Die Bedeutung von BNE in Bildungseinrichtungen - ein InterviewErkunden, was ein nachhaltiges Leben ausmacht

Wenn Kita-Kinder erwachsen sind, werden sie die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels zu spüren bekommen. Nachhaltigkeit wird so zu einem zentralen Bildungsthema. Doch wie ist der Stand in den Kitas?

Erkunden, was ein nachhaltiges Leben ausmacht
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Herr Holst, warum ist das Thema Nachhaltigkeit in den frühen Lebensjahren wichtig?
Gerade in den ersten Jahren des Lebens werden wichtige Bausteine dafür gelegt, wie Menschen die Welt verstehen und sich in ihr verorten. Bildung für nachhaltige Entwicklung im frühkindlichen Bereich ist eng verwoben mit vielen Grundverständnissen und Prinzipien, die Kitas schon heute prägen: Kindzentriertheit, Werteorientierung, gemeinsames Erkunden und Erfahren der Mitwelt, Naturerfahrung. BNE ist also sehr anschlussfähig an das, was in der frühkindlichen Bildung seit vielen Jahren etabliert ist. In Kitas können Kinder ganz praktisch vor Ort lernen, dass sie eine nachhaltige und gerechte Zukunft mitgestalten − dass sie einen Unterschied machen. Diesen Prozess als Fachkraft bewusst und aktiv zu begleiten ist entscheidend, gerade weil die frühkindliche Bildung einen wichtigen Grundstein für die Entwicklung junger Menschen legt.

Sie untersuchen die Bedeutung von BNE in Bildungseinrichtungen. Welche Rolle kommt dabei den Kitas zu?
Neben Analysen von Bildungsplänen, Gesetzen, Beschlüssen und anderen Dokumenten der frühkindlichen Bildung haben wir unter anderem Interviews und Gruppendiskussionen mit Expert*innen aus Praxis, Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zur frühen Bildung geführt. Dabei wird immer wieder betont, wie wichtig die ganzheitliche Ausrichtung der Kita zu Nachhaltigkeit auch für die Lernprozesse ist. Damit ist gemeint, dass Kitas selbst leben, was sie vermitteln möchten. Das bedeutet unter anderem, Mitgestaltung durch Kinder bewusst zu stärken und gemeinsam zu lernen, wie die ganze Kita nachhaltiger werden kann – zum Beispiel in Bezug auf Essen, Energie, das Gelände oder die Einbindung in das regionale Umfeld. Ich sage bewusst „lernen“, weil Nachhaltigkeit immer auch ein Prozess des Miteinanderlernens und Erprobens ist, der gemeinsam von Fachkräften, Leitungskräften, Trägern, Kindern, Eltern und Partner*innen im Umfeld gestaltet wird.

Welche Aufgabe haben dabei die pädagogischen Fachkräfte?
Gelebte BNE bedeutet, dass Kinder dazu befähigt werden, selbst zu Gestalterinnen und Gestaltern einer nachhaltigen Zukunft zu werden. Nachhaltigkeit wird dabei zu einer zentralen Grundlage der gesamten pädagogischen Arbeit. Letztlich hat BNE also einen Einfluss auf den kompletten Alltag von pädagogischen Fachkräften. Neben der aktiven und befähigenden Auseinandersetzung mit Zukunftsthemen wie Energie, Abfall, Konsum und Gerechtigkeit bedeutet BNE für Fachkräfte auch, die Grundsätze und Praktiken in der Einrichtung zu reflektieren, zum Beispiel Verpflegung, Bewirtschaftung und Neuanschaffungen. Pädagogische Fachkräfte handeln immer in einer Vorbildfunktion, weshalb auch das ganz praktische Alltagshandeln im Mittelpunkt steht.

Wie können Fachkräfte bei der Umsetzung unterstützt werden?
Nachhaltigkeit im Bildungsalltag einer Kita beinhaltet eine aktive Auseinandersetzung mit Fragen von Zukunft und Gerechtigkeit. Solche Fragen sind komplex und nicht immer leicht altersangemessen einzubinden. In Fortbildungen (siehe Download S. 30) können pädagogische Fachkräfte lernen, welche methodischen Ansätze es gibt, diese wichtigen Themen in der Kita zu leben. Hier wird viel Praxiswissen über die Ausgestaltung von Nachhaltigkeit im Alltag der Kita vermittelt. Neben Weiterbildungen zu Inhalten und Methoden wie dem Experimentieren, Forschen, Philosophieren und Gestalten mit Kindern müssen aber auch Strukturen dafür geschaffen werden. Das bedeutet also, dass es gerade vonseiten der Politik und der Träger zusätzliches Engagement braucht. Als Grundlage des praktischen Handelns empfiehlt es sich, BNE und Nachhaltigkeit zu einem zentralen Schwerpunkt in der Ausbildung zu machen.

