„Warum ist mein Sohn immer mit Aufräumen beschäftigt, wenn ich ihn am Abend abhole?“Eltern fragen – Kita-Leitung antwortet:

Hinter der Frage der Eltern versteckt sich das Anliegen, die Schlussphase anders, nämlich „attraktiver“ zu gestalten. Schließlich wollen sie ihr Kind bis zur letzten Minute optimal betreut wissen. Aber welche Bedeutung hat das Aufräumen im pädagogischen Alltag? Erläutern Sie den Eltern diese besondere Situation am Ende des Kita-Tages unter pädagogischen Gesichtspunkten.

Zuerst sollten Sie klären, ob in dieser Frage noch weitere Bedenken mitklingen. Machen sich die Eltern vielleicht Sorgen, ihr Kind könnte darunter leiden, dass es als letztes abgeholt wird? Haben sie ein schlechtes Gewissen, weil sie es aufgrund ihrer Arbeitszeiten nicht schaffen, ihr Kind früher abzuholen? Welche Gefühle aus Elternperspektive kommen im Gespräch noch zum Vorschein? Wenn Sie diese Fragen in einem angemessenen Rahmen feinfühlig angesprochen haben, können Sie gemeinsam auf die Ebene des Kindes schauen und auf die pädagogischen Gründe, die für das gemeinsame Aufräumen sprechen, eingehen. Vielleicht finden Sie aber auch alternative Lösungen.

Gemeinsames Aufräumen ist begründbar.

Zunächst einmal ist der Kita-Alltag geprägt durch einen festen Ablauf. Dazu gehört beispielsweise das Aufräumen zu verschiedenen Zeitpunkten. So auch am Nachmittag, kurz bevor die Kita schließt. Die Kinder kennen somit das alltägliche Aufräumen aus dem Tagesablauf. Sie helfen gern mit, wenn man sie ganz selbstverständlich einbezieht. Die kleineren lernen hier von den größeren Kindern, was diesen eine Vorbildfunktion verleiht, die sie genießen.

Das Aufräumen vermittelt den Kindern ein Gefühl von Ordnung und Struktur. Sie erlernen darüber hinaus den sorgsamen Umgang mit Gegenständen. Ebenso wichtig: Aufräumen stellt ein Ritual dar, es verhilft Kindern zur Orientierung im Kita-Alltag. Aufräumen kann auch ein Zeichen dafür sein, dass eine Veränderung der Situation bevorsteht, eine sogenannte Mikrotransition: ein kleiner Übergang, etwa vom Freispiel in den Singkreis. Davor wird gemeinsam aufgeräumt. Dies wird beispielsweise mit einem Lied angekündigt. Für das Kind der fragenden Eltern bedeutet dies, dass es weiß: Jetzt räumen wir auf und danach werde ich abgeholt. Das kann Vorfreude wecken. Die Motivation, beim Aufräumen zu helfen, steigt - und auch die Stimmung.

Die Haltung der Eltern ergründen.

Vor diesem Hintergrund ist das Aufräumen nicht als unangemessene Beschäftigung zu sehen. Hier kommen eventuell auch Sichtweisen und Haltungen der Eltern zum Tragen, die das Aufräumen u.U. als Strafe betrachten oder aber in ihrer eigenen Kindheit als solche empfunden haben. Auch wäre es möglich, dass das Kind zu Hause auf eine Aufforderung zum Aufräumen eher ablehnend reagiert. Möchten die Eltern ihrem Kind die ungeliebte Tätigkeit am Ende eines langen Tages vielleicht lieber ersparen? Denkbar wäre aber auch, dass Eltern - sollten sie feststellen, dass das Aufräumen in der Kita im Gegensatz zum heimischen Kinderzimmer kein Problem darstellt - einem so anderen Verhalten ihres Kindes mit Misstrauen begegnen, weil sie sich dies nicht erklären können. Hier besteht die Möglichkeit, sich über das Prozedere des Aufräumens zu Hause und in der Kita gegenseitig auszutauschen. Was ist aus der Kita heraus übertragbar? Das Aufräumen als Ritual zum Beispiel ließe sich auch zu Hause gut gestalten.

Fragen Sie die Eltern, ob sie das Gefühl haben, dass es dem Kind mit der Situation am Abend in der Kita schlecht geht. Versuchen Sie zu ergründen, woran die Eltern das festmachen. Wichtig ist auch zu klären, ob sie ihrem Kind evtl. unbewusst das Gefühl vermitteln, bemitleidenswert zu sein („Du Armer bist immer der Letzte hier und musst immer beim Aufräumen helfen“). Spürt das Kind ein schlechtes Gewissen der Eltern oder die „Abgehetztheit“ in der Abholsituation? Entsprechende Verhaltensweisen und Aussagen prägen das Empfinden des Kindes wesentlich mit.

Die Ebene des Kindes betrachten.

Schildern Sie den Eltern Ihre eigene Wahrnehmung der Schlussphase eines Kita-Tages. Heben Sie das Positive an der Situation hervor: Das Kind hat - im Gegensatz zu anderen Kindern - für eine gewisse Zeit eine Erzieherin ganz für sich allein. Das kann etwas Besonderes sein, denn dadurch entstehen andere Möglichkeiten des Kontakts, der Begegnung und der Beziehungsgestaltung. Je nachdem, wie lange das Kind allein ist (in der Regel wird das am Nachmittag nicht länger als eine Viertel- bis halbe Stunde sein), sind in dieser Zeit verschiedene Interaktionen möglich, die je nach Erzieherin und je nach Tag gestaltet werden. Wenn Sie sich hierzu mit Ihrem Team bereits Gedanken gemacht haben, können Sie diese den Eltern an dieser Stelle transparent machen.

Ist das Kind schon älter, kann die Erzieherin im Sinne der Partizipation auch direkt nachfragen, ob es beim Aufräumen helfen möchte oder nicht. Außerdem bedankt sich die Erzieherin nach dem Aufräumen stets für die Hilfe und verbalisiert, dass dadurch die Kita für den nächsten Tag vorbereitet wurde und sich nun alle Kinder wieder wohlfühlen können.

Alternativen finden.

Fragen Sie die Eltern, wie sie sich die Abholphase wünschen würden. Sie könnten vorschlagen, dass das Aufräumen vorgezogen und im Anschluss Zeit eingeplant wird, in der die Erzieherin gemeinsam mit dem Kind noch etwas anderes unternimmt. Sie könnten zum Beispiel gemeinsam ein Buch anschauen, ein Lied singen oder eine Kleinigkeit essen. Aber auch alltägliche Verrichtungen wie Wäsche in die Maschine stecken, Stühle hochstellen oder den Boden fegen kommen infrage. Die meisten Kinder helfen gern bei typischen „Erwachsenentätigkeiten“. So erleben sie sich als selbstwirksam und „groß“. Bleiben Sie im Austausch mit den Eltern und beobachten Sie, wie das Kind mit der Abholsituation umgeht. Vielleicht nehmen Sie die Frage der Eltern auch zum Anlass, um sich gemeinsam mit Ihrem Team noch einmal den Themen Aufräumen, Tagesablauf, Gestaltung von Übergängen und der Bring- und Abholsituation zu widmen.

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