7 Momente der HoffnungNachhaltiges

7 Meldungen, die uns Mut für 2024 machen.

Die Welt wartet auf frohe Botschaften, aber sie kommen nicht.“ Das hat Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo soeben in seiner Jahresbilanz geschrieben. Ähnlich pessimistisch schaut er voraus: „Es spricht leider wenig dafür, dass sich an der pausenlosen Abfolge von Krisen und Kriegen rasch etwas ändern könnte.“

In der Tat: Der Blick auf die Schlagzeilen des abgelaufenen Jahres kann mutlos machen. Doch es gab selbst 2023 gute Neuigkeiten, und sogar solche, die das Potenzial haben, unser aller Zukunft in positiver Weise zu beeinflussen. An der Nahtstelle zum neuen Jahr haben wir einige davon zusammengestellt.

1 | Planet Erde. An die Nachrichten von gescheiterten Klimakonferenzen und Co. haben wir uns gewöhnt. Doch 2023 gab es auch einige historische Momente, die für das Leben auf unserer Erde hoffen lassen: Nach jahrelangen Verhandlungen haben sich die Vereinten Nationen auf ein Meeresschutzabkommen geeinigt. Und in Brasilien hat Lula da Silva bei seiner Rückkehr als Präsident – er hatte sich gegen den rechtsextremen Bolsonaro durchgesetzt – einen umfassenden Plan zum Schutz des Regenwalds vorgestellt. Erster Erfolg: Die Abholzung im Amazonas ist seit Lulas Amtsantritt um zwei Drittel zurückgegangen.

2 | Deutschland. Die Wahl zur „Mikrobe des Jahres“ findet außerhalb von Fachkreisen meist keine große Aufmerksamkeit. Das könnte dieses Jahr anders sein: Das Kabelbakterium Electronema, das in Frankfurt zur Mikrobe 2024 gewählt wurde, fasziniert die Forschung gleich aus mehreren Gründen. Diese Art von Bakterien wurde erst vor zwölf Jahren am Grund von Meeren und Seen entdeckt, wo sie durch chemische Reaktionen Sulfid in Sulfat umwandelt. Die winzigen Lebensformen könnten damit beim Abbau von Schadstoffen helfen und sogar Treibhausgase verringern. Ein besonders spektakulärer Versuch im Gewächshaus zeigt, dass die Zugabe der Bakterien den Methanausstoß in manchen Böden um über 90 Prozent verringert. Die zweite erstaunliche Fähigkeit von Electronema: Es kann Strom leiten, was Möglichkeiten für eine nachhaltigere, biologisch abbaubare Elektrotechnik eröffnet. „Die recht ‚neuen‘ Kabelbakterien sind nicht nur mikrobiologisch und biogeochemisch, sondern auch mit ihrem Anwendungspotenzial in der Umwelt- und Biotechnologie eine Sensation“, heißt es im Text zur Preisverleihung.

3 | Japan. Inzwischen wurde bekannt gegeben, wie viele Abfälle bei der „ersten Müllsammel-WM der Welt“, die Ende 2023 in Tokio abgehalten wurde, aufgesammelt und sortiert wurden. Bei der Veranstaltung wurden insgesamt 550 Kilogramm – eine halbe Tonne – Plastikflaschen, Papierfetzen, Kaugummis und Zigarettenstummel aufgelesen. Wenn die Ausbeute schon in einer vergleichsweise sauberen Stadt so groß ausfällt, kann man sich nur ausmalen, welche Rekorde gesetzt werden könnten, wenn dieser Sport auch in anderen Ländern Fuß fasst. Der Mann hinter der WM, Kenichi Mamitsuka, freut sich über das internationale Interesse. Vor 15 Jahren erfand er den Sport „Müll sammeln“, als ihm beim Joggen immer wieder achtlos weggeworfene Abfälle auffielen. Zuerst machte er sich selbst ein Spiel daraus, möglichst viel aufzusammeln, dann weihte er Freunde in das Projekt ein und stellte es an Schulen vor. Die Regeln seines Sports sind so einfach, dass jeder mitmachen kann – auch außerhalb des WM-Zeitraums. „Unser Grundgedanke ist, dass wir den Planeten sauberer machen wollen“, wird er in der Neuen Zürcher Zeitung zitiert.

