Unterschiedliche Armutserfahrungen in FamilienArm ist nicht gleich arm

Um zu verstehen, welche Auswirkungen Armut hat und wie Eltern Armut subjektiv wahrnehmen, ist es hilfreich, die Lebenslagen der Familien genauer zu betrachten. Die sechs Kategorien der Armutserfahrung ermöglichen ein differenziertes Bild der Belastungen und Ressourcen betroffener Familien.

Der Beitrag in 150 Wörtern

Familien und Eltern, die von Armut betroffen sind, haben verschiedene Ressourcen, Erziehungsvorstellungen und -ziele und nehmen Armut individuell wahr. Die Autoren benennen sechs Kategorien von Armutserfahrungen, die die Verschiedenheit der Lebenslagen verdeutlicht, wie „Gestörte Selbstwirksamkeit“ oder „Ausgebrannt und überarbeitet“. Sie helfen dabei, Lebensumstände differenzierter zu betrachten und dadurch die Eltern und ihr Erziehungsverhalten besser zu verstehen. Pädagogische Fachkräfte können dadurch Angebote noch genauer an die Bedürfnisse der Eltern anpassen und sie dabei unterstützen, Wege aus ihrer Situation zu finden und eine förderliche Lebenswelt für ihre Kinder aufrechtzuerhalten.

Arm, armutsgefährdet, bildungsfern, benachteiligt – mit diesen Begriffen haben pädagogische Fachkräfte täglich zu tun. Einige dieser Begriffe sind ungenau, schlecht definiert oder sogar diskriminierend. Andere erlauben kaum Differenzierung. Aber genauso wenig wie es „die Mittelschichtseltern“ gibt, gibt es „die armen oder die benachteiligten Eltern“. Es gibt nur Mütter und Väter mit individuellen Sozialisations- und Bildungsgeschichten, die Erfolge und Niederlagen erlebt haben und das Beste für ihr Kind wollen. Die Vorstellung, was „das Beste“ für ein Kind ist, kann sehr unterschiedlich sein. Diese Vielfalt kommt in den sechs Kategorien der Armutserfahrung zum Ausdruck, die auf einer umfangreichen Metaanalyse zahlreicher Studien über benachteiligte Familien basieren. Sie sind der Versuch einer differenzierteren Betrachtung der Lebensumstände dieser Familien. Es werden die unterschiedlichen Gründe für Armutssituationen, Bewältigungsstrategien und Erziehungsstile in Form von Kategorien vorgestellt und darauf aufbauend Hinweise zum Umgang von pädagogischen Fachkräften mit der Zielgruppe geben. Hierin liegt der Ertrag der Kategorisierung: ein differenzierter Blick auf die Zielgruppen, um passende Unterstützungsangebote zu empfehlen oder zu entwickeln.

1. Gestörte Selbstwirksamkeit

Die Auswirkungen dauerhafter Armut sind in dieser Gruppe am gravierendsten. Die Selbstwirksamkeit, also die Gewissheit, durch das eigene Handeln Ziele erreichen und etwas bewirken zu können, kann durch Armutserfahrungen gestört werden. Der Mangel in fast allen Lebensbereichen versetzt die Betroffenen in einen Zustand der Starre und der Lähmung, in dem sie keine Möglichkeit mehr sehen, für sich etwas zu verändern. Es entstehen Gefühle von Nutz- und Wertlosigkeit und mangelnder Wertschätzung. Das Verhalten ist von Resignation, Hilflosigkeit und Rückzug gekennzeichnet.

Beim Erziehungsverhalten äußert sich das im Verlust der Erziehungsfähigkeit: Die Eltern sind nicht mehr in der Lage, angemessen und förderlich auf ihre Kinder zu reagieren und deren Grundbedürfnisse ausreichend zu erfüllen. Die Fähigkeit, zeitlichen Strukturen zu folgen, geht immer mehr verloren, auch wichtige Termine für das Kind werden teilweise nicht mehr wahrgenommen. Die Beziehung zum Kind wird immer distanzierter, bis es den Eltern mehr oder weniger egal ist, was das Kind macht. Das Bewältigungsverhalten der Kinder ist durch zwei Handlungsmuster geprägt: negieren und verdrängen. Das heißt, sie tun so, als ob alles in Ordnung wäre, und lassen sich auf ihre Eltern oder die Situation zu Hause nicht ansprechen oder sie wehren sich verbal und/oder körperlich.