Was kann hier ein erster Schritt Richtung mehr Nachhaltigkeit sein?
Ein wichtiger erster Schritt besteht darin, Nachhaltigkeit und BNE zur Priorität in den Bildungseinrichtungen und bei den Trägern zu machen. Priorität bedeutet allerdings nicht nur eine Überarbeitung des Leitbildes, sondern dass Nachhaltigkeit zu einem Topthema in der Kita wird. Beispielsweise können Leitungen und Fachkräfte gemeinsam mit Kindern, Eltern, Partner*innen und Trägern eigene Aktionspläne zur nachhaltigen Kita entwickeln. Letztlich ist es wichtig, die spezifischen Anforderungen und Hintergründe jeder einzelnen Einrichtung zu betrachten und einzubeziehen. Dabei muss gerade die Rolle und Verantwortung der Träger und der Politik hervorgehoben werden, zum Beispiel bei der Bereitstellung von Ressourcen und Konzepten.

Was bedeutet das fürs Team?
Zunächst einmal bedeutet die Umsetzung von BNE in Kitas, sich gemeinsam mit allen Beteiligten auf einen Lernprozess zu begeben. Hilfreich ist dabei sicherlich, professionelle Fortbildungsangebote zu nutzen. Dafür sollte der entsprechende Freiraum für Fachkräfte geschaffen werden. Das kann unter anderem auch dadurch geschehen, dass Fortbildungen direkt vor Ort in der Kita als Inhouse-Angebot für das ganze Team durchgeführt werden. Es bedeutet aber auch, gemeinsam die bestehenden Abläufe in der Kita zu betrachten und daraus Ziele für eine nachhaltige Kita zu entwickeln.

Und was heißt das für die Kinder?
Bei all den genannten Aspekten ist entscheidend, die Kinder selbst und ihre Visionen, Ideen und Gestaltungsfähigkeit in den Mittelpunkt zu stellen. Bildungseinrichtungen und Fachkräfte, die BNE leben, machen sich gemeinsam mit Kindern, Eltern und Umfeld auf den Weg in eine nachhaltigere Zukunft. Das heißt unter anderem, Kinder in Entscheidungen einzubeziehen, mit ihnen gemeinsam und altersgerecht nach Lösungen für eine nachhaltigere Kita zu suchen und miteinander zu erkunden, was ein gerechtes und nachhaltiges Leben ausmacht. So kann die ganze Kita und ihr Umfeld selbst zu einem Lern- und Erfahrungsraum für Nachhaltigkeit werden. Kleine praktische Beispiele sind die Verwendung von biologischer, regionaler und fairer Verpflegung, Spielzeug aus zweiter Hand, konkrete Bildungsangebote zu Themen wie Müll und Energie, aber auch die aktive Einbindung der Eltern und das gemeinsame Weiterentwickeln des Leitbildes der Einrichtung. Kitas werden in dem Prozess also selbst zu einem Beispiel dafür, was Nachhaltigkeit praktisch bedeuten kann.

Welche Art von Unterstützung können Kitas denn sonst noch nutzen?
Kitas profitieren davon, den Blick in das Umfeld zu richten, also zum Beispiel hin zu engagierten Eltern, Umweltbildungszentren, Gärten, Repaircafés, zur Land- und Forstwirtschaft oder zur Kommune. Durch diese enge Vernetzung in die Region kann Nachhaltigkeit mit all ihren ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Facetten als Schwerpunkt der Kita gestärkt werden. Kitas sind also nicht nur einzelne Bildungsorte, sondern werden selbst Teil einer nachhaltigen Bildungslandschaft.

Was wünschen Sie sich für das Thema Nachhaltigkeit in Kitas?
Dass Nachhaltigkeit als ganz zentrale Priorität anerkannt, gefördert und gelebt wird. Gerade weil BNE so anschlussfähig an die werte- und erfahrungsorientierte Praxis in der frühen Bildung ist, entfaltet sie hier eine große Wirkung.

Studie zur Nachhaltigkeit in der Bildung
Das bundesweite Monitoring zu Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) am Institut Futur der Freien Universität Berlin untersucht seit 2015 das Ausmaß und die Qualität der Verankerung von BNE im deutschen Bildungssystem. Dafür werden unter anderem Gesetze, Bildungspläne, Studien- und Ausbildungsordnungen sowie politische Beschlüsse im Hinblick auf das Vorkommen von BNE und verwandten Bildungskonzepten (z. B. Umweltbildung und Globales Lernen) analysiert. Zusätzlich werden verschiedene quantitative und qualitative Erhebungen durchgeführt.
Das Team um Gerhard de Haan berät auf Basis der Ergebnisse die nationalen BNE-Gremien bei der Umsetzung des UNESCO-Programms „BNE 2030“ sowie des Nationalen Aktionsplans BNE.

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