Gottesdienst am 28. Januar 2024Gottes Schatz - verborgen in irdenen Gefäßen

Letzter Sonntag nach Epiphanias 2. Korinther 4,6-10

Gottes Schatz - verborgen in irdenen Gefäßen
© Dorothea Layer-Stahl

„Hier ist es so heiß, dass ich den Tag nur in abgedunkelter Wohnung überstehe. Selbst nach Sonnenuntergang ist der Balkon so aufgeheizt, dass ich ihn nicht benutzen kann. Dadurch sind manche Tage ziemlich lang und manchmal auch langweilig.“ So schrieb mir eine ältere herzkranke Freundin an einem der heißen Tage des Sommers 2023. Gerade an diesen sonnigen und lichterfüllten Tagen musste die Frau mit künstlichem Licht in ihrer abgedunkelten Wohnung sitzen. Aber trotz dieser und manch anderer ihr auferlegten Einschränkungen schenkt ein inneres Licht ihr Zufriedenheit. Gespräche mit ihr bereichern mich. Sie klagt niemals. Sie nimmt ihren Alltag wie er ist und gestaltet ihn mit den ihr möglichen Mitteln so, dass ihre Zuversicht andere ermutigt. Im Verlauf ihres Lebens hat sie, die ihre Kindheit in der ehemaligen DDR ohne Religionsunterricht verbrachte, immer mehr zu einem tiefen Gottvertrauen gefunden. Aus eigenem Erleben kennt sie das Licht, das Gott aus der Finsternis hervorleuchten lässt und als hellen Schein in ihr Herz eingepflanzt hat. Gott hat ihr Leben auch an dem Tag erleuchtet als sie nach jahrzehntelanger Ehe den geliebten Mann hergeben musste. Gerne spricht sie heute von ihrem zweiten Leben als alleinstehende Frau. Ihr gegenwärtiges Leben hat ihr ganz neue Perspektiven eröffnet. Trotzdem lässt es ihr Raum für lichtvolle Erinnerungen an die gemeinsame Zeit in der Vergangenheit. Weil sie ihren Mann Gottes Herrlichkeit entgegengehen sah, konnte sie ihn loslassen und getröstet ihrem eigenen neuen Leben entgegensehen. Sie selbst erlebt sich immer mehr als von Gott erleuchtet und schöpft so auch an langweiligen Tagen aus dem inneren Schatz, den ihr die einmal gehörten oder gelesenen Bibel- und Liedverse erschließen.

Vom Heiligen Geist erleuchtet, erblickte der erste christliche Märtyrer Stephanus während seiner Steinigung den geöffneten Himmel. Die Herrlichkeit Gottes und Jesus, den Sohn an der Seite des Vaters sehend, fiel Stephanus auf seine Knie und bat für seine Peiniger. Zu ihnen gehörte auch der junge Pharisäer Saulus. Geblendet von einem falschen Gotteseifer sah dieser nur das Sterben des vermeintlichen Gotteslästerers. Die Herrlichkeit Gottes sah er nicht.
Gottes Gesetz hatte Saulus dem Buchstaben nach studiert, seinen Sinn aber hatte er noch nicht begriffen. Weil ihm die Erleuchtung Gottes fehlte, freute er sich an dem Tod des Stephanus. Ja, das Geschehen beflügelte ihn sogar, noch weitere Christuszeugen auszuspähen und zu ermorden. Ausgestattet mit Anklageschriften der religiösen Obrigkeit Jerusalems reiste Saulus in mörderischer Absicht nach Damaskus. Er war sicher, das Richtige zu tun und Gott mit seiner Mission zu dienen.
Gott aber hatte einen anderen Plan mit diesem jungen Pharisäer. Ja, Saulus sollte Gott auch in Zukunft dienen. Sein Dienst aber sollte ein anderes Vorzeichen erhalten und von einem anderen als der Jerusalemer Obrigkeit beauftragt sein.
Gottes Herrlichkeit erreichte Saulus unmittelbar vor Damaskus. Geblendet von der Kraft des göttlichen Lichtes fiel er zu Boden. In der Frage: „Saul, Saul, was verfolgst du mich?“, erkannte er die Stimme eines Größeren. Nun konnte er nur noch stammelnd fragen: „Herr, wer bist du?“ Die darauffolgende Antwort bedurfte keiner weiteren Erklärungen, denn Gott selbst offenbarte sich ihm nun wirklich. Er offenbarte sich in dem, den Saulus bis dahin verfolgt hatte. Gott offenbarte sich in Jesus Christus.

