Frühe mathematische Bildung begleiten und anregenZahlen, Formen und Muster

Addieren, subtrahieren, Wurzeln ziehen – das verbinden viele Menschen spontan mit dem Begriff Mathematik. Doch mathematische Bildung beginnt bereits viel früher und zieht sich von Beginn an durch das Leben und den Alltag von Kindern.

Es gibt viele gute Gründe für Erzieher/ -innen, frühe Mathematik in ihren Alltag und in das Spielen und Lernen von Kindern einzubeziehen. Die vier wichtigsten sind:

1. Kinder haben von sich aus ein großes Interesse und viel Freude an Mathematik und verschiedenen mathematischen Themen. Sie sortieren nach Farben oder Formen, nach Größe und Art. Sie probieren aus, wie viel Saft in ein Glas passt – meist weniger, als sie denken. Sie zählen alles Mögliche und bauen Türme. Sie verbringen in der Kita viel Zeit mit mathematischen Tätigkeiten.1

2. Die Entwicklung mathematischer Kompetenzen ist ein wichtiger Bestandteil der kognitiven Entwicklung von Kindern. Mit Zahlen und Zählen, Vergleichen und Messen erschließen sie sich ihre Lebenswelt und lernen jeden Tag hinzu.2

3. Mathematische Bildung ist in den Bildungsplänen der Bundesländer sowie im gemeinsamen Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen fest verankert.

4. Der vorschulische Stand der Entwicklung mathematischer Kompetenzen, insbesondere in den Bereichen Zahlen, Anzahl und Mengen,4 ist wichtig für den Schulerfolg. Je besser mathematische Fertigkeiten und Fähigkeiten vorschulisch ausgeprägt sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für gute schulische Leistungen im Fach Mathematik.5

Eine Förderung durch kompetente Erzieher/-innen ist von besonderer Bedeutung für die kindliche Entwicklung im Bereich Mathematik.

Die Themenfelder

Frühe Mathematik umfasst verschiede Facetten,6 7 bezieht unterschiedliche Tätigkeiten mit ein und ist mit anderen Bildungsbereichen eng verknüpft:

Zahlen, Zählen und Abzählen: Kinder lernen die Ziffern 0 bis 9 auf vielfältige Weise kennen: Es gibt Hausnummern, Autokennzeichen haben Nummern, Dinge sind nummeriert. Darüber hinaus lernen sie das Zählen: Das umfasst das Benennen der Zahlwortreihe – irgendwann auch in der richtigen Reihenfolge. Manchmal erfinden sie auch Worte: neun, zehn, elfzig, zwölfzig. Kinder lernen die Zahlworte Null bis Zwölf auswendig. Und natürlich werden sie auch im Zählen immer flexibler. Sie können dann bei 5 beginnend weiterzählen oder die Zahlen ausgehend von 10 bis 0 benennen. Ein zweiter wichtiger Bereich ist die Entwicklung eines Bewusstseins für Anzahlen: Eine Zahl antwortet auf die Frage „Wie viel(e)?“. So lässt sich durch Abzählen bestimmen, wie viele Kinder insgesamt in einer Gruppe sind. Es wird klar, wie viele Schritte ich mit meiner Spielfigur gehen darf, wenn ich eine 4 gewürfelt habe. Dieses Wissen wird „Kardinaler Zahlbegriff “ genannt.

Beim Abzählen gibt es 5 Regeln, die Kinder lernen:

1. Es gibt eine Eins-zu-eins-Zuordnung zwischen Zahlwort und zu zählendem Ding. Das bedeutet, dass jedem Ding, das gezählt werden kann, ein Zahlwort zugeordnet ist. Wenn Kinder das Benennen der Zahlworte mit dem Abzählen verbinden, sind es zu Beginn der Entwicklung häufig zwei unverbundene Handlungen: Die Zahlworte werden benannt, die Hand wird bewegt. Aber es wird noch keine Verbindung hergestellt zwischen gezählten Dingen und den Zahlworten. Im Laufe der Zeit und mit entsprechenden Hinweisen der Erzieher/-innen lernen Kinder, dass es auf die Verbindung beider Tätigkeiten ankommt.