Es stellt sich die Frage, ob pädagogische Fachkräfte in diesen Fällen überhaupt etwas tun können. Hier ist eine realistische Einschätzung der Möglichkeiten gefragt. Die grundlegenden Probleme dieser Eltern können von einer Berufsgruppe allein nicht gelöst werden. Eine langfristige Verbesserung der Situation kann nur in Zusammenarbeit mit anderen Professionellen z. B. in Netzwerken der Frühen Hilfe erreicht werden. Im Verhältnis der Eltern zum Kind können pädagogische Fachkräfte aber Veränderungen unterstützen. Positive Erfahrungen mit dem Kind zu ermöglichen und in kleinen Schritten Erfolgserlebnisse zu vermitteln, positives Feedback auch auf kleinste Fortschritte zu geben, kann zur Wiederherstellung der Selbstwirksamkeit beitragen. Programme wie FuN (Familie und Nachbarschaft) und HOT (HaushaltsOrganisationsTraining) sind dabei als Werkzeuge besonders gut geeignet.

2. Genussvolles Konsumieren

Diese Eltern sind meist Ziel der Kritik, wenn es in öffentlichen Diskussionen um Erziehung geht. Sie werden beschuldigt, ihren Kindern zu viel Zeit vor dem Fernseher, dem Computer oder der Spielkonsole zu erlauben. Damit einher geht der Vorwurf, das Geld für Ausflüge oder eine gesunde Ernährung anderweitig auszugeben und mangels gemeinsamer Familienunternehmungen die Kinder nicht vielfältig genug zu fördern. Dieser Erziehungsstil wird als typisch für „bildungsferne“ Schichten betrachtet.

Ein genauerer Blick zeigt aber viele um Anpassung bemühte Mütter, die ihrer formalen Erziehungsverantwortung (U-Untersuchungen, Impfungen, Material für die Schule) problemlos nachkommen. Neben der Versorgung der alltäglichen Bedürfnisse der Kinder sind sie bemüht, ihnen emotionale Wärme zu geben. Der körperliche Liebesausdruck wird durch materielle Geschenke ergänzt. Häufig verzichten die Eltern dafür auf die eigenen materiellen Wünsche. Aus Sicht dieser Eltern sorgen „gute“ Eltern dafür, dass trotz eines knappen Geldbeutels bei den Kindern keine Wünsche offen bleiben.

Vor diesem Hintergrund wird die symbolische Bedeutung des Mitgebens von Süßigkeiten häufig verkannt. Wenn das Kind in seiner Brotdose die Milchschnitte oder den Fruchtzwerg sieht, soll es das Gefühl bekommen „Mama hat dich lieb“. In dieser Situation von einer Erzieherin zu hören: „Schon wieder kein gesundes Frühstück!“, spaltet die Loyalität des Kindes zwischen dem Wunsch, die Mutter verteidigen zu wollen, und dem Bedürfnis, sich in der Kita anzupassen. Ein großer Wunsch der Eltern ist eine Erziehungsberatung ohne Schuldzuweisungen. Aufgrund ihrer eigenen, oftmals negativen Schulerfahrung reagieren sie sehr negativ auf Situationen, die sie als belehrend oder „von oben herab“ empfinden. „Sie müssen Grenzen setzen und konsequent durchhalten“ klingt zunächst wie ein vernünftiger Rat, beinhaltet jedoch den Subtext „das haben Sie offensichtlich bis jetzt nicht geschafft, sonst hätten Sie das Problem nicht“. Von pädagogischen Fachkräften wünschen sie sich einfache Erziehungstipps, die ihnen helfen, Konfliktsituationen mit ihren Kindern zu bewältigen. Ein erster Schritt zur Unterstützung ohne Schuldzuweisungen besteht darin, die erbrachten Erziehungsleistungen (z. B. sichere Bindung, geregelter Tagesablauf) zu würdigen, um die Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu schaffen. Darüber hinaus können attraktive gemeinsame Aktivitäten für Eltern und Kinder wie gemeinsames Kochen oder Ausflüge angeboten werden, die Eltern „konsumieren“ können und bei denen sie sich als Kunden fühlen. Ein Eltern- Café kann den Austausch, den auch diese Gruppe wünscht, fördern und ermöglicht allen, zwanglos ins Gespräch zu kommen.

