Künstliche Intelligenz im JournalismusEine Webseite verliert ihre Seele

Mehr und mehr Webseiten, die sich journalistisch geben, verwenden künstliche Intelligenz, um ihre Texte zu schreiben. Doch dabei geht etwas Wichtiges verloren. Ein persönlicher Bericht.

Neben dem Studium habe ich für ein paar Jahre für ein kleines studentisches Onlinemagazin geschrieben. Einmal im Monat haben wir uns in einem kleinen Café getroffen, Pepsi getrunken und die wichtigsten Termine der nächsten Wochen besprochen. Ich schrieb schon damals gern über Filme und Serien, andere hatten sich auf Theaterkritiken spezialisiert oder fuhren zu Konzerten, um die Bands zu interviewen. Und ich erinnere mich daran, dass zwei Studenten sich einmal in einer Reihe von Artikeln eine erbitterte Debatte darüber lieferten, ob Fußball nun ein Kulturgut ist oder nicht. Wie man wirklich journalistisch schreibt, wussten die wenigsten, aber alle waren mit Eifer und Neugier dabei und auch immer bereit, mal etwas Neues auszuprobieren. Ich denke, dass ich bei der Arbeit an dieser halb amateurhaften, halb professionellen Webseite viel gelernt habe – nicht nur übers Schreiben, sondern auch über Teamarbeit und das Gefühl, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen.

Wenn man heute, ein paar Jahre später, auf das Onlinemagazin klickt, ist von dem alten Charme nicht mehr viel übrig. Die meisten neuen Artikel scheinen etwas verkaufen zu wollen – Sonderaktionen hier, Rabattcodes dort. Dazwischen finden sich scheinbar alibimäßig ein paar Texte über Prominente oder das Studentenleben. Die Artikel aus meiner Zeit damals scheinen alle spurlos verschwunden zu sein. Aus der Vielstimmigkeit ist eine dumpfe Einstimmigkeit geworden: Alle Beiträge stammen von einer einzigen Autorin ohne Profilbild, die auch gern mehrere Artikel am Tag zu verschiedensten Themen veröffentlicht. Und je länger ich mich durch die Beiträge klicke, desto offensichtlicher wird, dass sich die Autorin nicht wirklich für die Themen interessiert, über die sie schreibt – wenn es sie überhaupt wirklich gibt.

Nach aktuellen Studien sind bereits Dutzende Nachrichtenseiten online, die von künstlicher Intelligenz befüllt werden, erkennbar meist an simplem Satzbau, der mehr an ein Lexikon als an einen journalistischen Text erinnert. Als ich einen Artikel der geheimnisvollen neuen Autorin durch ein KI-Erkennungsprogramm laufen lasse, kommt es bei 32 von 50 Sätzen zum Ergebnis, dass sie „wahrscheinlich computergeneriert“ sind. Ein Beweis ist das natürlich nicht, aber es scheint mir nicht unwahrscheinlich, dass jemand die Webseite jetzt als KI-Textfabrik betreibt, um mit dem Namen unseres Magazins Werbung für Marken und Sonderaktionen zu machen.

Grundsätzlich stehe ich dem Thema künstliche Intelligenz nicht so kritisch gegenüber wie manch andere. Ich hatte schon an früherer Stelle beschrieben, dass es ganz spannend sein kann, mit KI-Programmen zu experimentieren. Aber mich einen Nachmittag lang durch die neuen Texte in meinem alten Onlinemagazin zu klicken, hat mir auch nochmal sehr deutlich gemacht, wo die Grenzen der Technik liegen. Eine KI wird sich nie für Theater oder Filme begeistern. Nie bei einer Pepsi mit anderen zusammensitzen und einen Artikel planen. Sie wird nie mit echter Leidenschaft über Fußball diskutieren – genauso wenig wie über die großen Themen von Politik und Gesellschaft. Und sie wird nie nach ihrer Seele fragen. Vielleicht muss man erst sehen, wie leer und beliebig ein KI-geschriebenes Magazin ist, um die einfachste Wahrheit zu begreifen: Egal wie „intelligent“ die Maschinen werden, Journalismus braucht Menschen.

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