Der nahe Fremde: Jesus begegnen„Ihm glaube ich Gott“

Anstiftend und perspektivenreich: Andreas R. Batlogg hat ein etwas anderes Jesus-Buch geschrieben.

Die einen sind mit ihm charismatisch auf Du und Du – beneidenswert oder verdächtig. Andere kennen bestenfalls noch seinen Namen, aber von einer persönlichen Vertrautheit kann keine Rede mehr sein. Jesus ist der Unbekannte. Selbst bei denen, die a-theistisch nach Gott fragen, herrscht eine bezeichnende Jesusvergessenheit. Und doch steht und fällt das Christentum mit dieser Person und der Beziehung zu ihr. „Mitten unter euch steht einer, den ihr nicht kennt“ – das gilt vor- wie nachchristlich, und oft auch unter Christenmenschen.

Dazu kommt, dass das Zentralbekenntnis aller Christen und Kirchen – Jesus sei „wahrer Gott und wahrer Mensch“ – meist nur noch als „hybrides Gemisch“ (Alex Stock) (miss-)verstanden wird. In diesem „Niemandsland zwischen Verrat und Verkündigung“ (Ilse Aichinger) gilt es, neu zu ertasten, wer der Fremde aus Nazareth ist und sein könnte.

Exegetische und dogmatische Jesus-Bücher gibt es jede Menge. Deren Ertrag aber schöpferisch mit den geistlichen Traditionen und der eigenen Sehnsuchtsgeschichte zeitgemäß zusammenzubuchstabieren, gelingt viel seltener. Genau deshalb ist dieses Buch so anstiftend und perspektivenreich. Ausdrücklich geht es um Begegnung, um persönliches Suchen und schließlich gar Bekennen. Die Collage-Technik mit 33 unterschiedlichen Anwegen, die sehr gut auch einzeln zu begehen sind, entspricht diesem Gestus behutsamer Annäherung. Zudem zeigt Andreas Batlogg, wie man auch anspruchsvolle Themen allgemein verständlich und sogar leichtfüßig vermitteln kann. Die vielen kostbaren Zitate des belesenen Autors bringen zusätzlich Farbe in die Darstellung und belegen das hohe Maß an Zeitgenossenschaft.

Eindeutig geht es um das Lebensthema Batloggs, der nicht zufällig eine wegweisende Promotion über die Mysterien des Lebens Jesu in der Theologie Karl Rahners geschrieben hat. Immer geht es um Gleichzeitigkeit mit Jesus über den historischen und hermeneutischen Abstand hinweg, beziehungsweise besser: hindurch. Der vergangene Jesus ist stets der vorübergehende mit der zärtlichen Einladung: „Halte mich nicht fest“, sondern „Geh mir nach“.

Ganz im Sinne ignatianischer Spiritualität beschreibt und empfiehlt der Jesuit Batlogg „schlicht menschliche“ Begegnungen mit diesem Jesus der Evangelien (und der Glaubensgeschichte seitdem). Man kann durchaus an die glaubensphänomenologische Sichtweise Romano Guardinis denken. Kein Jesuanismus also, kein vorkritisches Jesusverhältnis, aber auch nicht jenes historisch-kritische Ver- und Entfremden, das vor lauter Fragen und Fragmentierungen keine Gestalt mehr erkennen ließe, mit der und durch die man heute „getröstet wunderbar“ leben und sterben könnte. Dass Batlogg dazu auch persönliche Erfahrungen einflicht, macht das empfehlenswerte Buch ebenso informativ wie berührend. Kurt Martis Jesus-Bekenntnis wird von Batlogg nicht nur zitiert, sondern erweist sich eindrücklich als wahr: „Ihm glaube ich Gott“.

ANDREAS R. BATLOGG: JESUS BEGEGNEN
Suchen – finden – bekennen
Kösel Verlag, München 2021, 320 Seiten, 22 €

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