werden, was sich mit der Perspektive der Gottesbeziehung an Leben bzw. Lebensqualitat verandern wurde.

Abduktive Korrelation als Didaktik einer Glaubenskommunikation heute?

Glauben erscheint in diesem Kontext als eine Moglichkeit, die es einmal hypothetisch auszuprobieren galte. Methodisch-didaktisch kann dies mit dem Konzept der „Abduktion“ bzw. „abduktiven Korrelation“ (Hans-Georg Ziebertz u. a.) skizziert werden. In Situationen, in denen weniger erklart und bewiesen als vielmehr nur probiert und letztlich geglaubt werden kann, erlaubt dieses Konzept Lernprozesse mithilfe von Hypothesen anzustosen. Auch im seelsorglichen bzw. katechetischen Gesprach ist immer weniger damit zu rechnen, dass eigene (Glaubens-) Gewissheiten an die Biographie des Gesprachspartners, der Gesprachspartnerin anschlussfahig sind. Eigene Deutungsmuster bleiben daher die eigenen. Sie konnen allenfalls als eine mogliche Hypothese dem anderen angeboten werden, um die eigene Biographie anders sehen zu konnen. Ein solches Vorgehen nimmt die Lebensdeutungskompetenz beider Gesprachspartner ernst, die nicht erst geweckt wird, sobald kirchlich organisierte Katechese aufschlagt. Sie nimmt vielmehr wahr, dass in vielen Lebensentwurfen Rudimente christlichen Glaubens langst eingesickert sind, die gemeinsam freizulegen, zu lautern, zu prufen und zu erganzen sich lohnt. (Gerade dazu ist der theologisch gebildete Gesprachspartner unverzichtbar.) Abduktion rechnet damit, dass nicht jede Hypothese sofort anschlussfahig ist, sondern dass das wechselseitige Verstehen schlieslich zu einer eigenen Antwort des Gesprachspartners fuhrt. Nicht anders kann Glauben gehen. 

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