Umfrage zum GottesdienstbesuchFest der Optimisten?

Für die meisten Menschen dürfte schon lange feststehen, ob sie dieses Jahr zu Heiligabend in den Gottesdienst gehen oder nicht. Eine statistische Umfrage hat jetzt verlässliche Zahlen ermittelt. Einige Werte sollten dabei zu denken geben. Ein Plädoyer.

Es gab Zeiten, da haben sich treue Gottesdienstbesucher noch über Menschen geärgert, die nur zu Weihnachten in der Kirche auftauchen und sich sonst nie in der Gemeinde blicken lassen. Inzwischen hat sich das geändert – viele Kirche bleiben auch an Heiligabend weitgehend leer. Nach einer repräsentativen Studie der Universität der Bundeswehr München werden 70 Prozent der Deutschen dieses Jahr nicht in den Weihnachtsgottesdienst gehen. Das sind etwas mehr als letztes Jahr und etwa zehn Prozent mehr als noch 2019, im letzten Jahr vor den Corona-Lockdowns. Damit ist es sehr wahrscheinlich, dass sich die Gottesdienstbesuche fürs Erste auf diesem neuen niedrigen Stand einpendeln. Der Studienleiter geht davon aus, dass sich in vielen Familien in der Corona-Zeit „neue Traditionen“ gebildet haben könnten, in denen Krippenspiel und Kirche keinen Platz mehr haben. Auch jeder dritte Befragte gab an, dass sich die Art, wie er oder sie Weihnachten erlebt, in den letzten Jahren dauerhaft verändert hat.

Bis hierhin ist die Studie wenig überraschend und passt gut ins triste Narrativ von schrumpfenden Kirchen, die Jahr für Jahr mehr die Bindung zu den Menschen verlieren. Ein Punkt lässt dann aber aufhorchen: Die Befragten sollen angeben, ob sie eher besorgt oder zuversichtlich in die Zukunft schauen. Eine Neuheit der diesjährigen Befragung. Wer glaubte, dass sich in Politik, Gesellschaft und Umweltschutz langfristig alles zum Guten entwickeln wird, wurde als Optimist eingeteilt, wer davon ausgeht, dass die Krisen eher noch zunehmen und sich keine Lösungen finden lassen, als Pessimist. Bezogen auf die Gottesdienst-Frage ergab sich dabei ein signifikanter Zusammenhang: Optimistische Menschen gehen an Weihnachten messbar öfter in die Kirche als Pessimisten.

Wie so häufig ergibt sich aus der Studie hier ein statistisches Henne-Ei- Problem: Gehen die Menschen in den Weihnachtsgottesdienst, weil sie Optimisten sind – oder haben sie einen hoffnungsvolleren Blick auf die Zukunft, gerade weil sie regelmäßig in die Kirche gehen? Spannender ist aber der Blick auf diejenigen, die sich selbst als pessimistisch einschätzen. Wer keine Hoffnung auf die Zukunft hat, scheint sich an Heiligabend in der Kirche nicht wohl zu fühlen. Dabei ist gerade die Weihnachtsgeschichte eine Erzählung, die problembeladene, verzweifelte Menschen ansprechen könnte.

Vielleicht konzentrieren wir uns manchmal zu sehr auf geschmückte Bäume und Engelchöre, die oft heimeligen, teilweise fast kitschigen Wohlfühlelemente der Feiertage, statt uns bewusst zu werden, dass das Kind in der Krippe und die kleine Familie in der Fremde selbst in einer Krisensituation waren. Und sich nach der Geburt nicht alle Probleme auf wundersame Weise auflösten – auch nicht durch großzügige Goldgeschenke der heiligen Könige. Wenn wir dieser Perspektive Raum geben, kann Weihnachten ein Fest sein, das auch und vor allem die Menschen anspricht, die vielleicht gerade am tiefsten Punkt sind und keinen einfachen Ausweg aus ihren Problemen sehen. Die Studie kann ein Anreiz sein, in dieser letzten Woche vor Heiligabend ganz bewusst auch Zweifel und Ängste zuzulassen und uns denen zu öffnen, die vielleicht nicht unbeschwert feiern können. Am Ende sind es die Pessimisten, die die Botschaft von Weihnachten am dringendsten brauchen.

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