Der Bericht "Bildung in Deutschland 2010Für Sie zusammengefasst von

Seitdem 2006 die Kultusministerkonferenz (KMK) ein Bildungsmonitoring beschloss, zu dem auch eine regelmäßige Bildungsberichterstattung gehört, erscheint alle zwei Jahre der Bildungsbericht für Deutschland. Dieser nimmt eine umfassende Bestandsaufnahme des deutschen Bildungswesens vor. Erstellt wird der Bericht von einer Autorengruppe unter Leitung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF). (Die Autoren im einzelnen unter www.bildungsbericht.de)

Welche Relevanz hat der Bericht überhaupt, wen spricht er an?

Dem Bericht kommt besondere Bedeutung zu, weil er von Bund und Ländern beauftragt ist und das gesamte Bildungssystem analysiert. In konzentrierter Form fasst er die Situation des deutschen Bildungswesens, seine Leistungsfähigkeit und die Problemlagen zusammen. Adressaten des Berichts sind Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Ausbildung und Fachpraxis. Als Leitung einer Kita sollten Sie den Bericht wegen seiner zentralen Stellung innerhalb der deutschen Bildungsberichterstattung kennen. Er ermöglicht Ihnen einen Überblick zu Themen, Problemstellungen und Herausforderungen im Bildungswesen und beinhaltet auch einen Abschnitt über die Situation in Kitas und deren Perspektiven. Für Sie als Kita-Leitung eignen sich seine Aussagen optimal zur Reflexion des Auftrags und Angebots Ihrer Einrichtung.

Was sind aus Kita-Sicht die Kernaussagen des Berichts?

Übergreifend geht der Bericht auf den demografischen Wandel und seine Auswirkungen ein. Vor dem Hintergrund zurückgehender Kinderzahlen belegt er z. T. große Unterschiede zwischen Kitas in West- und Ostdeutschland bzw. innerhalb der Bundesländer. Die Öffnung von Kindergartengruppen für zweijährige Kinder - in Westdeutschland vielerorts praktiziert - wird zu Recht kritisch hinterfragt. Es fehlen die Gleichaltrigen und der Personalschlüssel ist schlechter als in Gruppen mit ausschließlich unter Dreijährigen. Der Bericht unterstreicht, dass Kitas die in sie gesetzten Erwartungen nur erfüllen können, wenn genügend und entsprechend qualifiziertes Personal - auch von den Hochschulen - zur Verfügung steht. Eine ganz wichtige Rolle spielt der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg: Noch immer sind Kinder aus „bildungsfernen" Familien - oft mit Migrationshintergrund - im Bildungswesen benachteiligt. Ein Risiko für Kinder besteht besonders dann, wenn die Eltern arbeitslos sind, geringes Einkommen haben oder über unzureichende Ausbildung verfügen. Bereits in der Wahrnehmung und Nutzung der Kita-Angebote zeigen sich soziale Ungleichheiten. Kinder mit Migrationshintergrund besuchen im Vergleich zu Kindern ohne Migrationshintergrund seltener eine Kita. Bei der Sprachförderung wird immer noch mehr getestet als erfolgreich gefördert. Folgende Schwerpunkte bzw. Perspektiven für Kitas benennt der Bericht gegen Ende des Kapitels „Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung":

  • Ausbau von Plätzen für unter dreijährige Kinder
  • Ausstattung der Kitas mit genügend Personal - vor allem, aber nicht nur bei unter Dreijährigen, in altersgemischten Gruppen sowie Gruppen mit Kindern aus benachteiligten Milieus
  • Qualifizierung und Weiterbildung pädagogischer Fachkräfte
  • Förderung (mit Schwerpunkt Sprache) von Kindern aus bildungsfernen Schichten bzw. mit Migrationshintergrund.

Welche Schlussfolgerungen können Sie als Kita-Leitung ziehen?

