Glaube und LebensstilWas man wirklich braucht

Der „Markt“ macht es einem nicht leicht, ein gutes Verhältnis zu den vergänglichen Dingen zu bekommen. Wer hinter allem Gottes Schöpfung sieht, ist aber auf dem richtigen Weg.

In Krzysztof Kieślowskis Film zum zehnten Gebot – „Dekalog, Zehn“ – erliegen zwei Brüder dem Sog des Briefmarkensammelns. Alles, was ihnen vorher wichtig war, verliert an Bedeutung. Um eine seltene alte Marke zu bekommen, mit der ein Satz vervollständigt wird, ist der eine sogar bereit, eine Niere zu spenden. Doch gerade in der Zeit, in der die Operation durchgeführt wird, wird die Sammlung gestohlen. Besitz hat keinen festen Bestand. Auch im Jakobusbrief geht es um diese Unbeständigkeit. In einer Polemik gegen Reiche heißt es: „Euer Reichtum verfault, und eure Kleider werden von Motten zerfressen. Euer Gold und Silber verrostet“ (5,2f).

Materielle Dinge sind vergänglich. Sie sind natürlichen Verfallsprozessen ausgesetzt, werden gestohlen, gehen verloren oder büßen ihren Marktwert ein. Aber auch wenn wir als Eigentümer diese Probleme mit oder ohne seriöse Versicherungen in den Griff bekommen, sind uns die Dinge seltsam entzogen und lösen nicht immer die Erwartungen und Glücksversprechen ein, die wir mit ihnen verknüpfen. Das erstrebte Wohneigentum etwa lässt keine Freude aufkommen, weil die Nachbarn uns das Leben schwer machen oder die Ehe zerbricht.

Zeuge Rost

In Kieślowskis Film sind die Anstrengungen der Brüder durch den Diebstahl der Sammlung sinnlos geworden. Eine solche Vergeblichkeit droht immer, wenn es um das „Begehren von Hab und Gut“ geht. Insofern gibt der Film eine mögliche Begründung für das zehnte Gebot. Denn dieses warnt nicht nur vor Neid auf den Besitz unseres „Nächsten“, sondern vor der Haltung des Begehrens überhaupt, das sich auf vergängliche Dinge richtet. Nach dem Jakobusbrief greift die Vergänglichkeit auf die reichen Besitzer über, denen der Besitz derart wichtig war: „Rost wird … euer Fleisch verzehren wie Feuer“ (5,3).

Die Ablehnung des Reichtums hat an der erwähnten Stelle aber noch einen eigenen Akzent. Fäulnis, Mottenfraß, Rost – das Eigentum der angeklagten Reichen verkommt, weil diese es den zerstörerischen Kräften der Natur überlassen, es nicht pflegen und nutzen. Die Dinge sind – das lässt sich daraus schließen – für ihre Besitzer überflüssig. Sie werden ohne Verwendungszweck angehäuft. Auch wenn das „Verfaulen“ von Reichtum und das „Rosten“ von Gold und Silber nicht wörtlich zu verstehen sind, wird der nachlässige Umgang mit dem Eigentum den Eignern zum Vorwurf gemacht. „Rost wird als Zeuge gegen euch auftreten“ (5,3).

Gehören wir selbst zu den Reichen, von denen hier die Rede ist? Dinge zu kaufen, die man „nicht wirklich braucht“, ist weit verbreitet. Noch deutlicher zeigt sich die Überflussgesellschaft in der Verschwendung von Rohstoffen und Energie: Viele Waren werden nicht nachhaltig, sondern für den kurzzeitigen Gebrauch produziert. Für den Markt, so alternativlos er sein mag, wird insgesamt gesehen mehr hergestellt, als verkauft werden kann. Der Einzelne kann sich dem nicht ohne Weiteres entziehen. Dinge zu horten und verkommen zu lassen, ist eher untypisch. Stattdessen wird das Wegwerfen kultiviert, das Entsorgen. Der Müll, der allzu oft nicht vermieden wird, wird sorgfältig getrennt und in mitunter aufwendigen Verfahren neu aufbereitet. Dabei ist die Wiedergewinnung von Wertstoffen beim Recycling grundsätzlich zu begrüßen, ebenso die Verteilung von nicht verkauften Lebensmitteln an Bedürftige. Die Bemühung des Einzelnen, nichts Überflüssiges zu kaufen und Dinge möglichst lange zu nutzen, mag an der Gesamtsituation zunächst nicht viel ändern. Doch sie zeugt von dem Respekt vor menschlicher Kreativität und Leistung, mit denen die Waren hergestellt wurden, sowie von Respekt vor den Ressourcen der Umwelt – wenn man will: von Ehrfurcht vor Gottes Schöpfung, der wir die Dinge verdanken.

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