Wie gestalte ich einen Konzeptionstag?Fragen von Leitungseinsteiger*innen (6)

Abgedunkelter Raum, verbrauchte Luft, vorn läuft eine überladene PowerPoint- Präsentation. Der Kaffee ist leer, doch Zweidrittel des Tages sind noch zu bewältigen. Schläfrige Teilnehmer*innen starren auf eine gestaltete Kreismitte aus Chiffontüchern und Bildkarten. Überspitzt? Ja, aber nicht realitätsfern. Wie Sie als Leitungsneuling Abwechslung in den Konzeptionstag bringen.

Zweifellos ist der Konzeptions- oder Fachtag fester Bestandteil jedes Kindergartenjahres. Er dient als Standortbestimmung und Prüfstein für die pädagogische Arbeit. Die bisherige Richtung wird hinterfragt, Ziele werden neu festgelegt, Absprachen getroffen und/oder Lösungen erarbeitet. Begangen wird dieser Tag in zig Varianten und folgt doch immer gleichen Mustern.

Moderationszyklus

Unterstützung bei der Strukturierung eines Konzeptionstags bietet der Moderationszyklus nach Josef W. Seifert. Er hilft, Arbeitseinheiten gut aufeinander abzustimmen, und garantiert den roten Faden. In jeder Phase des Moderationszyklus sollte mindestens eine Methode oder Aktivierungsübung zur Anwendung kommen. Die Phasen unterteilen sich wie folgt:
Einstieg – Themensammlung – Themenauswahl – Bearbeitung der Themen – Maßnahmenplanung – Abschluss

In Vorbereitung auf den Konzeptionstag empfiehlt es sich, nach dem Motto „weniger ist mehr“ zu verfahren und den Tag nicht zu überfrachten. Konzentrierte Arbeitsphasen sind ebenso nötig wie feste Pausen für informellen Austausch und Arbeitseinheiten im Plenum. Die Teilnehmer*innen sollten immer wieder eine Plattform bekommen, um ihre Themen einbringen und diskutieren zu können. Denn der Konzeptionstag darf von Denkwerkstatt über Ideenlabor bis hin zum Geburtsort neuer Visionen alles sein, nur keine Aneinanderreihung monotoner Fachvorträge. Dieser Tag gehört eindeutig den Teammitgliedern: Aus ihnen sollen Beteiligte, Akteur*innen, Querdenker*innen werden, anstatt Zaungäste zu bleiben. Eine solche Herangehensweise wird das Arbeitsklima nachhaltig positiv beeinflussen. Und an dieser partizipativen Grundhaltung wird die verantwortungsvolle Rolle der Leitung besonders deutlich.

Leitungsrolle

Im Rahmen teaminterner Konzeptionstage fungiert i. d. R. die Leitung als Moderator*in. Sie trägt Sorge für ein zielführendes Tagesprogramm, begleitet den Ergebnisprozess und führt in die Methoden ein. Sie gibt Impulse, steht für Rückfragen zur Verfügung und wech selt bei Unstimmigkeiten auch mal zur Mediation. Sie benötigt keine tiefgreifenden Kenntnisse zum Thema, denn die Inhalte werden gemeinsam erarbeitet und interpretiert. Was sie dagegen braucht, ist ein fundiertes Wissen über den Einsatz der Methoden sowie über die Phasen im Moderationszyklus. Moderation unterscheidet sich deutlich von einfacher Gesprächsleitung. Deshalb kann es angesichts der komplexen Anforderungen an diese Rolle durchaus Sinn machen, externe Referent*innen zu beauftragen.

Aus Sicht der Leitung sind ein funktionierender Arbeitsprozess sowie hochmotivierte Teilnehmer* innen für den Konzeptionstag wünschenswert. Die Realität zeigt jedoch, dass sich gerade zu Beginn des Tages die Motivation der Teilnehmer* innen z. T. auf sehr unterschiedlichem Niveau bewegt. Deren Individualität lässt eine spürbare Dynamik entstehen: So sind die euphorischen sofort auf Betriebstemperatur und die kritischen harren skeptisch der Dinge, die da kommen. Wo den Performer*innen die Puste ausgeht, überraschen Kritiker*innen mit nützlichen Impulsen. Und wo Skeptiker*innen mit der Fallhöhe hadern, reichen ihnen die Optimist* innen das Seil. Um eine Brücke zu bauen, braucht es auf beiden Seiten des Flusses Arbeiter* innen. Wichtig: Alle Teilnehmer*innen sollten unabhängig von ihren Fähigkeiten einbezogen und wahrgenommen werden. Verhaltenem Optimismus oder unverhohlener Skepsis sollte die Leitung mit Transparenz, Methodenvielfalt und Optimismus begegnen. Bei aller Harmonie sollte sie dennoch Räume für kontroverse Diskussionen öffnen. Dem Aushandeln gegensätzlicher Positionen, dem Ringen um Argumente, dem konstruktiven Streit um Ideale und der ungeschminkten Debatte wohnt die Chance eines starken Konsenses inne. Diesen Schatz behutsam zu heben, ist Aufgabe der Leitung. Sie muss besonders darauf achten, dass Meinungen und nicht die Menschen bewertet werden. Genauso sollte sie Schnittmengen offenlegen, durch gezielte Fragen Diskussionen provozieren und darauf hinwirken, dass Lösungsansätze nicht zu kurz greifen. Sie sollte Themen anbieten, an denen sich die Teilnehmer*innen auch reiben, Zukunftsentwürfe ermöglichen, simples Schwarz-Weiß-Denken aber nicht zulassen.

