Freundschaften zwischen KindernMiteinander durch dick und dünn gehen

Innerhalb von Freundschaften lernen Kinder andere Menschen und Sichtweisen kennen sowie Konflikte zu bewältigen. Fachkräften kommt dabei eine besondere Rolle zu: Sie unterstützen Kinder dabei, Freundschaften zu schließen und zu pflegen.

Der Beitrag in 150 Wörtern

Freundschaften sind freiwillige Beziehungen und Kinder müssen selbst aktiv werden, um sie zu schließen und zu erhalten. Innerhalb von Freundschaften lernen Kinder andere Perspektiven, Ansichten und Vorgehensweisen kennen sowie die Empfindungen und Bedürfnisse ihrer Freundinnen und Freunde zu erkennen. Meist bilden sich Freundschaften zwischen Kindern mit ähnlichen Eigenschaften, Spielinteressen sowie kognitiven, sprachlichen und motorischen Fähigkeiten. Pädagogische Fachkräfte unterstützen den Aufbau und Erhalt von Kinderfreundschaften, indem sie die Kinder auf diese Gemeinsamkeiten hinweisen, sie darin bestärken, Konflikte selbst zu lösen oder sie diese moderieren, und indem sie den Kindern das Beisammensein mit Freunden und Freundinnen innerhalb des Tagesablaufs ermöglichen.

Per Definition (Auhagen 1993) stellt eine Freundschaft zunächst eine einzigartige Sympathiebeziehung zwischen einzelnen Kindern dar. Jede dieser Beziehungen ist damit hinsichtlich gemeinsamer Interessen und Vorlieben, der Anteilnahme und der Konfliktbewältigung etwas Einmaliges. Freundschaften sind in der Regel Zweierbeziehungen und da sie ausschließlich mit gegenseitigem Einverständnis bestehen, können sie auch aufgekündigt werden. Dass Freundschaften freiwillige Beziehungen sind und Kinder – anders als in der Familie – aktiv werden müssen, um sie zu schließen und zu erhalten, verdeutlicht die Herausforderungen, die diese Beziehungsform für Kinder bereithält. Gelingt es Kindern, andere auf Dauer für sich einzunehmen, so kann man dies nach dem Soziologen Lothar Krappmann (1993) als die erste „soziale Leistung“ bezeichnen, die sie eigenständig und außerhalb des Schutzraums Familie vollbringen.

