Ostern als zentraler Inhalt des ganzen Kirchenjahres und der ganzen LiturgieDas immer neue Hier und Heute

Der Kern des christlichen Glaubens ist der Glaube an Jesus Christus, den Gott, der Vater, gesandt hat, um die Menschen zu retten. Christus hat für uns gelebt, gelitten, ist für uns am Kreuz gestorben, wurde begraben und ist auferweckt worden (vgl. 1 Kor 15,3–5).

Die Menschen fanden in diesem Glauben Hoffnung und Zuversicht und haben ihn auf verschiedene Weise weitergegeben: Sie haben anderen davon erzählt, was sich später in schriftlichen Aufzeichnungen niedergeschlagen hat. Gemäß dem Auftrag Jesu („tut dies zu meinem Gedächtnis“) haben sie an Jesus Christus in einer feierlichen und ritualisierten Handlung erinnert und ihrer Freude Ausdruck gegeben. Bei diesen Feiern wurde das Tun Christi aufgegriffen: Er beging mit seinen Jüngern ein feierliches Mahl, vielleicht ein Paschamahl, das in der jüdischen Tradition mit der Erinnerung an die Befreiung aus der Sklaverei Ägyptens verbunden wird. Im Herrenmahl der Christen ging es immer darum, an den Herrn Jesus Christus und sein Pascha, also sein Leiden, seinen Tod, seine Auferstehung, Himmelfahrt und die Geistsendung zu erinnern. Dadurch wissen sich die Christen aus der Sklaverei des Todes und der Sünde befreit. Über einige Zeit hinweg wurde das Heilswirken Christi allein mit seinem Kreuzestod verbunden und der größere Zusammenhang mit den anderen Heilswerken nicht gesehen. Im 20. Jahrhundert setzte sich vor allem durch die Forschungen von Odo Casel zur Mysterientheologie die Auffassung durch, dass das ganze Dasein Jesu heilsbedeutend ist, insbesondere Leiden, Tod, Auferstehung, Himmelfahrt und Geistsendung. In diesem Sinn spricht auch die Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils vom „Pascha-Mysterium“ und bringt es in Zusammenhang mit der Liturgie: In ihr ereignet sich das Pascha-Mysterium Christi immer wieder neu und wird für die Menschen zugänglich und fruchtbar (vgl. SC 7).

Christus, unser Pascha, durch die Liturgie in unserer Mitte

Die theologische Aufgabe der Liturgie beschreibt die Liturgiekonstitution damit, das Pascha-Mysterium Christi für die Menschen zugänglich zu machen. In der Feier der Liturgie dürfen die Menschen das Wirken Gottes und seiner Gnade erfahren. In der Liturgie ist gleichsam das Heil Gottes für uns Menschen aufgespart und wird in ihrer Feier gegenwärtig und wirksam. Aus diesem Grund ist die Liturgie ein zentrales Tun der Kirche: Um der Menschen willen, die so am Heil Gottes teilhaben und um Gottes willen, dem Dank und Verehrung zukommt. Es muss in der Liturgie also immer um das Pascha-Mysterium gehen. Wäre das nicht mehr der Fall, wäre es keine christliche Liturgie mehr. Die Liturgie zeigt also in verschiedenster Weise das Pascha-Mysterium Christi. Die Liturgiekonstitution formuliert: „im Kreislauf des Jahres entfaltet [die Kirche in ihrer Liturgie] das ganze Mysterium Christi“.

