„Wettstreit der Kathedralen“ Für Gott und Geldgeber

Alles zur Ehre Gottes? Der arte-Zweiteiler „Wettstreit der Kathedralen“ zeigt die politische Dimension von Kirchenbauten.

Wer heute in kunstvoll gebauten Kathedralen steht, denkt meist zuerst an den tiefen Glauben der unzähligen Baumeister und Steinmetze, die unermüdlich den Stein bearbeiteten, auch wenn sie selbst das Ergebnis ihrer Mühen nie in ganzer Pracht sehen würden. Dass der immer extravagantere Kirchenbau seit der Jahrtausendwende 1000 n.Chr. auch eine sehr politische Dimension hatte, erzählt dieser arte-Zweiteiler: „Sicherlich ging es darum, solche Pracht zur Ehre Gottes zu schaffen, doch daneben befeuerten solche Spitzenleistungen auch die Konkurrenz der Architekten.“ Je nachdem, wer einen der atemberaubenden Bauten in Auftrag gab, konnten sie auch als „Kampfansage“ im Ringen um Macht und Einfluss verstanden werden. Erzbistümer standen im dauernden Wettstreit um die schönsten und modernsten Kirchen. Gleichzeitig wurden die Kathedralen zum wichtigen Baustein im Machtrangeln zwischen Bischöfen und Königen. Die besten Baumeister wurden zu gefeierten Prominenten ihrer Zeit.

Das war nicht immer so. Die Dokumentation nimmt sich auch Zeit, den Anfängen des Christentums nachzuspüren. Der Zeit, als Gottesdienste noch unterirdisch gefeiert wurden und Kirchen vor allem unauffällig zu sein hatten. Während der Zeit der Christenverfolgung versammelten sich die Gläubigen in Krypten, um gemeinsam mit den Verstorbenen von Jesus zu hören und Mahlfeiern zu begehen. Die Idee, eigene Gotteshäuser zu bauen, war nicht nur gefährlich, sondern passte auch nicht in die Glaubenswelt der Menschen. „Die ersten Christen glaubten daran, dass das Ende der Welt bevorstand“, heißt es im Film. „Bald würden sie ins Himmelreich geführt werden. Kirchen waren da nicht notwendig.“ Diese Vorstellung prägte auch das Mittelalter bis zur Jahrtausendwende. Ausgehend von der 1000-Jahresfrist, die die Offenbarung setzt, erwarteten viele Ende des 10. Jahrhunderts ein düsteres Ende der Welt. Als das ausblieb, begann man in größeren zeitlichen Epochen zu denken und errichtete kirchliche Prachtbauten, die die Jahrhunderte überdauern sollten.

Die Bauzeit, die sich in Wahrheit oft über mehrere Generationen zog, vergeht in dem Film in Sekundenschnelle. In aufwändigen Computeranimationen schrauben sich die Kathedralen in die Höhe, während eine Erzählstimme die verschiedenen Baustile zuordnet. Das ist nicht immer einfach: „Hier vermischen sich die architektonischen Launen aller Epochen.“ Während die erste Folge die majestätischen Kirchen der Romanik behandelt, geht es in der zweiten Folge um den Übergang zur verspielten Gotik. Hier kommt es tatsächlich zum Wettstreit der Baumeister, die immer wagemutigere, immer ausgefallenere Türme und Kuppeln errichten. Dass es dabei auch immer wieder zu Fehlkonstruktionen kam, ist nicht überraschend. „Umso gotischer, desto filigraner, umso filigraner, desto anfälliger“, heißt es in der Dokumentation. Einige besonders kühn angelegte Gebäude stürzten in kürzester Zeit wieder ein. Doch wo die Berechnungen stimmten, entstanden eindrucksvolle Kunstwerke, die bis heute faszinieren und die der Film in voller Pracht in Szene setzt.

Dabei schlagen die Filmemacher auch immer wieder den Bogen in die Gegenwart – denn „die Arbeit an einer Kathedrale ist niemals zu Ende“. In spektakulären Kameraeinstellungen wird gezeigt, wie moderne Baumeisterinnen und Baumeister die Fassaden und verschnörkelten Sandsteintürme schützen und sorgfältig restaurieren. „Unsere Vorfahren haben uns ein fantastisches Erbe hinterlassen“, heißt es dazu. „Aber zu erben ist auch mit Aufgaben verbunden.“ Heute ist es unsere Aufgabe, die mittealterlichen Kirchen für die nächsten Jahrhunderte zu bewahren. Denn ob diese Wunderwerke nun erschaffen wurden, um Gott zu ehren oder um irdische Konkurrenten auszustechen – ihren Zauber werden sie auch in Zukunft nicht verlieren.


WETTSTREIT DER KATHEDRALEN
Deutschland; Regie: Günther Klein; Länge: zwei Teile, je ca. 55 Min.
Der Film ist bis zum 17. Januar in der arte-Mediathek zu sehen.
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