Zwar stellen der Bericht und das gesamte Bildungsmonitoring die Schule in den Mittelpunkt, doch werden in diesem Zusammenhang deutlich die Erwartungen an Kitas als erste Stufe des Bildungssystems formuliert, damit Kinder bessere Schulleistungen erzielen können. Aus meiner Sicht ist es erfreulich, dass - wie im DJI-Bulletin 2/2010 - auch im Bildungsbericht 2010 die „soziale Seite der Bildung" herausgestellt wird. Denn die Abschwächung sozialer Ungleichheiten und soziale Bildungsgerechtigkeit gehören zu den ureigensten Aufgaben von Kita-Arbeit und verweisen auf den (auch von der OECD geschätzten) ganzheitlichen sozialpädagogischen Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsauftrag. Der Bericht hebt nicht wie manch andere Dokumente auf gezielte Schulvorbereitung und somit Förderung isolierter Kompetenzen ab, sondern sieht in Kitas einen Ort, an dem Kinder unabhängig ihrer Herkunft Potenziale entwickeln, die ihnen in der weiteren Bildungslaufbahn von Nutzen sein können. Zugespitzt formuliert: Kita-Arbeit ist mehr als eine rein kindzentrierte Bildungsarbeit mit einem Entwicklungsgespräch im Jahr. Dieses Selbstverständnis eignet sich für Sie optimal als Reflexionsgrundlage dafür, wie sich die „soziale Seite" Ihrer Kita gestalten lässt. Weiterhin im Mittelpunkt stehen Sprachförderung und Gestaltung des Schulübergangs. Themen sind oder wären aber auch: Wie steht es mit den Öffnungszeiten? Familien benötigen immer mehr Ganztagsangebote. Bildung und Betreuung spielen hier zusammen: Auch Kinder, die abends in sogenannten Randzeiten betreut werden, bilden sich. Welche neuen Formen der Zusammenarbeit mit Eltern sind machbar? Stärken Sie die Eltern! Welche niederschwelligen Angebote für Eltern mit (und ohne) Migrationshintergrund machen Sinn? Deutschkurse z. B. oder Gesprächsrunden mit muttersprachlichen Referenten? Wie können zusätzliche Zahlungen (z. B. Teegeld, Eintritte), also indirekte Gebühren, vermindert werden? Letztlich regelt Geld auch immer den Zugang zu Bildungsangeboten. Haben Sie mit Ihrem Team schon mal erarbeitet, inwieweit sich Angebote aus dem Sozialraum in Ihre Kita integrieren lassen oder wie Sie sich mit Partnern, z. B. sozialen Diensten, vernetzen können? Jede Kita sollte auf ganz individuelle Weise eine Art kleines Familienzentrum sein.

Welche Fragen bleiben offen?

Ein bisschen geht es diesem Bericht wie dem Thema Sprachförderung: Man hat eine Fülle von Daten und Fakten - aber offen bleibt, ob und was damit passiert. Die Forderungen nach mehr Ressourcen und dadurch mehr Qualität in Kitas sind genau umrissen. Doch wer soll das alles angesichts föderaler Strukturen und finanzschwacher Kommunen bezahlen? Leider ist zu vermuten, dass es bei Forderungen und Absichtserklärungen bleiben wird und die Diskrepanz zwischen anspruchsvollen Erwartungen an Kitas einerseits und Ressourcenknappheit im Kita-Alltag andererseits weiterbesteht. Bleibt dennoch zu hoffen, dass der Bildungsbericht bei Entscheidungsträgern in Politik, Verwaltung und bei Trägern ankommt und sie ermutigt, verstärkt in frühkindliche Bildung zu investieren. Grundlagen dafür liefert der Bericht hinreichend.

Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hg.) (2010): Bildung in Deutschland 2010. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Perspektiven des Bildungswesens im demografischen Wandel. Im Auftrag der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Bielefeld: Bertelsmann. Download: www.bildungsbericht.de
Deutsches Jugendinstitut (Hg.) (2010): DJI-Bulletin Nr. 90: Die soziale Seite der Bildung. München

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