Schon Kleinstkinder haben Freunde

Kinder unter zwei zeigen Vorliebe für Spielkameraden, mit denen sie bevorzugt einfache Aktivitäten zusammen ausführen: Wenn Tim (1,4 Jahre) lautstark mit Holzklötzen spielt, dann tut Paul (1,6 Jahre), der ihn zuvor beobachtet und gelacht hat, wenig später das Gleiche. Oder: Emma (1,6 Jahre) spielt mit einer Puppe, Alexandra (1,6 Jahre), die sie beobachtet, ahmt dieses Spiel mit ihrem Teddy nach. Die beiden Puppenmütter freuen sich gemeinsam. Erstaunlich ist, dass die Vorlieben für Gleichgesinnte stabil sind: Etwa die Hälfte bis zwei Drittel dieser Sympathiebeziehungen bleiben in einer nordamerikanischen Beobachtungsstudie (Dunn, Brown, Slomkowski u. a. 1991) ein Jahr lang erhalten. Insofern sind die Freundschaften unter Kleinstkindern zeitlich ebenso stabil wie die Freundschaften von älteren Kindern und Jugendlichen, von denen ebenfalls etwa die Hälfte im Jahresverlauf abbricht. Ein Kriterium für Freundschaften zwischen Kindern im Alter von zwei Jahren sind wechselseitige Handlungen (Dunn 2004). Damit ist gemeint, dass sie häufig freundliche Gesten austauschen. Im Alter von zwei Jahren können Kinder bereits verstehen, was ihre Freunde beschäftigt, was sie stört oder erfreut. Zweijährigen gelingt es daher, Bezug auf die Bedürfnisse von geschätzten Spielkameraden zu nehmen, ihnen verlorene oder vermisste Gegenstände wie Schnuller oder Teddy zu bringen. Zu Beginn ist es auch oft der eigene Schnuller oder Teddy. Die Bedeutung von Freundschaften Kinder können im Rahmen von Freundschaften besonders gut eine Theorie über das psychische Funktionieren von anderen Menschen entwickeln, die in der Wissenschaft theory of mind genannt wird. In Rollenspielen zum Beispiel tauchen sie in die Welt des anderen ein. Diese Spiele sind zunächst einfach: Sie beobachten und imitieren die Spielhandlung des anderen. Mit zunehmendem Alter werden die Spielabläufe dann komplexer: Im Alter von drei Jahren spielen Kinder Rollen, die aufeinander Bezug nehmen, wie etwa die Rollen von Mutter und Kind, Arzt und Patient oder Verkäuferin und Kundin. Kinder ab dem Alter von drei Jahren beginnen, sich gegenseitig Regieanweisungen zu geben, die den Spielaufbau beschreiben: „Also ich bin jetzt die Friseurin und du bist die Kundin.“ Aus entwicklungspsychologischer Sicht erlernen Kinder in Rollenspielen gemeinsam ein Verständnis für andere Menschen und ihre Beweggründe. Freundinnen und Freunde bilden bei diesem Lernschritt ein wichtiges Gegenüber, denn mit ihnen tauschen sich Kinder über ihre jeweiligen Gefühle und Gedanken und die von anderen Menschen aus. Wenn darüber diskutiert wird, was jemand weiß, was er oder sie empfindet, denkt, meint, glaubt oder erinnert, dann „jonglieren“ sie mit möglichen geistigen Zuständen und Befindlichkeiten. Diese, in der Handlung entwickelten Fähigkeiten zur Perspektivenübernahme erleichtern es ihnen auch später, Freundschaften zu schließen und zu vertiefen. Freunde und Freundinnen unterstützen sich emotional im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Dazu gehören im Kindergartenalter nicht längere Problembesprechungen, wie sie bei Freundespaaren im Jugendalter vorkommen, sondern sie lenken sich eher durch Spielhandlungen von ihren Befindlichkeiten ab (Dunn 2004). Dies ist wirksam, um sich selbst zu distanzieren, zum Beispiel, wenn eine Situation, wie etwa ein bevorstehender Zahnarztbesuch, nicht zu ändern ist. Insbesondere im Rollenspiel, in dem Kinder zum Beispiel über einen längeren Zeitraum zusammen Baby spielen, können sie gegebenenfalls ihre Besorgnis über die Geburt eines kleinen Geschwisterchens und ihre Verletzung oder Eifersucht verarbeiten. Wenn sie andere als Monster erschrecken oder zusammen mit anderen vor dem Monster davonlaufen, dann erkunden sie, wie es ist, selbst zu bedrohen bzw. bedroht zu werden. Rollenspiele helfen ihnen daher auch, mit Situationen vertraut zu werden und Umgangsweisen auszuprobieren. Dafür benötigen Kinder gute Freundinnen und Freunde, die sich darauf einlassen, das Lieblingsthema immer wieder zu spielen, manchmal wochenlang.

Freundschaften knüpfen

Kinder verbringen im Kindergarten viel gemeinsame Zeit. Für die meisten bietet das Miteinander Möglichkeiten, Freundschaften zu knüpfen. Zu beobachten ist, dass sich Freundschaften meist zwischen Kindern mit ähnlichen Eigenschaften bilden. So sind Kinder befreundet, die etwa ähnlich schüchtern, ähnlich selbstbewusst oder ähnlich kooperativ sind (Dunn, Cutting 1999). Freunde teilen oft die gleichen Spielinteressen, etwa das Spielen mit Puppen, mit der Holzeisenbahn, mit Lego oder auch das Fußballspielen oder Klettern. In der Regel freunden sich die Kinder eher an, die etwa das gleiche Niveau kognitiver oder sprachlicher Fähigkeiten haben. Auffällig ist zudem: Je länger Kinder befreundet sind und je häufiger sie miteinander spielen, umso ähnlicher werden sie sich. Wenn Kinder Freundschaft schließen, lehnen sie häufig gemeinsam ein drittes Kind ab: „Wir wollen Marie nicht dabeihaben“ oder „Wir beide mögen Paul nicht“ (Dunn 2004, S. 35). So ungerecht dieser Schulterschluss von Erwachsenen wahrgenommen wird, so erfüllt er doch einen Zweck. Mit der gemeinsamen Ablehnung eines anderen Kindes stellen die Freunde eine Basis für ihre Freundschaft her. Durch die Haltung „Wir beide gegen den Rest der Welt“ bekräftigen sie ihre besondere Verbindung. Dabei entsteht ein Vertrauensverhältnis, in dem Kinder ihre persönliche Meinung äußern und erproben, ob ihre Ansichten geteilt werden. Wenn sich zwei Kinder einig sind, dann bestätigen sie damit zum einen ihre Freundschaft. Darüber hinaus bestärken sie die sozialen Normen, die in einer Gruppe vorherrschen. Über vermeintliche Schwächen oder Fehltritte anderer ermahnen sie sich schließlich auch selbst, welche Regeln sie auf keinen Fall übertreten dürfen, um nicht ins Abseits zu geraten.