Äußerlich blind, aber innerlich sehend, sah Saulus die Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi. Nach drei Tagen der Dunkelheit legte Hananias, ein mutiger Zeuge Jesu, dem Geblendeten im Auftrag Gottes die Hände auf, sodass er auch äußerlich wieder sehen konnte. Unmittelbar danach ließ er sich im Namen Jesu taufen. Aus Saulus war ein anderer, war ein Paulus geworden. (Dass Saulus den aus seiner mütterlichen jüdischen Herkunft und Paulus den aus seiner väterlichen römischen Herkunft stammenden Namen dokumentiert, trägt für den Verlauf der Predigt nichts bei. Kann aber als Erklärung eingefügt werden.) 
Aus dem Christenverfolger wurde ein Christuszeuge. Genau damit aber begannen die Schwierigkeiten. Vielen Menschen erzählte Paulus als Missionar von Jesus Christus. Viele Menschen kamen durch sein Zeugnis zum Glauben. Er durfte Gemeinden gründen und gerade mit seinen an die Gemeinden geschriebenen Briefe Grundlagen für ein christusgemäßes Leben damals und heute legen. Mit seinem Wirken machte er sich aber nicht nur Freunde. Er wurde verbal angegriffen und verleumdet. Er wurde verfolgt und geschlagen. Er wurde gefangen genommen und am Ende als Christuszeuge – vermutlich in Rom – getötet. Von all dem schreibt er – auch seinen Tod gedanklich vorwegnehmend – an die von ihm gegründete Gemeinde Korinth. Gerade diese Gemeinde gehörte zu denen, die ihn vielfach kritisierten und sein Christsein in Frage stellten.
Dass Christsein nicht nur mit Höhenflügen und Erfolg verbunden ist, davon spricht er in Bildern, wenn er schreibt, dass Christinnen und Christen zwar einen Schatz in sich tragen, dieser Schatz aber in einem irdenen, also zerbrechlichen Gefäß verborgen ist.

Der irdische Weg von Christinnen und Christen dokumentiert mit seinen Erfolgen und seinen Niederschlägen keinesfalls die Tiefe des christlichen Glaubens. Gewiss muss sich Christsein auch in einem dem inneren Zustand entsprechenden Verhalten widerspiegeln. Das aber ist nicht das Eigentliche. Christsein hängt weder vom äußeren Verlauf noch vom Verhalten der von Christus ergriffenen Menschen ab.
Christwerden und Christsein ist Werk Gottes. So wie Saulus nichts dazu beitragen konnte, dass Gott selbst ihn erleuchtete und sein Vertrauen in Jesus Christus weckte, so können Menschen bis in die Gegenwart hinein nahezu nichts zu ihrem Christsein beitragen. Gott begegnet Menschen, Gott erleuchtet sie so, dass sie glauben und ihr Leben auf ihn gründen können.
Alles, was Paulus aus seinem Leben erzählt, soll nicht ihn, sondern Gott groß machen. Wenn er davon spricht, dass er bedrängt wurde, sich aber nicht ängstigte, verfolgt wurde, sich aber nicht verlassen fühlte, unterdrückt wurde, dabei aber nicht umkam, dann erzählt er von dem, was Gott aus ihm, dem einstigen Christenverfolger, gemacht hat. Paulus betrachtet sein irdisches Leben unter dem Blickwinkel des Ziels, auf das er und alle, die Christus folgen zugehen. Es ist die Herrlichkeit Gottes, die Jesus mit seinem Leiden den Menschen eröffnet hat.
Das irdische Leben ist für Paulus nicht das Wesentliche. Das Eigentliche ist das Ziel, auf das er zugeht. Trotzdem redet er das irdische Leben zu keiner Zeit klein. Christen dürfen und sollen ihr irdisches Leben zuversichtlich und mit Freuden führen, denn es ist ihnen von Gott geschenkt. Damit christliches Leben gelingen kann, schreibt er den Gemeinden Briefe die zeigen, wozu Christus uns befreit hat. Er hat uns befreit zu einem Leben, in dem weder Angst noch Verzagen die Leitmotive sein müssen, sondern Gottes Kraft die Leitlinien markiert.

