Weltkirche für junge Menschen greifbar?„Der Jugend“ eine Synode

Das erste Mal in ihrer Geschichte nimmt die katholische Kirche die jungen Menschen weltweit bei einer Synode in den Fokus. Dabei gibt sich der Vatikan erkennbar große Mühe, die Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 16 und 29 Jahren direkt zu erreichen. Ob katholisch, andersgläubig oder nicht religiös: Papst Franziskus möchte wissen, wie die Kirche ihnen zur Seite stehen kann. Wie sieht der Weg zur Jugendsynode im Oktober 2018 aus? Wie soll die Mitwirkung der jungen Menschen in Deutschland und weltweit geschehen? Was wäre ein Erfolg?

Welch kühner Gedanke! Der Papst fragt junge Menschen persönlich: Was erwartest du von der Kirche? Wie glaubst du? Wie kann dir die Kirche helfen? Der Papst als Hörender. Die Amtskirche schweigt und hört jungen Menschen, getauft wie ungetauft, zu: Wie kann ich für dich da sein?
Mit der 15. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode zum Thema „Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsunterscheidung“ nimmt die Weltkirche ebendiese in den Blick. Es soll greifbar werden: Kirche ist mehr als ein Gebäude, Verbote und Priester. Kirche versucht, ehrlich Heimat zu sein für junge Menschen.

Erste Schritte auf dem Weg zur Jugendsynode

Zur Vorbereitung der Jugendsynode fragte der Vatikan mit einer Online-Umfrage direkt bei den jungen Menschen nach. Die Umfrage wurde vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) mit ins Deutsche übersetzt. Von Juli bis Dezember 2017 nahmen laut Vatikan weltweit 221.000 Perso nen teil, vollständig beantwortet haben diesen 30-minütigen Fragebogen insgesamt 100.500 Personen, davon mehr als die Hälfte aus Europa. Gut die Hälfte von ihnen war den Angaben zufolge zwischen 16 und 19 Jahre alt, es nahmen 58.000 Frauen und 42.500 Männer teil. Der BDKJ bewarb mit einer Postkartenaktion die Umfrage. Diese Postkarten lagen an Orten aus, an denen junge Menschen sich begegnen. Man konnte in Bars und Kneipen also Papst Franziskus treffen. Gründe für die eher geringen Beteiligungszahlen können nur vermutet werden: schwierige, nicht leicht verständliche Fragen, die langwierig zu beantworten waren. Es ist zu hoffen, dass die Ergebnisse für die einzelnen Bischofskonferenzen aufgeschlüsselt trotz der geringen Beteiligung veröffentlicht werden. Direkt bei den jungen Menschen nachzufragen, war auf jeden Fall ein neuer, richtiger Ansatz.
Neben der Online-Umfrage befragte der Vatikan auch die Bischöfe. Die Antwort aus Deutschland wurde Anfang November 2017 veröffentlicht. Mit der Veröffentlichung und Transparenz kamen die Bischöfe in Deutschland einem bedeutenden Anspruch und zentralen Anliegen junger Menschen, trotz deren sehr unterschiedlichen und vielfältigen Lebenswelten entgegen: Der Glaubwürdigkeit von Kirche in Wort und Tat. Zur Glaubwürdigkeit braucht es neben klaren Verfahren vor allem Transparenz. Die ehrliche Antwort der Oberhirten in der Bundesrepublik zeigt, dass die Kirche nicht unfehlbar ist, sie Schwächen und Fehler hat. In Studien wie der Sinus-Milieu-Studie 2016 zeigt sich, dass Jugendliche und junge Erwachsene sich eine glaubwürdige, zugewandte und selbstkritische Kirche wünschen. Für Mitbestimmung und Glaubwürdigkeit stehen auch die Jugendverbände ein, die im Antwortschreiben als Beispiel für gelungene Jugendpastoral genannt werden. Mit der 72-Stunden- Aktion unter dem Motto „Uns schickt der Himmel“, bei der sich junge Menschen drei Tage lang für eine gute Sache einsetzen, wird das tagtägliche Engagement in den Jugendverbänden deutlich nach außen sichtbar.