3. In den Tag hinein leben

Ein geringes Durchschnittsalter und ein Drang nach Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung kennzeichnet diese Gruppe. Armut ist für sie häufig eine (wiederkehrende) Situation, in die sie durch ihr eigenes spontanes Handeln gerät, sei es durch schlechte finanzielle Entscheidungen (z. B. Kreditaufnahme für ein zu teures Auto) oder durch den riskanten Umgang mit eigenen persönlichen Ressourcen (Ausbildungsabbruch, Kündigen des Arbeitsplatzes).

 

Bei diesen Eltern scheitern die üblichen Beratungsangebote oft daran, dass sie zwar die Tatsachen auf einer verstandesmäßigen Ebene darlegen, jedoch nicht an die tiefer liegenden, emotionalen Ursachen des Verhaltens anknüpfen können. Der Erziehungsstil ist eher von einer Laissez-faire-Haltung als von pädagogischen Konzepten geprägt. In bewusster Abgrenzung zum bürgerlichen Mainstream sind sie bemüht, das Kind nicht überzubehüten, sondern es seine eigenen Erfahrungen machen zu lassen. Das Kind darf „mitlaufen“ und wird teilweise als gleichberechtigter Partner gesehen. Die Übernahme der elterlichen Verantwortung fällt den Eltern manchmal schwer, weil sie Verantwortung mit schlechten Erfahrungen wie Bevormundung, Unterdrückung und mit Autoritäten wie den eigenen Eltern, der Schule etc. verbinden.

Das zentrale Problem an der Elternschaft sind für diese Eltern deren weitreichende Folgen für ihr Selbstbild, die Zukunftsplanung sowie für die Balance zwischen den eigenen Bedürfnissen, denen des Kindes und des Partners. Hier können pädagogische Fachkräfte unterstützend wirken. Gesprächsangebote zu diesen Themen, Informationsveranstaltungen sowie ein moderierter Austausch der Eltern untereinander können den Eltern helfen, sich in ihrer Elternrolle besser zurechtzufinden.

4. Ausgebrannt und überarbeitet

Diese Eltern sind an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Kinderreiche und Ein-Eltern-Familien stehen häufig unter zeitlichem und finanziellem Druck, was zu einer Dauerbelastung führt. Sie nehmen selten Hilfsangebote zuständiger Ämter und Einrichtungen wahr und erhalten daher nicht die Hilfen, die ihnen zustehen. Für die Erziehungsarbeit sind Zeitmangel und Erschöpfung die größten Probleme. Es ist den Eltern nicht immer möglich, ihren Kindern die Aufmerksamkeit und Geduld entgegenzubringen, die sie gerne aufbringen würden. Dennoch zeigen Studien, dass diese Gruppe pragmatisch mit der Situation umgeht, ihren Alltag gut organisiert und eine positive Lebenseinstellung hat. Pädagogische Fachkräfte können die Eltern vor allem zeitlich, emotional und durch Informationen unterstützen, z. B. durch flexible Betreuungszeiten und die Möglichkeit, Elterngespräche auch außerhalb der Bürozeiten zu führen. Darüber hinaus können gemeinsame Familienaktivitäten „Inseln der Familienzeit“ schaffen und so die Eltern bei der Planung und Organisation der gemeinsamen Freizeit entlasten. Gerade für diese Eltern, die oftmals den Gang zu Ämtern scheuen, ist es besonders wertvoll, wenn Informationen über Möglichkeiten zur Aufstockung des Einkommens wie Wohngeld, Kinderzuschlag, aufstockendes ALG II und das Bildungs- und Teilhabepaket zur Verfügung gestellt werden.

5. Souveräne Bewältigung

Armut ist für diese Gruppe entweder nur ein vorübergehender Zustand, den sie aufgrund ihrer Bildung und der damit verbundenen langfristigen Perspektive meistert, oder ein Dauerzustand, den sie gemeinsam mit anderen erlebt in Regionen, die vom Strukturwandel besonders stark betroffen sind. Es sind z. B. alleinerziehende Studentinnen, die das Spannungsfeld Studium, Kind, fehlende materielle Ressourcen durch Inanspruchnahme staatlicher Hilfen, Unterstützung durch die Eltern und Eigeninitiative managen. Zunehmend können auch gut ausgebildete junge Familien in prekären (oft selbstständigen) Beschäftigungen in Groß- und Universitätsstädten dazu gezählt werden. Sie betrachten ihre Situation als kurzfristig und nicht als persönliches Versagen und beantragen selbstbewusst die ihnen zustehenden staatlichen Unterstützungen.