Das Ermutigende dabei ist, dass Paulus in einer großen Freiheit auf den Gott hinweist, der seine Kraft in irdene Gefäße hineinlegt. Es gehört zu einem irdenen Gefäß, dass es auch schwach und zerbrechlich sein kann. Zum menschlichen Leben gehören auch Zeiten der Traurigkeit, Zeiten des Klein- und Unglaubens, Zeiten des Zweifels, ja vielleicht sogar auch Zeiten der Gottferne. Das ist deshalb nicht schlimm, weil die Änderung nicht von Menschen, sondern von Gott selbst verantwortet wird. Keine Christin und kein Christ müssen sich „wie Münchhausen“ selbst aus dem Sumpf herausziehen. Die Kraft dazu kommt allein von Gott. Dieses Wissen ermutigt jede Einzelne und jeden Einzelnen für sich selbst. Es ermutigt aber auch hinsichtlich der Menschen, die wir liebhaben und von denen wir wünschen, dass auch ihnen die Herrlichkeit Gottes zuteil wird. So wie Saulus vordergründig nichts dazu beitragen konnte, dass Gott seinen Lichtstrahl auf ihn warf, so können Christen und Christinnen scheinbar nichts dazu beitragen, dass sie selbst oder andere von Gottes Licht ergriffen werden. Das aber ist nur die halbe Wahrheit, die ganze Wahrheit lautet: Sucht diesen Gott, der Anfang und Ziel eures Lebens ist, denn er verspricht: Wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, will ich mich von euch finden lassen.

Das gilt für jeden Einzelnen. Das gilt aber auch für die Gemeinschaft aller Christinnen und Christen – die Kirche. Es gilt insbesondere gerade in einer Zeit wie der unseren, in der Menschen dieser Kirche den Rücken kehren, weil sie vermeintlich von ihr enttäuscht sind oder keinen Grund für den Verbleib in dieser Institution sehen. Dass gerade Zeiten, in denen die Kirche das erlebt, was Paulus für sich und sein Leben beschreibt, keine angstmachenden, sondern ermutigende Zeiten sein können, zeigt die Kirchengeschichte an vielen Stellen. Gottes Herrlichkeit bleibt, auch wenn die äußere Gestalt der Kirche kleiner wird. Möglicherweise bricht eine Zeit an, in der die Herrlichkeit Gottes in kleinen Zellen statt in großen Kathedralen sichtbar wird. Aber auch hier gilt: Gottes Schatz ist in irdenen Gefäßen verborgen. Dieser Schatz ist unzerbrechlich. Er wird auch dann noch bestehen, wenn das Gefäß Risse bekommt und zerbricht, denn die Herrlichkeit Gottes überstrahlt Zeit und Raum. Sie bleibt ewiglich.

Eingangsgebet:
Treuer Gott, du bist das Licht, das alle Dunkelheit überstrahlt.
In dieser Welt aber sieht es anders aus.
Vielfach verdrängt Dunkelheit das Licht.
Wir bitten dich:
Lass uns wegsehen von allem Sichtbaren und
lass uns in Jesus dein ewiges Licht erkennen.

Fürbittgebet:
Gott, unser Schöpfer,
du lässt das Licht aus der Finsternis hervorleuchten.
Dafür danken wir dir!
Wir bitten dich,
lass die Ängstlichen dein Licht erkennen,
lass sie Zuversicht und Hoffnung gewinnen.
Wir bitten dich für die Suchenden,
lass sie in deinem Licht das wahre Leben finden.
Wir bitten dich für die um ihres Glaubens willen Verfolgten,
wehre ihren Peinigern und lass sie Orte zum Leben finden.
Wir bitten dich für die Kranken, dass ihnen geholfen wird
und für die Trauernden, dass sie getröstet werden.
Wir bitten dich für die Verantwortlichen weltweit,
befreie sie von aller Verblendung und
lass sie dem wahren Licht dienen.
Wir bitten dich für deine Kirche,
lass sie auch dann noch leuchten,
wenn manches Gebäude dunkel bleiben wird.
Lass die Predigerinnen und Prediger
Jesus Christus, das wahre Licht verkündigen.

Psalmvorschlag:  Psalm 97 
Lesung: 2. Mose 34,29–35
Evangelium: Matthäus 17,1–9
Liedvorschläge: 455 (Morgenlicht leuchtet)
  326 (Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut)
  66 (Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude)
  410 (Christus, das Licht der Welt)
  67 (Bewahre uns, Gott, behüte uns Gott)
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