Die gute Nachricht: Leitung muss weder perfekt sein noch auf jede Frage eine Antwort haben. Was sie braucht, sind klare Ziele für die pädagogische Arbeit, ein bedingungslos positives Bild vom Kind und eine Vorstellung von gelingender Zusammenarbeit mit Eltern. Ebenso wenig muss sie jede Reaktion der Teilnehmer* innen oder inhaltliche Wendung voraussehen können. Stattdessen sollte sie „Planung auf Vorrat“ haben, also weitere Ideen in der Hinterhand, ein thematisches Ass im Ärmel, falls eine Methode situativ nicht mehr passt. Wiederum sollten die Teilnehmer*innen auch nicht mit Methoden überhäuft werden. Keine Methode unterliegt dem Durchführungszwang. Methoden sind Erfüllungsgehilfen, um neue Akzente zu setzen und positive Veränderungen auf den Weg zu bringen. Methode darf deshalb nicht über Inhalt stehen, sondern soll diesen stützen. Grundsätzlich gilt: Je kreativer und einfacher die Methode in der Umsetzung, desto höher der Mehrwert für die Teilnehmer*innen.

Fazit

Ein Konzeptionstag muss kein mühsames Pflichtprogramm sein. Im Gegenteil: Durch klare Struktur, gelungene Methodenvielfalt sowie eine ansprechende Gestaltung wird dieser Tag den Teilnehmer*innen noch lange in Erinnerung bleiben und positive Auswirkungen auf die eigene Arbeit zeitigen. Mit randvollem Methodenkoffer sowie den Grundzutaten Gelassenheit und Zuversicht bleibt ein kurzweiliger Konzeptionstag keine Utopie.

Methodenauswahl

Wunschbaum: Im Vorfeld des Konzeptionstags werden die Kinder und Eltern partizipativ am Themenfindungsprozess beteiligt. An einem kahlen Baum (gezeichnet oder gebastelt) können sie Blätter mit ihren Wünschen befestigen. Um den Einstieg zu erleichtern und/oder Themen einzugrenzen, kann der Baum mit einer konkreten Frage überschrieben sein.

Erwartungen & Themenspeicher: Zu Beginn des Konzeptionstags werden den Teilnehmer* innen Moderationskarten mit der Bitte ausgehändigt, ihre Themen und Erwartungen aufzuschreiben. Reihum lesen die Teilnehmer*innen im Plenum ihre Karte vor. Die Leitung nimmt die Karte entgegen und heftet sie an eine nach Themen sortierte Moderationstafel. Im Laufe des Tages versammelt sich die Gruppe immer wieder an dieser Wand und prüft, welche Themen noch offen sind. Diese Methode sorgt dafür, dass keine wichtigen Themen verlorengehen und die Erwartungen der Teil nehmer*innen berücksichtigt werden. Fragen oder Themen, die sich während des Tages ergeben, können hier „gespeichert“ werden – auch für spätere Teambesprechungen.

Zeitreise: Alle Teilnehmer*innen stellen sich eine Veränderung oder ein Vorhaben, das in der Zukunft liegt, als erfolgreich abgeschlossen vor. Die Szenerie setzt z. B. am Ende des Umbaus der Küche an. Während die Teilnehmer* innen berichten, was zu sehen ist, hält die Leitung dies auf dem Flipchart fest. Die Leitung kann bei einzelnen Teilnehmer*innen nachfragen, wie sie sich fühlen mit dem, was sie sehen. Im nächsten Schritt wird aus den Idealvorstellungen der Teilnehmer*innen ein Maßnahmenplan zur erfolgversprechenden Zielerreichung abgeleitet. Dazu hilft eine Tabelle mit den Spalten Wer? Was? Wann? Womit? Erst die Terminierung einer Aufgabe schafft Verbindlichkeit.