Meinungsverschiedenheiten

Auseinandersetzungen zwischen engen Freunden kommen häufiger vor als unter Kindern, die locker miteinander befreundet sind. Besonders ist die Art, wie Meinungsverschiedenheiten geklärt werden. Mit ihren Freundinnen und Freunden gelingt es Kindern schon ab einem Alter von vier Jahren, nicht auf den eigenen Willen zu bestehen oder den anderen zu bedrohen, um ihre Meinung durchzusetzen. Unter Freunden werden früher Kompromisse geschlossen, etwa: „Wir sind beide Königin“, Tauschgeschäfte angeboten, „den blauen Ritter gegen den Drachen“ oder andere Vorschläge gemacht: „Jetzt bestimmst du, was wir spielen wollen und nachher ich.“ Anders als mit ihren Geschwistern nutzen Kinder mit ihren Freundinnen und Freunden eher Argumente, die auf deren Wünsche oder Bedürfnisse eingehen. Denn das Bestreben der Kinder ist groß, Spiel und Spaß mit dem Freund oder der Freundin nicht an kleineren Unstimmigkeiten scheitern zu lassen. Freundschaften sind insofern herausgehobene Beziehungen, die den Kindern in puncto Konfliktlösung ihr Bestes abverlangen (Dunn, Slomkowski, Donelan u. a. 1995). Freunde zeigen am Ende ihrer Kindergartenzeit ein ausgeprägtes Rechtsempfinden. Sie setzen sich für die Bedürfnisse und Rechte ihrer Freunde ein (Dunn, Cutting, Demetriou 2000). Wenn die Freundin durch ihr eigenes Schummeln bei einem Regelspiel verliert und dadurch traurig oder wütend wird, denken sich Freunde Möglichkeiten aus, wie sie den Frieden wiederherstellen können. Sie schlagen dann zum Beispiel vor, dass sie ihre Freundin beim nächsten Spiel gewinnen lassen können. Ebenso verhalten sich Kinder weniger als „moralische Egoisten“, die glücklich sind, wenn sie begehrte Gegenstände (wie Süßigkeiten) an sich genommen haben, die eigentlich ihrem Kumpel gehören. Das Glück, das sie bei der Durchsetzung ihrer eigenen Interessen gegenüber nicht befreundeten Kindern im Regelfall empfinden, verwandelt sich in so etwas wie Schuldgefühle, wenn der Freund oder die Freundin von ihrer Handlung betroffen ist. Befreundete Kinder können gleichzeitig ihren eigenen Vorteil und den Kummer des Freundes erfassen, was den meisten mit anderen Kindern erst ab einem Alter von etwa sieben Jahren gelingt.

Freundschaften pflegen

Kinder unterscheiden sich in ihren Empfindungen und emotionalen Reaktionen, so hat das eine beispielsweise Angst vor Hunden, das andere vor Wasser. Beobachtet wurde, dass es Kindern von etwas über drei Jahren, die sich gut in die andersartigen Empfindungen des anderen hineinversetzen konnten, zwei bis drei Jahre später besser gelang, sich im Spiel mit ihrem Freund abzustimmen und längere Gespräche miteinander zu führen. Auch können sie dann besser aushandeln und Kompromisse bei Streitigkeiten entwickeln. Nach den nordamerikanischen Psychologen Steve Asher, Jeffrey Parker und Diane Walker (1996) stellen Freundschaften Kinder und Jugendliche vor die Herausforderung, soziale Aufgaben zu bewältigen. An diesen können sie wachsen und werden wiederum motiviert, Freundschaften zu schließen oder zu erhalten. Anforderungen bzw. Aufgaben an Kinder in einer Freundschaft sind:

  • Eigenschaften und Fertigkeiten zu entwickeln, die sie zu einem guten Kumpel machen, der gerne einbezogen wird, weil er gut gelaunt, anpassungsfähig oder erfinderisch ist.
  • Hilfe zu leisten und zu empfangen. Für Kinder geht es darum, zu wissen, wann ihre, auch emotionale, Unterstützung als Freund oder Freundin gebraucht wird und wie sie sein soll.
  • Einen angemessenen Ausdruck von Zuneigung, Besorgnis oder Bewunderung gegenüber dem Freund oder der Freundin zu finden. Was als angemessen gilt, ist zwischen Freundinnen etwas anderes als zwischen Freunden. Wichtig ist, dass sich Kinder über die Erfolge ihrer Freundinnen und Freunde ohne Missgunst freuen können.
  • Meinungsverschiedenheiten fair auszutragen. Freundschaften fordern Kinder heraus, Auseinandersetzungen nach Möglichkeit einvernehmlich zu lösen und anderen eine Schwäche zu verzeihen, wenn auch vielleicht nicht sofort.

Wie Fachkräfte die Entwicklung von Freundschaften unterstützen

Pädagogische Fachkräfte können im Hinblick auf Freundschaften zwischen Kindern als „Brückenbauer“ und „Sozialingenieure“ bezeichnet werden, weil sie die Aufgabe haben, Freundschaften anzubahnen. Das geschieht ganz direkt, wenn sie die Kinder auf ihre Gemeinsamkeiten hinweisen. Besonders Kindern, die nur schwer auf andere zugehen können, tut es gut, wenn Erzieherinnen und Erzieher sie nicht nur ermuntern und in ihrer Liebenswürdigkeit bestärken, sondern sie darauf hinweisen, wenn Kinder ähnliche Interessen, Spielvorlieben oder andere gemeinsame Merkmale haben wie sie. Außerdem können Fachkräfte Freunde loben, wenn sie einander helfen, sich bei Widrigkeiten mit Rat und Tat zur Seite stehen oder sich trösten, wenn etwas schiefgeht. Ebenso können sie Freundschaften unterstützen, indem sie bei Konflikten moderieren, über die Gefühle der Einzelnen sprechen und die Kinder zu eigenen Lösungen ermutigen. Freundschaften sind Beziehungen auf Gegenseitigkeit. Wenn ein Kind das andere als Freund ausgewählt hat, dieses aber wiederum andere zum Freund wählt, dann führt dies schnell zu Kummer und Verdruss. Manche Kinder benennen Kinder als ihre Freunde, weil sie sich eine Freundschaft wünschen und nicht etwa, weil sie tatsächlich vorhanden ist. Insofern ist es wichtig, Kinder nicht nur nach ihren Freundinnen und Freunden zu befragen, sondern über den Tag hinweg zu beobachten: Wer setzt sich im Morgenkreis neben wen? Wer wählt wen bei besonderen Angeboten aus? Wer baut zusammen eine Höhle? Welche Kinder verschwinden zusammen im Gebüsch oder in der Ballspielecke? Über die zeitliche Struktur des Tagesablaufs können den Kindern Gelegenheiten geboten werden, gemeinsame Spielwelten herzustellen und darüber ihr Verständnis für sich selbst, den Freund oder die Freundin und ihre Freundschaft zu vertiefen. Auch Freunde-Bücher sind eine Möglichkeit der Unterstützung von Freundschaften. In selbst gebastelten Büchern können Fotos und die Kontaktdaten der anderen Kinder gesammelt werden. So ist es für die Kinder leicht, sich an den Nachmittagen und an den Wochenenden zu verabreden. Wie man Freundschaften schließt und pflegt, interessiert jedes Kind. Insofern ist es immer eine gute Idee, mit den Kindern dar über zu reden, ihnen vielleicht etwas von Schwierigkeiten in eigenen Freundschaften zu erzählen oder mit ihnen Bilderbücher zu diesem Thema anzuschauen. Wie gewinnt man Freunde? Was kann man tun, wenn ein Freund beleidigt ist? Wie kann man sich auf ein Spiel einigen? Sicher haben die Kinder ebenso gute Ideen und Tipps zu diesen Themen, die man beim Essen oder im Morgenkreis besprechen kann. 

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