TempelreinigungRäuberhöhle Kapitalismus?

Nein, Jesus ist wahrlich nicht nur der sanfte, weichgespülte Wanderprediger. Das Evangelium des dritten Fastensonntags konfrontiert uns mit einem völlig anderen Bild.

Jesus, kochend vor Wut und entbrannt in heiligem Zorn, räumt im Vorhof des Tempels auf. Dort trifft er auf Händler und Geldwechsler, die ihr Geschäft mit den Pilgern treiben, die ein Tier als Opfergabe kaufen oder ihre Tempelsteuer entrichten wollen und dafür ihr Geld in die Tempelwährung wechseln müssen. Business as usual. Das allein ist es scheinbar noch nicht, was Jesus so zornig werden lässt. Vielmehr ist dieser Vorhof des Tempels zu einem Ort geworden, wo Wucher und Betrug das Geschehen bestimmen. Deswegen sein Ausruf: „Macht das Haus meines Vaters nicht zur Markthalle!“

Schnell könnte man meinen, dass Jesus damit grundsätzlich klären will, dass Kult und Handel, Religion und Wirtschaften nicht zusammenpassen. Es gibt diverse Stellen in der Bibel, die die Menschen scheinbar vor die klare Alternative Tempel oder Markthalle, Gott oder Mammon stellen, wobei der Dualismus für Christen bereits klar entschieden zu sein scheint. Doch eine so simple biblische Grundentscheidung lässt sich nicht aufrechterhalten, empfiehlt Jesus doch auch: „Machet euch Freunde mit Hilfe des ungerechten Mammon“ (Lk 16,9), und pocht er doch auf den getreuen Umgang auch mit eben diesem.

Wie können wir Christen vor diesem Hintergrund wirtschaften? Diese Frage beschäftigt die Menschen schon von Beginn des Christentums an – die Apostelgeschichte berichtet vom Urkommunismus, die Klöster lebten Gütergemeinschaft, aber sie entwickelten sich auch teilweise zu prosperierenden Unternehmen. Heute, in einer modernen, größtenteils marktwirtschaftlich orientierten Welt, die in ihren Wirtschaftsstrukturen nicht ohne Wettbewerb, nicht ohne Zinsen und nicht ohne Geld auskommt, ist die Kirche auch in diese Strukturen verwoben, was zweifellos an vielen Stellen zum Problem wird. Die Kirche in Deutschland ist wahrlich nicht arm. Geld spielt eine große Rolle, egal, ob wir die Kirchensteuer nehmen oder die Kollekten der großen Hilfswerke, ob wir auf kirchliche Banken oder die Caritaseinrichtungen schauen. Steht das per se im Widerspruch zur Botschaft des Sonntagsevangeliums?

Jesus warnt davor, den Tempel zu einer Markthalle zu machen – bei den Synoptikern ist die Rede von der „Räuberhöhle“. Die terminologische Veränderung zeigt uns deutlich, worum es geht: Wenn die Markthalle der Ort wird, wo Menschen übers Ohr gehauen werden, wo der maximale Gewinn zählt, dann nimmt diese Markthalle den Charakter einer Räuberhöhle an, in der Menschen Schaden zugefügt und ihre Würde verletzt wird.

Jesu Zorn lässt mich als Sozialethikerin die Verbindung zu Papst Franziskus und seiner Aussage „Diese Wirtschaft tötet“ (EG 53) herstellen. Mit dieser Formulierung in seiner „Regierungserklärung“ Evangelii gaudium sorgt er bis heute für Diskussionen. Auch wenn es später differenziertere Aussagen von ihm zur Bedeutung des Marktes gibt, bleibt er doch sehr deutlich bei seiner pointierten Kritik am „neoliberalen Credo“ (Fratelli tutti 168), das uns glauben machen wolle, dass der Markt allein alle gesellschaftlichen Probleme löst. Er spricht ein deutliches „Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der Disparität der Einkommen“ (EG 53), durch die Menschen aus der Gesellschaft ausgeschlossen sind und zu Müll und Abfall werden (vgl. EG 53). Er kritisiert, dass der alte Mann, der auf der Straße sein Dasein fristet, keinerlei Aufsehen erregt, während eine Schwankung der Börsenkurse um zwei Punkte Schlagzeilen macht. Sind da nicht wirklich Prioritäten deutlich verschoben?

Wenn unser business as usual die wirtschaftlich nicht so Erfolgreichen nicht auch gesellschaftlich abschreibt, wenn wir wirtschaften, um mit dem Gewinn auch Armut zu beseitigen und solidarisch mit den bedürftigen Gruppen zu sein, dann machen wir die Markthalle nicht zur Räuberhöhle, sondern zu einem würdigen Bestandteil des Hauses des Vaters. Und schließlich (da schließe ich mich „Maria 2.0“ an): Wenn wir in der Kirche selbst dubioses Finanzgebaren aufgeben und solidarisch mit dem anvertrauten Vermögen umgehen, gewinnen wir an Glaubwürdigkeit – im Tempel und in der Markthalle.

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