Prominente und die Grenzen des LebensOb arm, ob reich

Geburt, Krankheit, Abschied, Sterben – die Grenzsituationen des Lebens bleiben niemandem erspart. Das wurde jüngst an zwei Ikonen der Modewelt deutlich.

An Mode war ich nie interessiert. Die Kleidungsstücke, die ich selten genug kaufe, würde ich als zurückhaltend und zeitlos bezeichnen. Dennoch hat mich der Modeschöpfer, Designer und Fotograf Karl Lagerfeld (1933–2019) immer wieder fasziniert. Mit seiner „Rokoko“-Kleidung und seinem Gehabe schien er ein bisschen nicht von dieser Welt. Seine Sprüche – „Man hat die Kontrolle über sein Leben verloren, und dann geht man eben in Jogginghosen auf die Straße“ – wie seine bestens gefüllte Bibliothek oder auch seine Großzügigkeit sind Legende.

Am 10. September wäre Lagerfeld 90 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass stellte das Magazin der FAZ etliche Bücher vor, die sein Leben aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten. Auch das Erinnerungsbuch seines Leibwächters und Vertrauten Sébastien Jondeau mit dem Titel Ça va, cher Karl? („Wie geht es dir, lieber Karl?“) war dabei, darin Lagerfelds letzte Worte, die er im Krankenhaus in Neuilly bei Paris gesprochen hat. Ins Deutsche übersetzt lauten sie: „Wie bescheuert, drei Rolls-Royce zu besitzen und in einem so heruntergekommenen Zimmer zu enden.“

Mit dem Journalisten der FAZ lassen sich diese Worte als treffend, ironisch, böse charakterisieren. Man könnte in ihnen auch die nie endende Verblüffung des Menschen ob der unfassbaren Existenz wahrnehmen; ob der „gesetzten“ Regeln des Lebens, die so verwirrend wie schlicht sein können; ob mancherlei Drastik, die sich keinen Deut um Lebensalter, Kontostand oder Vorrechte schert. „Drei Rolls-Royce“, das steht für einen Luxus, der nur einem Promille der Menschheit zugänglich ist. In einem in aller Regel nicht glanzvollen Zimmer zu „enden“ – das steht uns allen bevor. Ob reich, ob arm – die Grenzsituationen des Lebens sind allen zugedacht. Entrinnen nicht möglich.

Während ich diese Zeilen schreibe, wird in vielen Medien das Lebensdrama des ehemaligen „Supermodels“ Linda Evangelista (geboren 1965) diskutiert. Wie Lagerfeld konnte auch die Kanadierin ihre erfolgreiche Karriere in merkbare Formeln packen: „Für weniger als 10000 Dollar am Tag stehen wir gar nicht erst auf“, so ihr berühmtes Statement aus dem Jahre 1990. Wie Lagerfeld war auch sie eine Ikone der Modewelt.

In den letzten Jahren wandte sich Evangelista nur noch mit traurigen Nachrichten an die Öffentlichkeit. Vor wenigen Jahren berichtete sie über eine Schönheitsbehandlung, die missglückte. Nun eröffnete sie der Öffentlichkeit die Geschichte ihres seit fünf Jahren andauernden Kampfes gegen den Brustkrebs. „Ich weiß, dass ich mit einem Fuß im Grab stehe, aber ich bin total im Feiermodus“, so wird sie zitiert. Der Satz ist ungewöhnlich, widerständig, berührend. „Mit einem Fuß im Grab – im Feiermodus“, auch das lässt sich als eine der zahllosen Definitionen unseres Menschseins festhalten.

Als Christen dürfen wir weitergehen, an Hiob denken und an Jesus aus Nazareth. Ihr Leben bietet keinen wohlfeilen Trost. Das große Warum wird nicht aufgelöst. Doch halten Hiob wie Jesus für uns die Gottesfrage offen, das „Gottesgerücht“ (Paul M. Zulehner) am Leben. Am vergangenen Wochenende konnte der Blick auf Karl Lagerfeld und Linda Evangelista jene grundlegende Erfahrung ins Gedächtnis rufen: Wir alle sind nur Gäste des Lebens. Zerbrechlich allemal, nicht selten ratlos. Doch auch gespannt auf das, was kommen mag, was bleibt.

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