Vorsynode: Der Vatikan geht digitale Wege

Eine große wie erfreuliche Überraschung war die Ankündigung einer Vorsynode durch Papst Franziskus im Oktober 2017. In Rom kamen im März dieses Jahres 300 junge Menschen aus der ganzen Welt zusammen, um die Jugendsynode mit vorzubereiten. Hier ist es wichtig, dass es klare Verfahren und Verbindlichkeit gibt.
Der Vatikan wagt über ein Treffen junger Menschen in Rom einen weiteren zukunftsweisenden wie begrüßenswerten Schritt: Neben der Vorsynode in Rom wird jungen Menschen weltweit die Möglichkeit gegeben, über Facebook-Gruppen in sechs verschiedenen Sprachen, darunter auch auf Deutsch, Anliegen, Wünsche und Anregungen mitzugeben. Unter 15 Hashtags („#“) soll zu verschiedenen Schlagwörtern auf Fragen des Vatikans eingegangen werden.
Das Treffen in Rom wie auch die Beteiligung über Facebook sollen in einem Vorbereitungsdokument zur Jugendsynode im Oktober zusammengefasst werden.
Es sind neue Wege, die der Vatikan mit den Instrumenten der Beteiligung geht: Zum ersten Mal wirken junge Menschen direkt auf dem Weg zu einer Synode mit. Mit der Versammlung in Rom wie der Arbeit über die Sozialen Medien kann ein qualitativer wie quantitativer Rahmen für die Jugendsynode unter Mitwirkung junger Menschen geschaffen werden. Damit von einer wirklichen und wirksamen Beteiligung gesprochen werden kann, muss der Beitrag der jungen Menschen einen wesentlichen und verbindlichen Charakter bei der Jugendsynode im Oktober haben. Denn wie die Kirche der Jugend etwas zu sagen hat, so hat die Jugend der Kirche ebenso etwas zu sagen. Hier ist ein Dialog auf Augenhöhe wichtig.
Besonders die Online-Beteiligung ist ein guter Ansatz, wenngleich die Wahl des sozialen Netzwerks Facebook nicht optimal ist: Ein Großteil der jungen Menschen unter 20 Jahren ist auf Facebook nicht vertreten. Die Entscheidung zu geschlossenen Facebook-Gruppen muss nun, nach der Vorsynode, überprüft werden und darf kritisch gesehen werden. Grundsätzlich sind die „neuen Wege“ des Vatikans, die Vorsynode in Rom wie die digitale, niederschwellige Mitbestimmung der richtige Weg. Zeitgleich müssen der Rahmen, die Regeln und die Abläufe klar, fair und transparent sein. Der Beitrag der Einzelnen muss nachvollziehbar und ins Gesamtbild einzuordnen sein. Die Kirche kann sich mehr Mut zur Offenheit erlauben. Diese Instrumente sollten ausgeweitet und auch über die Jugendsynode hinaus etabliert und weiterentwickelt werden.

Was junge Menschen sich wünschen

Die Jugendsynode legt den Fokus auf junge Menschen. Auch der Weg zeigt den Wunsch des Vatikans, junge Menschen weltweit einzubeziehen. Doch was dürfen Jugendliche und junge Erwachsene von der Kirche in Deutschland erwarten?
Die Kirche macht jungen Menschen in Deutschland verschiedene Angebote und kann 15 jugendpastorale Felder vorweisen. Die Sinus-Milieu-Studie wie die Shell-Jugendstudie zeigen, dass junge Menschen ein starkes Gerechtigkeitsempfinden haben und auf der Sinnsuche sind. Hier kann die Kirche starke Antworten bieten, beispielsweise im Einsatz für Menschen an den Rändern der Gesellschaft, weil im Nächsten Gott erkennbar ist. Der Glaube muss jedoch erfahrbar und für den eigenen Lebensweg als hilfreich wahrgenommen werden. Glaube – und die Kirche – müssen in der eigenen Lebenswelt eingeordnet und in Bezug gesetzt werden. Jugendliche und junge Erwachsene unterscheiden dabei zwischen Glaube und Institution. Antworten auf die großen Fragen müssen nachvollziehbar sein.
Hier ist eine verständliche Sprache zu finden und eine offene Diskussionskultur notwendig. Das betrifft vor allem auch den Diskurs zu „heißen Eisen“, beispielsweise dem Zugang von Frauen zu Weiheämtern oder den Umgang mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Es reicht nicht, sich auf eine Amtsautorität zu berufen. Widersprüche und Ungereimtheiten müssen klar benannt und diskutiert werden dürfen, auf Augenhöhe, auf allen Ebenen von Kirche. Junge Menschen wollen mehr sein als Zaungäste. Auch deshalb fordert der BDKJ, dass bei der Jugendsynode im Oktober so viele Jugendvertreterinnen und Jugendvertreter wie Bischöfe teilnehmen. Als Expertinnen und Experten ihrer Lebens- und Glaubenswelt können junge Menschen selbst sprechen und mitgestalten.
Kirche kann Begleiterin für den eigenen Lebens- und Glaubensweg sein.
Junge Menschen wollen wirken. Sie möchten – meist aus einem inneren Antrieb, einem Glauben oder einer Überzeugung heraus – die Welt zum Besseren verändern. Hier lässt sich für Jugendliche und junge Erwachsene validieren, ob Kirche Antworten bietet. Im Engagement für die Eine Welt, in konkreten Projekten und mit glaubwürdigen Personen können junge Menschen Gestaltende sein. Die Kirche bietet Handlungsfelder und Angebote.