Zusätzlich finden sich auch Eltern in früheren Industrieregionen mit hoher Arbeitslosigkeit, die ihre Lebenslage souverän bewältigen. Die verbreitete Erkenntnis, dass Armut kein persönliches Versagen ist, sondern ein Schicksal, das mit vielen geteilt wird, ist für diese Eltern eine Unterstützung. Im Laufe der Zeit haben sie einen Umgang mit der Knappheit entwickelt, den sie mit anderen teilen können. Sie kaufen Dinge des täglichen Bedarfs eher in Großpackungen oder bei Sonderangeboten, kaufen gebrauchte Kleidung und Waren, tauschen Dinge im Freundeskreis aus usw. Ferner sind einige in halb-formalen Netzwerken eingebunden, die gegenseitige Unterstützung bieten. Diese Eltern zeigen unterschiedliche Erziehungsstile, z. B. einen partnerschaftlichen, durch Anteilnahme und Interesse am Kind geprägten Erziehungsstil. Eine offene Kommunikation zwischen Eltern und Kindern über die Mangelsituation führt zur gemeinsamen und fantasievollen Entwicklung von Bewältigungsstrategien. Zum Beispiel wird ein Kindergeburtstag als Mitbringfest gestaltet, anstatt ihn ganz zu streichen.

Die Fähigkeit, sich Unterstützung zu holen, zeigt sich auch in der Einbindung der Großeltern in die Erziehung, z. B. bei der Betreuung oder teuren Anschaffungen wie Winterschuhen oder Möbeln. Unsichtbar, aber für das Kind bedeutend, ist der erweiterte Kreis von Personen, die sich kümmern und an die es sich bei Fragen oder Sorgen wenden kann.

Pädagogische Fachkräfte können die Bewältigungskompetenz der Eltern anerkennen und Räume schaffen, in denen sie andere Eltern motivieren und unterstützen können. Eine Art der Anerkennung könnte die aktive Einbindung in die Arbeit mit anderen Eltern sein, als geringfügig Beschäftigte, Honorarkräfte oder ehrenamtliche Mitarbeiter z. B. im Rahmen eines Eltern-Cafés oder anderen Treffpunkts. Der Vorteil dabei ist, dass sie die gleiche Sprache sprechen wie andere Eltern, das heißt keine pädagogische, sondern eine Alltagssprache. Die Gewinnung von solchen kompetenten Schlüsselpersonen kann die Elternarbeit auf unterschiedliche Weise bereichern.

6. Gemachte Fremdheit

Die Kategorie „Gemachte Fremdheit“ geht über die gängige Kategorie „Menschen mit Migrationshintergrund“ hinaus und berücksichtigt nicht nur die Herkunft (oder die ihrer Eltern), sondern auch die Erfahrungen in Deutschland angesichts dieser Herkunft. Familien mit Migrationshintergrund sind überproportional häufig von Armut betroffen und leiden oft unter Diskriminierung. Unter diesem Druck werden die Zukunftschancen der Kinder im Spannungsfeld der Auseinandersetzungen zwischen den Traditionen, Werten und der Kultur des Herkunftslandes und denen der neuen Heimat geschmiedet. Die Vielfalt der mitgebrachten und weiterentwickelten Traditionen, Werte und Kulturen lässt keine Verallgemeinerung zu. Die Unterschiede in dieser Gruppe sind erheblich, auch zwischen Familien aus demselben Herkunftsland. Vor diesem Hintergrund ist vor allem Offenheit gefragt. Zwei Leitmotive innerhalb zahlreicher Migrantengruppen sind wissenschaftlich gut belegt und stellen gute Anknüpfungspunkte für pädagogische Fachkräfte dar: Familialismus und Bildungsaspiration. Der Familialismus stellt nicht nur eine enge Bindung zwischen und innerhalb der Generationen her und räumt der Familie einen hohen Stellenwert ein, sondern ist eine handlungsleitende Orientierung, die das Wohl der Familie als Ganzes über das individuelle Streben nach Glück der Einzelnen stellt. Das ist nicht mit einem „Sich-Aufopfern“ zu verwechseln, sondern als grundlegende Orientierung zu sehen, die die Familie vor das Individuum stellt, aber dadurch das Wohlergehen des Einzelnen sichert. Familialismus ist nicht mit nur einem Herkunftsland assoziiert, sondern mit vielen: Er scheint erst in der Fremde zu entstehen. Damit stellt er einen weit verbreiteten Bewältigungsmechanismus für den Umgang mit der Migration dar. Damit eng verknüpft ist die Bildungsaspiration: die Erwartungen der Eltern an die Kinder, ihre Bildungschancen zu verwirklichen. Bildung wird als Schlüssel zum sozialen Aufstieg im Sinne von ökonomischer Sicherheit und sozialem Prestige gesehen. Die Familie investiert in die Bildungs- und beruflichen Erfolge des Kindes, das dann die Familie unterstützt.