4 | Deutschland. Im Kampf gegen Krebs zeichnet sich endlich ein Durchbruch ab: Im Herbst meldete das Mainzer Unternehmen Biontech erste Erfolge in klinischen Studien mit einem neuartigen Impfstoff. Das Vakzin beruht auf derselben mRNA-Technologie, die bereits gegen das Corona-Virus eingesetzt wurde. Mittels eines Botenstoffs (das „m“ steht für messenger, „Bote“) wird der Bauplan eines speziellen Proteins in die Körperzellen geschleust, das charakteristische Eigenschaften der Krebszellen imitiert, für den Körper aber unschädlich ist. Sobald die Zellen beginnen, das Protein zu produzieren, erkennt das menschliche Immunsystem dieses als Fremdkörper und bekämpft es – und mit ihm den Krebs. Man hofft, die Technologie sowohl prophylaktisch einsetzen als auch das Wachstum vorhandener Tumore stoppen oder sogar umkehren zu können. Bis die ersten Impfstoffe marktreif sind, werden allerdings noch einige Jahre vergehen. Auch stellt der Preis bisher ein Problem dar, da die Therapie auf jeden Patienten einzeln abgestimmt werden muss. Die Forschenden sind sich jedoch einig, dass Krebs in naher Zukunft kein Todesurteil mehr sein wird.

5 | Polen. Schon jetzt gilt der 15. Oktober des vergangenen Jahres als Wendepunkt in der Geschichte Polens: Nach einer beispiellosen politischen Mobilisierung traten 75 Prozent der polnischen Wahlberechtigten zu den Urnen, um ein neues Parlament zu wählen. Das Reformbündnis dreier Parteien unter der Führung des früheren EU-Ratspräsidenten Donald Tusk errang die Mehrheit gegen die seit acht Jahren amtierende PiS. Die rechtspopulistische Partei erhielt zwar erneut die meisten Stimmen, jedoch nicht genug, um sich an der Macht zu halten. Die neue Koalition steht vor großen Herausforderungen; zuallererst gilt es, die Unabhängigkeit der Gerichte und die Pressefreiheit wiederherzustellen. Weit über das Land hinaus macht die Wahl in Polen aber deutlich: Zersetzungsprozesse in Demokratien lassen sich umkehren, wenn politische Akteure zu parteiübergreifender Zusammenarbeit bereit sind.

6 | Iran. Selten liegen in einem Land Schönheit und Schrecken so nahe beieinander wie in Iran. Die jahrtausendealte Hochkultur steht seit der Islamischen Revolution 1979 unter dem Regime der Mullahs, die das Mächtegleichgewicht des Nahen und Mittleren Ostens in Chaos stürzten und die eigene Bevölkerung unterdrücken. Die Zivilgesellschaft versucht zunehmend, gegen das Regime aufzubegehren, doch errang sie bisher keinen wirklichen Sieg. Die Proteste, die nach dem Tod von Jina Mahsa Amini aufflammten, wurden gewaltsam unterdrückt. Umso wichtiger sind Gesten wie die johlenden Fußballfans, die sich in einem Stadion gegen den verordneten Antisemitismus des Regimes stellten und die Hoffnung aufkeimen lassen, dass die Propaganda des Israelhasses nicht so tief in die Menschen eingedrungen ist, wie es die Religionsführer gerne hätten. Die Verleihung des Friedensnobelpreises an die Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi – die zurzeit interniert ist – erinnert daran, dass diese Gesten des Widerstandes keine Eintagsfliegen sind. Die Iranerinnen und Iraner haben auch im kommenden Jahr das Potential, ihr Land nicht einer zerstörerischen Ideologie zu überlassen.

7 | Planet Erde. Erfreuliche Nachrichten gab es auch im Bereich der Artenvielfalt: Aus der langen Liste von Arten, die als ausgestorben und für die Biodiversität der Erde verloren galten, traten 2023 einige hervor, die fälschlicherweise für tot erklärt worden waren. Zu den „Rückkehrern“ zählen die majestätische Säbelantilope, die wieder in freier Wildbahn angesiedelt werden konnte. Außerdem der 1936 letztmals gesichtete Goldmull, den ein aufmerksamer Border Collie nun in Südafrika erschnüffelte. Nach 60 Jahren ebenfalls wieder da ist der Attenborough-Langschnabeligel, der die Stacheligkeit eines Igels mit der Langnasigkeit eines Ameisenbärs vereint. Die allergrößte Wiedersehensfreude hatten allerdings die Neuseeländer, deren Wappenvogel, der Kiwi, zum ersten Mal seit 150 Jahren wieder in freier Wildbahn unweit der Hauptstadt Wellington schlüpfte. Willkommen zurück!

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