Jugend in der Kirche

Junge Menschen können für den Glauben in der Kirche begeistert werden. Über die Jugendsynode hinaus stellt sich die Frage: Wo sind junge Menschen in der Kirche, wo finden sie Raum? Dort, wo junge Menschen einen Bezug zwischen Leben und Glauben herstellen können. Kirche, deren Vertreterinnen und Vertreter, müssen Begleitung für das Leben bieten können. Die Institution steht in der Welt. Dieser Lebensweltbezug muss deutlich werden. Junge Menschen müssen als Expertinnen und Experten wahrgenommen werden. Sie verfügen zumeist bereits über einen Glauben und Glaubensverständnis, der nicht zuvorderst in Kategorien wie richtig oder falsch eingeordnet werden darf, wenn er einem bestimmten Muster nicht entspricht. Der junge Mensch muss mit seinem Glaubensleben in die Kirche kommen können, dieses Glaubensbild in der Gemeinschaft weiterentwickeln und verändern können. In einem partnerschaftlichen Miteinander auf Augenhöhe, in Bezug zu den eigenen Erfahrungen und im Austausch mit Gleichaltrigen wie qualifizierten pastoralen Kräften, beispielsweise Geistlichen Verbandsleiterinnen und Verbandsleitern im Jugendverband.

„Vor Ort“ – pastorale Orte (neu) entdecken

Die Gesellschaft, auch in Deutschland, wird immer komplexer und vielfältiger. Gleichzeitig wird in der Kirche ein Strukturwandel deutlich. Gemeinden verändern sich, werden größer. Junge Menschen sind mobil, wägen Angebote ab. Sie sind nicht nur im Dorf oder der Stadt zuhause. Junge Menschen halten sich an vielen Orten auf: Schule, Universität, Betrieb, Sportverein, Jugendtreff, online. „Vor Ort“ sein ist nicht nur die Gemeinde zuhause – der Aufenthalt und die Lebenswelt findet in vielen Orten, analog wie digital – statt. Gerade deshalb verdienen Jugendverbände, besonders in Zeiten der Veränderungen von pastoralen Räumen in den Gemeinden und der territorialen Vergrößerung von Pfarreien, in der Kirche neu in den Blick genommen und wertgeschätzt zu werden. Sie wirken an vielen bekannten und „neuen“ pastoralen Orten und sind gelebte Kirche: in der Gemeinde, in der Diözese, in Schulen, in Jugendtreffs, vor Ort und digital. Jugendverbände sind Heimat für Suchende. Sie sind in der Welt und Ort von Kirche. Sie bieten sicheren Raum für die Suche nach Glauben, Gemeinschaft und Geborgenheit. Für Fragen, Zweifel und Ängste findet man hier Ansprechpartnerinnen und -partner und einen realen Lebensweltbezug. Sie bieten Grundlage für Selbstwirksamkeit und den Einsatz für andere.
Kirchliche Räume, wie die Jugendverbände, bedürfen einer professionellen hauptamtlichen Begleitung. Auf dem Weg zum Glauben, in der Gemeinschaft und mit anderen sind qualifizierte berufliche pastorale Kräfte unverzichtbar.
Durch Mitwirkung und Mitbestimmung erfahren junge Menschen im Jugendverband Selbstwirksamkeit. Sie übernehmen Verantwortung für das eigene Leben und für die Gemeinschaft. Durch Projekte wie die 72-Stunden-Aktion wird gemeinschaftlich gesellschaftliches Wirken aus dem Glauben heraus erfahrbar. Eine Beziehung zu sich, den Menschen und zu Gott ist hier möglich.

Erfolg der Jugendsynode

Die Jugendsynode, der Weg dahin und die Initiative des Vatikans zeigen: Kirche bewegt sich, sie kann auf junge Menschen eingehen, wenn sie möchte. So können Impulse für junge Menschen, pastorale Kräfte und die ganze Kirche ausgehen. Kirche braucht die Jugend für ihre Zukunft, so wie die Kirche Jugendlichen Heimat bieten kann. Mit der Jugendsynode nimmt der Vatikan genau das in den Blick.
Ich spüre, dass Papst Franziskus in diesem, den jungen Menschen besonders gewidmeten Jahr ehrlich Hörender sein will. Junge Menschen als Expertinnen und Experten ihrer Lebenswelt und ihres Glaubens anhören ist ein ermutigendes Signal, auch in Hinblick auf eine gemeinsam verantwortete synodale Kirche aller Gläubigen. Für den Erfolg müssen nicht alle großen Probleme gelöst werden. Ein wichtiger erster Schritt ist die ehrliche Diskussion darüber. Eine Kirche ohne Angst vor der Diskussion ist glaubwürdig. ‚
In Deutschland haben wir verschiedene Wege und Möglichkeiten, junge Menschen für die Botschaft des Evangeliums zu begeistern und den Glauben als eine Antwort auf Sinnfragen anzubieten.
Die Sehnsucht junger Menschen nach Glauben und Sinnstiftung lassen sich in der Kirche verwirklichen. Kirche muss glaubwürdig, sprachund diskussionsfähig sein. Reibung und Ringen um die Beantwortung zentraler Fragen muss möglich sein. Diese Herausforderung betrifft alle Gläubigen. Kirche kann auf allen Ebenen bis zur Weltkirche erfahrbar sein. Kirche kann Heimat für junge Menschen sein.

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