Christus ist auferstanden – das Pascha- Mysterium an Ostern

Ostern feiern wir einmal im Jahr – es ist das Pascha – die Feier des Leidens Christi, seines Todes und seiner Auferstehung und Himmelfahrt sowie der Geistsendung. Anfänglich war die Feier von Ostern eine einzige Nacht lang. Diese umfasste alles: sowohl die Trauer, die das Gedächtnis des Leidens, des Todes und der Grabesruhe Christi begleitet hat und durch Fasten unterstrichen wurde, als auch die glorreiche Auferstehung, die voller Freude begangen wurde. Im vierten Jahrhundert hat sich die Feier ausgedehnt und wurde schließlich zum Osterfestkreis, so wie wir ihn heute kennen. Die Vorstellung dahinter ist es, Christus durch eine möglichst eng an den Berichten der Evangelien orientierte Feier nahe zu sein, seinen Weg durch Leiden, Tod bis zur Auferstehung ganz eng mitzugehen. Diese Idee geht auf die Liturgie Jerusalems und deren Feier im vierten Jahrhundert zurück. Die Osterfeier hat heute nach wie vor ihr Zentrum in der Osternacht. Das, was einst eine Nacht lang gedauert hat, erstreckt sich heute auf die heiligen drei Tage – das Triduum: von der Liturgie des Letzten Abendmahles am Gründonnerstag über die Feier von Leiden und Tod am Karfreitag und die Grabesruhe am Karsamstag zur Feier der Auferstehung in der Osternacht, am Ostersonntag bis zur Auferstehungsvesper am Ostersonntagabend. Die Zeit von Ostern bis Pfingsten ist eine einzige große Osterfeier. In allen möglichen Schrifttexten wird das Ostereignis durchfeiert, durchbetet, durchmeditiert, damit sie das Leben der Christen durchdringt. Die Himmelfahrt und Geistsendung schließen die Feier ab und stellen aber doch wiederum nur den Anfang dar, das Osterereignis in die Zeit des Alltags hinüberzutragen, also in der Zeit des Jahreskreises zu feiern und damit ernst zu nehmen. Vor Ostern entstand die österliche Bußzeit mit dem Ziel, das Osterfest durch eine Zeit der Umkehr und der Buße vorzubereiten: für alle Christen, insbesondere aber für die, die in der Osternacht durch die Sakramente der Taufe und Firmung sowie den ersten Kommunionempfang zu Christen werden wollen. Entsprechend ist die Fastenzeit thematisch geprägt. Ostern ist der Zeitpunkt der Taufe, weil die Taufe aus der Sklaverei der Sünde befreit und das ewige Leben in Gott schenkt. Man könnte die Taufe als persönliches Ostern verstehen. Mit der Taufe wird ein Mensch hineingenommen in den Tod, vor allem aber das Leben Christi. Die verschiedenen Bedeutungen der Taufe und damit des Osterereignisses werden an den Fastensonntagen, vor allem im Lesejahr A, feiernd vorgestellt. Die Mitfeiernden werden eingeladen, die Taufe zu empfangen oder sie im Sakrament der (Wieder-)Versöhnung zu erneuern: beides Ausdruck der persönlichen Anteilhabe am Pascha-Mysterium Christi.

Ostern jeden Sonntag feiern

„Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt“ (Joh 20,26), berichtet das Johannesevangelium vom Sonntag nach Ostern. Wenn dies auch erst viel später niedergeschrieben wurde, so zeigt diese Aussage dennoch eine bemerkenswerte Dynamik auf: Die Jüngergemeinde suchte ihren Zusammenhalt und hat sich deshalb versammelt: am Tag der Auferstehung, eine Woche (acht Tage) später, dann wieder eine Woche später – und so fort. Bis heute lückenlos. In all dieser Zeit haben die versammelten Gläubigen immer das Gleiche getan: das Wort gehört und miteinander Mahl gehalten – beides als eine Vergegenwärtigung Jesu Christi, seines Todes und seiner Auferstehung, also des Pascha- oder Osterereignisses

Die herausragende Bedeutung der Auferstehung und des Sonntags kann nach dem Deutschen Messbuch durch einen Abschnitt des Hochgebetes unterstrichen werden: „Darum kommen wir vor dein Angesicht und feiern in Gemeinschaft mit der ganzen Kirchen den ersten Tag der Woche als den Tag, an dem Christus von den Toten erstanden ist.“

Der Sonntag als kleines, wöchentliches Osterfest wird noch in einer anderen Liturgie deutlich hervorgehoben, die allerdings nicht sehr oft gefeiert wird: In der Sonntagsvigil der römischen Liturgie wird immer ein Auferstehungsevangelium verkündet, das ganze Jahr über, um die Auferstehungsthematik mit der Liturgie des Sonntages zu verknüpfen. Die jüngste Revision der ambrosianischen Liturgie Mailands hat diesen Bezug in die Vorabendmesse des Sonntags eingebaut: Dort beginnt jede Vorabendmesse mit einer kurzen Vigil, die unter anderem ein Auferstehungsevangelium umfasst, um gerade diesen Zusammenhang herzustellen: Jede Nacht vom Samstag auf den Sonntag ist eine kleine Osternacht, in jeder dieser Nächte dürfen wir dankbar der Auferstehung Jesu Christi gedenken.

