Eskalation übers EssenEmpört euch – an der richtigen Stelle

Freiburg beschließt ein vegetarisches Schulessen, und ganz Deutschland regt sich auf. Wie ein Gemeinderatsvotum in Südbaden grundsätzliche Verwerfungen unserer Diskussionskultur zeigt.

Freiburg beschließt ein vegetarisches Schulessen, und ganz Deutschland regt sich auf. Wie ein Gemeinderatsvotum in Südbaden grundsätzliche Verwerfungen unserer Diskussionskultur zeigt.

Unsere Freiheit wird in der Schulkantine verteidigt. Dieser Eindruck muss sich angesichts des gewaltigen Medienechos einstellen, das eine harmlose Entscheidung in einer einzelnen Kommune hervorgerufen hat. Wer die Begriffe „Freiburg, vegetarisch, Schule“ googelt, erhält mehr als eine Million Ergebnisse. Und selbst wenn man sich auf Nachrichtenseiten beschränkt, stößt man auf aktuelle Beiträge aus dem ganzen Land: von Tagesschau über Spiegel bis hin zur Zeit. Für gefühlt alle Medien war das südbadische Votum zur fleischlosen Schulmensa ein – Entschuldigung für den Kalauer – gefundenes Fressen.

All denen, die den Vorgang trotz aller Hysterie im Netz verpasst haben, sei kurz erklärt, worum es geht. Mehrheitlich hat der Freiburger Gemeinderat beschlossen, dass Kinder in städtischen Kitas und Grundschulen künftig ein vegetarisches Mittagessen bekommen. Fast hätte ich geschrieben, „nur noch“ ein vegetarisches Mittagessen. Aber die Sprache weist hier schon auf ein erstes Problem hin: Als ob vegetarisch gleichbedeutend wäre mit einem Weniger, einem Verlust! Wir sind es halt gewohnt, dass der Zwiebelkuchen mit Speck serviert wird oder die Linsensuppe mit Würstchen. Aber Gewohnheiten lassen sich ändern. Wer sollte das besser wissen als Christgläubige! Stichwort: Du sollst dir kein Bild machen – damit ist ja vielleicht auch die festgefügte Vorstellung davon gemeint, wie Menschen sind und aus Sicht der Wirtschaft auch bleiben sollen.

Man könnte ja mal fragen, warum sie in Freiburg überhaupt zu dieser Entscheidung gekommen sind. Ich weiß, in Zeiten von Empörungsjournalismus und Kampf um jeden Klick ist das ein fast schon rührender Vorschlag. Wie viel leichter ist es, einfach loszuledern! Man nehme etwas vom Klischee der Bevormundungspolitik (erinnert sei an den Veggie Day), verquirle es mit halbgarer Wissenschaft (vegetarische Ernährung führt geradewegs zu Mangelerscheinungen) und bringe das Ganze genüsslich zum Siedepunkt, indem man es zur freiheitspolitischen Schicksalsfrage stilisiert (wir wollen selbst entscheiden, was wir essen). Die Kommentare schreiben sich mit diesen Zutaten fast von selbst. Gerade in den vermeintlich sozialen Medien trifft man auf diese toxische Rezeptur.

Aber ausgerechnet auch der gebührenfinanzierte Südwestrundfunk – wie alle Öffentlich-Rechtlichen unter politischem Druck – setzte auf Empörung. „Vegetarische Ernährung ist eine Lebenshaltung, mit der viele eine Ideologie verbinden“, begann der Kollege seinen Kommentar im Sonntagsmagazin. Zwar blinkte er kurz links – weniger Fleischkonsum sei durchaus besser –, aber das gehe nur über Aufklärung, nicht über Bevormundung. Interessant, dass diese Argumentation bei anderen Lebensthemen nicht zu gelten scheint ... Getoppt wird das nur durch den baden-württembergischen Landwirtschaftsminister Peter Hauk, der Eltern nahelegte, gegen den Gemeinderatsbeschluss zu klagen.

Wen es interessiert: Für die Freiburger Stadtväter und -mütter waren vor allem Kostengründe ausschlaggebend. Gutes Essen mit Bio-Anteil hat eben seinen Preis. Und den hält man mit Pflanzenkraft niedrig. Es ist tatsächlich so banal. Übrigens wird auch in Freiburg kein Kind heimgeschickt, wenn es ein Leberwurstbrot mitbringt. Aber bei manchen Themen liegen die Nerven einfach blank. Sicher, es gibt viel, das Empörung verdient. Das vegetarische Schulessen gehört nicht dazu.

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