2. Es ist nicht wichtig, wie die zu zählenden Dinge angeordnet sind. Menschen haben beispielsweise fünf Finger an einer Hand und dafür ist es egal, ob beim Daumen oder beim kleinen Finger oder beim Mittelfinger mit dem Zählen begonnen wird. Die Irrelevanz der Anordnung zu erkennen ist ein wichtiger Entwicklungsschritt für alle Kinder.

3. Die Zahlworte haben eine eindeutige, immer feststehende Reihenfolge.

4. Das Kardinalzahlprinzip bedeutet, dass das gerade benannte Zahlwort – beispielsweise Drei – angibt, wie viele Dinge schon gezählt worden sind. Das letztgenannte Zahlwort gibt an, wie viele Dinge insgesamt da sind.

5. Die vier vorstehenden Regeln gelten für alle zählbaren Dinge.

Sortieren und Klassifizieren: Beim Sortieren werden Grunderfahrungen der Mengenbildung gesammelt und Fragen verfolgt wie: „Was gehört zusammen?“ oder „Was gehört nicht zusammen?“. Dies geht einher mit sprachlicher und insofern auch kognitiver Bildung, weil Kinder Oberbegriffe und Unterbegriff e kennenlernen: Tiere als die Gesamtheit der zu sortierenden Dinge, Vögel als Unterbegriff , Ente und Schwan als kleinere Einheiten. Jede Aufräumhandlung in der Kita ist zudem eine Form des Sortierens.

Muster und Symmetrie: Muster stellen Zusammenhänge und Regelmäßigkeiten dar und können entdeckt und als wiederholende Ordnung wahrgenommen werden. Bilder mit Mustern werden häufig als schön wahrgenommen. Somit ist hier auch eine Verbindung zur ästhetischen Bildung gegeben. Symmetrien sind besonders interessant und lassen sich durch Spiegelungen und vielfach in der Natur wiederfinden, zum Beispiel bei Schmetterlingen.

Wiegen, Messen und Vergleichen: Mit unterschiedlichen Methoden werden Längen, Gewichte, Entfernungen, Zeit und Mengen gemessen und dabei die jeweiligen Eigenschaften der Dinge erfasst. Ein Luftballon ist groß, aber leicht, ein Stein ist klein, aber schwer. „Wie viele Schritte brauche ich durch einen Raum?“ Es kommt darauf an, wie groß die Schritte sind. Hier werden vielfältige Erfahrungen in Bezug auf die Lebenswelt gemacht.

Grafische Darstellungen und Statistik: Dieser Aspekt ist in der frühen Mathematik zwar nicht so weit verbreitet, aber immer dann, wenn auf dem Geburtstagskalender der Gruppe zu sehen ist, wie viele Kinder beispielsweise im Mai Geburtstag haben, wird eine Statistik erstellt.

Raum und Geometrie: Kinder beginnen schon als Säuglinge, sich im Raum wahrzunehmen, und entwickeln ein immer besseres Verständnis für das Verhältnis von sich zu anderen Dingen, von Tisch zu Stuhl, von Räumlichkeit und Perspektive. Und sie entfalten Räumlichkeitsvorstellungen in Zusammenhang mit Präpositionen: über und unter, neben, drin etc. Wobei es wichtig ist zu wissen, dass in manchen Sprachen Präpositionen als eigenständige Worte nicht vorhanden sind, sondern entsprechende Bezeichnungen anders gebildet werden. Dies gilt zum Beispiel für Kinder, die mit Türkisch als Muttersprache aufwachsen.