Kopfstand-Methode/Kopfstand-Brainstorming: Hier wird die Fragestellung absichtlich ins Gegenteil gekehrt. Beispiel: Was können wir tun, damit die Kinder nicht mehr gern in die Kita kommen? Die Teilnehmer*innen sammeln Vorschläge, die von der Leitung auf Zuruf auf dem Flipchart festgehalten werden. Mit Hilfe des Perspektivwechsels können augenzwinkernde Vorschläge aufgeworfen werden, aus denen sich später tatsächliche Lösungen ableiten lassen.

6 Hüte: Die Methode geht auf Edward de Bono zurück und unterscheidet nach sechs Rollen. Jeder Hut verkörpert eine bestimmte Haltung/ Funktion und Denkweise:

  • Blauer Hut: ordentlich, strukturiert – hat den Durchblick. Funktion: moderieren
  • Roter Hut: subjektiv, emotional – widerspricht sich manchmal. Funktion: emotional argumentieren
  • Gelber Hut: positiv, objektiv – sieht Chancen. Funktion: hoffnungsvoll argumentieren
  • Grüner Hut: kreativ, innovativ – Ideengeber. Funktion: der Fantasie freien Lauf lassen
  • Weißer Hut: sachlich, neutral – denkt analytisch. Funktion: Zahlen, Daten, Fakten beisteuern
  • Schwarzer Hut: kritisch, contra – Bedenkenträger* in. Funktion: pessimistisch argumentieren

Mit farbigen Karten o. Ä. werden die Rollen aufgeteilt. Die übrigen Teilnehmer*innen sitzen still beobachtend um die sechs Akteur*innen. Zusätzlich können Beobachter*innen die Aufgabe erhalten, die Aussagen jeweils einer Farbe zu dokumentieren.

Standbild: Die Teilnehmer*innen finden sich in Gruppen von 3–4 Personen zusammen und überlegen sich passend zum Thema oder einer Fragestellung ein Standbild. Auf ein Signal der Moderation hin nimmt die Gruppe ihre Position ein und die anderen Teilnehmer*innen raten, was dargestellt wird. Errät es niemand, gibt die Gruppe selber die Lösung bekannt.

Skalierungsfragen: Mit diesem Instrument lassen sich Stimmungen der Teilnehmer*innen kollektiv abfragen. Entlang einer erdachten oder tatsächlichen Linie (z. B. aus Klebeband) werden in weitem Abstand die Zahlen 1 und 10 als Karte an die Enden der Linie gelegt. Die Zahl 1 bedeutet „sehr wenig, sehr unwahrscheinlich, sehr unsicher, sehr ungerne“, die Zahl 10 „sehr viel, sehr wahrscheinlich, sehr sicher, sehr gerne“. Die Leitung stellt nacheinander Fragen, zu denen sich die Teilnehmer*innen entlang der Linie positionieren. Dieses Vorgehen vermittelt der Leitung und den Teilnehmer*innen ein authentisches Stimmungsbild vom Team. Leitung oder Referent*in müssen darauf achten, die richtigen Fragen zu stellen bzw. die beiden Enden der Skala deutlich zu benennen. Beispiel: Wie viel Sorge bereitet dir die Einführung des neuen QM-Systems? Die Fragen sollten sich immer auf konkretes Empfinden beziehen. Mit Einverständnis der Teilnehmer*innen darf Leitung oder Moderation nachfragen, wieso man sich z. B. auf die 8 und nicht auf die 10 gestellt hat. Oberstes Gebot sind Sensibilität und Akzeptanz.

Informelle Pausen: Ein stetiger Vorrat an frischem Kaffee und süßen Leckereien führen unweigerlich zum informellen und zwanglosen Austausch unter den Teilnehmer*innen.

Streichholz: Diese Methode schützt vor endlosen Reflexionsrunden am Ende des Tages. Die Teilnehmer*innen lassen eine Streichholzschachtel zirkulieren. Nacheinander entzündet jede*r ein Streichholz und gibt für die Dauer des Abbrennens Feedback zum Konzeptionstag.

Die Autofahrt: 4–5 Teilnehmer*innen werden gebeten, im „Auto“ in der Mitte des Plenums Platz zu nehmen. Auf der fiktiven Heimfahrt tauschen sie sich über die Inhalte des Tages aus: Was hat gefallen, was nicht? Was bleibt in Erinnerung? Nach ca. 5 Minuten ist die nächste Fahrgemeinschaft dran – so lange, bis alle einmal mitgefahren sind. Diese Methode hilft, ein unverfälschtes Stimmungsbild einzufangen sowie einen gelösten Dialog anzustoßen.

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