Ostern jeden Tag feiern

Die Christen haben schon früh angefangen, den Tagesverlauf an verschiedenen Stellen mit gemeinsamen und privaten Gebeten zu gestalten. Ziel war dabei einerseits, der Aufforderung Jesu „Betet ohne Unterlass!“ (Lk 18,1; 1Thess 5,17) nachzukommen, andererseits aber auch die Verbindung Gottes in Jesus Christus mit dem alltäglichen Leben plausibel erfahrbar werden zu lassen, das heißt, Stationen des Lebens Jesu mit dem eigenen, persönlichen Leben in Zusammenhang zu bringen.

Das früheste Zeugnis für eine weitgehende Zuschreibung der verschiedenen Gebetszeiten als Gedächtnis des Heilshandelns Jesu findet sich in der sogenannten Traditio Apostolica, einer Beschreibung des christlichen Lebens aus dem Beginn des dritten Jahrhunderts. Darin werden verschiedene gemeinschaftliche und private Gebetszeiten beschrieben und gedeutet. Die Gebetszeit beim Hahnenschrei am frühen Morgen soll an die Auferstehung Jesu erinnern, das Gebet zur dritten Stunde (um 9 Uhr) daran, wie Jesus Christus ans Kreuz genagelt wurde; ein kräftiges Gebet zur sechsten Stunde (um 12 Uhr) erinnert an die Finsternis, die wegen des Leidens Jesu über das Land fiel und der Lobpreis zur neunten Stunde (um 15 Uhr) gilt dem Tod Jesu und dem Lanzenstoß. Diese Verbindung von Gebetszeiten mit präzisen Ereignissen aus dem Leben Jesu wurde im Laufe der Zeit noch weiter verfeinert und ausgebaut. Bis heute hält das Stundengebet an der Commemoration der Heilsereignisse zu bestimmten Gebetszeiten fest. Diese zeigt sich vor allem in den Hymnen und Orationen. Auf diese Weise wird das Pascha-Mysterium mit dem Verlauf jedes Tages verbunden.

Aus verschiedenen Gründen haben sich im Mittelalter neben den Gebetszeiten zu verschiedenen Tageszeiten, die zunehmend nur mehr in den Klöstern und von den Priestern befolgt wurden, weitere Gebetsformen gebildet. Der Heilige Franziskus erlaubte denjenigen, die die Psalmen nicht beten konnten, diese durch eine Anzahl von Vaterunser oder Ave Maria zu ersetzen. Und der gleiche Heilige regte auch an, die Gläubigen durch ein Glockensignal zu verschiedenen Tageszeiten zum Gebet einzuladen – das waren die Vorformen des Angelus und des Rosenkranzes.

Der Text unseres heutigen Angelus erinnert lediglich an die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus. Das war nicht immer so. In einer frühen Form des Angelus im Gebetbuch des Hl. Petrus Canisius aus dem 17. Jahrhundert finden sich verschiedene Gebete am Morgen, Mittag und Abend, die das ganze Heilswerk, das ganze Pascha-Mysterium Christi in Erinnerung rufen. Einerseits ist die Beschränkung auf die Menschwerdung im Angelus ein Verlust, andererseits hat es die einfache und immer gleiche Form ermöglicht, dass sich dieses Gebet so verbreiten konnte.

Ganz ähnlich die Entwicklung beim Rosenkranz. In frühen Formen wurde ausführlich das Leben Jesu in den Clausulae („Geheimnissen“) erinnert, bis zu 100 verschiedene Aussagen über das Leben und Heilswirken Jesu sind überliefert. Erst die Reduktion auf die klassischen drei Fünfer-Gruppen brachte dem Gebet die weite Verbreitung des Volksgebetes. Menschwerdung – Leiden und Tod – Auferstehung und Geistsendung sind in diesem Prozess die Kernpunkte geblieben. Auch hier lässt sich schön sehen: Die einfache Handhabbarkeit brachte einerseits einen Verlust an Inhalt, andererseits aber die weite Verbreitung. Und geblieben ist trotzdem das Gedächtnis an das Heilswerk Jesu Christi, an sein Pascha-Mysterium.

Bei all den liturgischen Formen lässt sich eine verbindende Linie feststellen: Es geht immer darum, das Gedächtnis an das Pascha-Mysterium in verschiedenen Formen auszudrücken, zu erinnern und sich zu vergewissern: Gott wirkt in Jesus Christus sein Heil für die Menschen. Das, was einst an Ostern angefangen hat, wird zu einem immer neuen Hier und Heute.

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