Analog zu den Erwartungen an ihre Kinder kommen viele Eltern mit Migrationshintergrund gerne in Elternbildungsangebote und wollen alles über Erziehung in Deutschland lernen. Ein fester Bestandteil vieler solcher Programme, z. B. Starke Eltern – Starke Kinder, ist die angeleitete Reflexion der eigenen Elternrolle. Eltern mit Migrationshintergrund ermöglichen solche Angebote einen kontrastierenden Austausch zum Familien- und Erziehungsalltag in Deutschland und dem Herkunftsland. Sie bieten eine gute Gelegenheit, nachzudenken über die Strukturen und Rollen innerhalb der (Groß-)Familie und auch über die Traditionen der Heimat und deren Bedeutung für die Identität der Eltern und ihrer Kinder. Solch ein gut organisierter und strukturierter Austausch schützt pädagogische Fachkräfte davor, Verallgemeinerungen über Eltern aus einem bestimmten Herkunftsland zu treffen. Die Antwort auf die Frage: „Was spricht Eltern mit Migrationshintergrund wirklich an?“ ist, dass sie selbst sprechen dürfen.

Zusammenfassung

Die sechs Kategorien der Armutserfahrung dienen als Denkfiguren für die Zusammenarbeit mit Familien in sozial benachteiligten Lebenslagen. Sie unterstreichen die Vielfalt der Erziehungsstile und -ziele und können helfen, Angebote noch besser an die Bedürfnisse der Zielgruppe anzupassen. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Eltern und Familien können folgendermaßen zusammengefasst werden:

  • Zuerst eine Beziehung aufbauen und Vertrauen schaffen, dann Probleme ansprechen. Dies geschieht durch eine persönliche Ansprache auf Augenhöhe und eine wertschätzende Haltung.
  • Keine negativen Zuschreibungen wie „bildungsferne“ oder „benachteiligte“ Eltern, sondern positive Erlebnisse und Unterstützung anbieten. Sensibilität für die Wirkung der Sprache weiterentwickeln.
  • Auf die Wünsche, Vorstellungen und Bedürfnisse der Familien eingehen und nicht von oben herab versuchen, ihnen die „richtige“ Erziehung beizubringen. Herausfinden, was Eltern brauchen und wollen, und immer den Blick auf die Ressourcen der Eltern haben.
  • Die Aufgaben der Fachkräfte müssen klar definiert, gut supervidiert und regelmäßig reflektiert werden, denn auch pädagogische Fachkräfte brauchen Unterstützung.
  • Eine wertschätzende lokale Vernetzung ist nötig, bei der jeder die Aufgaben, Stärken und Grenzen der anderen kennt und respektiert, um Familien schnell an die richtige Stelle zu vermitteln und Überforderung der einzelnen Fachkräfte und Einrichtungen vorzubeugen.

Kindertageseinrichtungen, die Eltern Zeit und Raum anbieten, können langfristige, partizipative Beziehungen zu ihnen aufbauen. In solchen Settings geht es um die Bedürfnisse und Bedarfe der Eltern und nicht um allgemeine Angebote, deren Relevanz aus Großbefragungen abgeleitet ist. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass arme oder benachteiligte Eltern häufig dieselben Erziehungsfragen und -probleme haben wie Mittelschichteltern.

Letztendlich ist auch zu bedenken, dass die Förderung der frühkindlichen kognitiven Fähigkeiten ohne flankierende Maßnahmen, um die Eltern zu unterstützen und die Lebenswelt des Kindes zu verbessern, kaum langfristige und übertragbare Effekte erzielen können. Dies zeigen Evaluationen des seit den 1960er-Jahren in den USA laufenden Head-Start-Programms. Folglich geht es nicht nur darum, zielgruppenspezifische Angebote für die Eltern zu finden oder zu entwickeln, sondern sie dabei zu unterstützen, Wege aus ihrer Lebenslage zu finden und eine sozial, kulturell, emotional und materiell förderliche Lebenswelt für ihre Kinder aufrechtzuerhalten. Das ist ein Prozess, der an einem vertrauten Ort, begleitet von vertrauten Personen, stattfinden kann. 

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