Geometrische Flächenformen – Dreieck, Kreis, Rechteck, Raute – und Körperformen – Würfel, Zylinder – sind ebenfalls in vielfältigen Zusammenhängen Gegenstand und liegen somit im Interesse der kindlichen Erlebenswelt, zum Beispiel dann, wenn sie Muster legen und mit unterschiedlichen Körpern Türme und Gebäude bauen.

Wer ist größer?

Wenn die Kleinsten Türme bauen, sammeln sie Erfahrungen im Bereich der Geometrie und Raumwahrnehmung. Wenn 2-Jährige voller Begeisterung immer wieder die Zahlen benennen, befassen sie sich mit der Sprachebene von Zahlen und Mengen. Wenn Kinder sich vergleichen: „Wer ist größer?“, „Wer ist älter?“, so vergleichen und sortieren sie nach unterschiedlichen Kriterien. All diese Formen der mathematischen Weltaneignung sind zwanglose und durch den Kontext naheliegende Auseinandersetzungen mit früher Mathematik. Das frühe Interesse an alltagsmathematischen Phänomenen, das sich bei den Kindern spontan entwickelt, ist der Ausgangspunkt für gute pädagogische Praxis: Hier beginnt für Erzieher/ -innen die Auseinandersetzung mit dem mathematischen Gehalt der kindlichen Welt, indem sie auf das Interesse der Kinder an der Welt, ihren Strukturen und Mustern, Systemen und Ordnungen eingehen.

Wie viele ...?

Aufgabe von Fachkräften ist es, dieses Interesse aufzugreifen und mathematisch weiterzuentwickeln. Hierdurch können Kinder frühe Mathematik in überschaubaren Lebens- bzw. Sinnzusammenhängen erfahren. Um Kinder bei der Entwicklung ihrer mathematischen Kompetenzen zu unterstützen, ist es für Erzieher/-innen wichtig, die Welt selbst mit einem mathematischen „Blick“ zu betrachten und mit Feingefühl auf die kindlichen Interessen einzugehen. Kleine Impulse sind hier bereits von großer Bedeutung: Im Morgenkreis werden häufig die Kinder gezählt. So können sie die Frage beantworten: „Wie viele Kinder sind heute da?“ Kinder schärfen damit ihr Bewusstsein für die Verbindung von Zahl und Anzahl. Wenn Kinder den Tisch fürs Mittagessen decken, kann der/die Erzieher/-in beispielsweise fragen: „Wie viele Kinder essen an diesem Tisch?“ – „Fünf“. Dann schließt sich ganz natürlich die Frage an: „Wie viele Teller brauchen wir dann hier?"

Durch viele kleine Anregungen erleben Kinder die mathematikhaltigen Aspekte ihrer Umwelt und entwickeln ihre mathematischen Kompetenzen mit viel Spaß und Freude weiter.

Weiterbildung

Im September 2017 startet die Weiterbildung zur Fachkraft für frühe mathematische Bildung. Sie wird durch „frühe Mathematik – Institut für Fort- und Weiterbildung“ in Kooperation mit dem Sozialpädagogischen Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg (sfbb) in Berlin durchgeführt. Im Sinne dieser Weiterbildung wird frühe mathematische Bildung im pädagogischen Alltag gelebt. Ausgangspunkt sind immer die Fragen und Interessen der Kinder. Diese werden aufgegriffen und gemeinsam weiterentwickelt. Die Weiterbildung qualifiziert Erzieher/-innen dazu, frühe mathematische Bildungsprozesse mit viel Spaß und in alltagsintegrierten Formen anzuregen und zu begleiten. Es werden verschiedene mathematische Lernbereiche behandelt: Zahlen und Zählen, Muster und Symmetrien, Formen und Körper, Messen und Vergleichen etc. Die Inhalte werden mit direkt umsetzbaren, alltagsnahen Praxisbeispielen erarbeitet. Die gesamte Weiterbildung ist von einem engen Theorie-Praxis-Transfer geprägt.

Weitere Informationen: www.fruehe-mathematik.de

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