Nach dem Massaker an Christen in NigeriaIm Stich gelassen

Ein erneute Terrorangriff mit fast 200 Toten wirft Fragen auf: Kann oder will der nigerianische Staat Christen nicht besser schützen? Aber auch: Warum wird das Thema hierzulande so stiefmütterlich behandelt?

Es war ein fürchterliches Weihnachten“, sagte Caleb Mutfwang, Gouverneur der betroffenen nigerianischen Provinz Plateau, unmittelbar nach den Anschlägen. Ein paar Tage später, als die ganze Dimension des Grauens offenbar geworden war, fand der Dachverband der Kirchen von Nigeria noch drastischere Worte: „Nicht einmal im Tierreich gibt es eine derartige Barbarei.“

Am Wochenende von Heiligabend hatten Terroristen in einem abgestimmten Angriff mehrere von Christinnen und Christen bewohnte Dörfer überfallen und ein Blutbad angerichtet. Mindestens 198 Menschen verloren ihr Leben, die meisten von ihnen Frauen und Kinder.

Ein solcher Ausbruch war befürchtet worden. Seit langem gibt es in der Region Gewalt gegen Christen. Ein unvollständiger Rückblick auf die Meldungen des vergangenen Jahres: Januar 2023 – Banditen fackeln ein Pfarrhaus ab, der Pfarrer verbrennt; August – Terroristen zünden ein Dorf an und schießen auf Leute, die sich retten wollen: 21 Menschen sterben; September – zwei Seminaristen werden entführt, einer von ihnen wird getötet; Oktober – Terroristen erschießen einen Benediktiner-Novizen ... Schon der Alltag ist für Christinnen und Christen in diesem Teil Afrikas lebensgefährlich.

Dass die Bedrohungslage angesichts des Nahost-Kriegs weiter gestiegen ist, darauf wiesen katholische Hilfswerke seit Wochen hin. Man fragt sich: Wenn sich selbst am Redaktionsschreibtisch in Freiburg all diese Fakten leicht zusammentragen lassen, warum tut sich dann im Land selbst so wenig? Lokale Medien berichten, es habe zwölf Stunden gedauert, bis Sicherheitskräfte auf die Hilferufe aus den angegriffenen Dörfern reagierten. Warum kann der nigerianische Staat die Christen nicht besser schützen? Oder will er nicht?

Doch es müssen noch weitere Punkte benannt werden. Im Oktober war Bundeskanzler Olaf Scholz in Nigeria. Monate zuvor hat Außenministerin Annalena Baerbock vor Ort Benin-Bronzen zurückgegeben. Bei diesen Terminen ging es um Kultur, Gaslieferungen, Migrationsbewegungen. Aber hat irgendjemand dabei auch die Lage der Christinnen und Christen angesprochen? Vielleicht sogar die Bedingung gestellt, dass sie endlich besser geschützt werden müssen, bevor man über Geschäfte redet? So funktioniert Politik eigentlich.

Nicht zuletzt müssen wir uns kritisch anschauen, wie die Berichterstattung und die öffentliche Diskussion zu dem Thema hierzulande laufen. Wirklich Schlagzeilen hat das erneute Massaker nicht gemacht. Es ist halt weit, weit weg – und wir haben „andere Sorgen“. Doch gibt uns das ein Recht, die Menschen dort zu ignorieren, insbesondere die Christen im Stich zu lassen?

Nur am Rande wurde übrigens erwähnt, dass die Täter mehrheitlich Muslime waren. Selbstverständlich: Der Konflikt hat viele Dimensionen, und er hat wesentlich damit zu tun, dass Nomaden und Bauern um Weide- beziehungsweise Farmland konkurrieren. Die ewige Kain-und-Abel-Geschichte. Aber die Religion spielt eben auch mit hinein oder wird von Verbrechern als Brandbeschleuniger missbraucht.

Dies anzusprechen ist heikel, gerade in der aufgeheizten innenpolitischen Debatte in Deutschland und vor dem Hintergrund der ja auch tatsächlich zunehmenden Islamfeindlichkeit. Differenzierung tut not. Die Zusammenhänge aber verschämt zu verschweigen, ist der falsche Weg.

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