Kirche am "toten Punkt"Eine Synode für München

Wenn Kardinal Reinhard Marx den "toten Punkt" der Kirche überwinden will, muss er in seinem Münchner Erzbistum damit anfangen.

Reinhard Marx war der Super- Bischof: Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft, Koordinator des Vatikanischen Wirtschaftsrats, Papst-Berater, Vorsitzender der Freisinger Bischofskonferenz – ach ja, und Erzbischof von München und Freising. Seit 2008 versieht Marx seinen bischöflichen Dienst in einer der wichtigsten deutschen Diözesen, aber dort hat man in den letzten Jahren zu wenig davon bemerkt. Wenn man in München etwas von seinem Erzbischof wollte, musste man oft warten, bis er aus Bonn, Brüssel oder Rom zurückgekehrt war. Daran hat auch der Rückzug vom DBK-Vorsitz im Februar 2020 nichts geändert, den der mächtige Kardinal auch damit begründete, stärker in München präsent sein zu wollen.

Welche Tagesordnung?

Marx fremdelt mit dem Erzbistum München und Freising, schon immer. Darunter leiden viele, denen in Oberbayern eine traditionelle Volkskirche noch etwas bedeutet, die sich in ihrem Ehrenamt leidenschaftlich engagieren, die als Beschäftigte im Erzbistum Verantwortung tragen. Sie alle vernahmen mit ungläubigem Staunen die Worte ihres Bischofs, nachdem der Papst sein Angebot des Amtsverzichts abgelehnt hatte: „Ich werde in den nächsten Wochen darüber nachdenken, wie wir gemeinsam noch mehr zur Erneuerung der Kirche hier in unserem Erzbistum und insgesamt beitragen können.“ Und weiter: „Ich empfinde diese Entscheidung des Papstes als große Herausforderung. Danach einfach wieder zur Tagesordnung überzugehen, kann nicht der Weg für mich und auch nicht für das Erzbistum sein.“

Fehler im Konstrukt

Jenes Erzbistum also, das seit einem knappen Jahr mitten in einem Strategieprozess steckt, den Marx selbst initiiert hat. Steht dieses aufwändige Projekt zur Neujustierung diözesanen Handelns etwa auf jener Tagesordnung, zu der man nicht einfach übergehen dürfe? Verständlich, dass sich Frustration und Verunsicherung im Erzbistum München und Freising bis in die Kirchenspitze ausbreiten. Vielleicht hat Marx aber auch einen Konstruktionsfehler in seinem Strategieprozess ausgemacht. Denn von „geistlicher Erneuerung“ steht nichts in den Konzeptpapieren. Es sind nicht die besten Priester und Theologen oder gar der Erzbischof selbst, die durch diesen Prozess führen, sondern die Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers, in deren Leistungskatalog erwartungsgemäß nichts von Pastoral steht. Mit einer großen Unternehmensberatung lässt sich eine Verwaltung reformieren, aber nicht die Kirche geistlich erneuern. Um ihren „toten Punkt“ zu überwinden, den auch viele Katholiken in München und Freising längst erreicht haben, muss Marx jetzt einen Synodalen Weg für das Erzbistum starten. Niemand weiß besser als er, wie das geht.

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