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Nr. 11/2024

Titelseite Pastoralblätter 12/24

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Evangelisch Menschen bei Kasualien begleiten

Evangelisch Menschen bei den Anlässen, die sie zutiefst bewegen (=Kasualien), zu begleiten heißt, sie die befreiende Botschaft der Bibel nicht nur hören, sondern spüren zu lassen. Also: Runter von der Kanzel, auf Augenhöhe mit den Menschen leben und ihnen den Segen Gottes unmissverständlich zusprechen und ihn gemeinsam „in Freud und Leid“ zu feiern.

  1. Taufe: Bei Taufen erleben Eltern das Wunder, dass und wie – nicht selten unter Schwierigkeiten – ein neuer Mensch geboren und in der „Familie“ empfunden wird. Sie erleben nicht nur ein Geschenk, sondern auch den Einbruch in die bisherige Zwei- oder Drei- bzw. Mehr-Samkeit. Sie können sich nicht mehr für nicht zuständig erklären. Für diese neue und nicht einfache Verantwortung suchen sie Begleitung, Rat und bitten um Segen. Dass das Kind in „die Kirche“ aufgenommen wird, ist für sie zweit- oder drittrangig. Sie brauchen Begleitung zum Anfassen und Segen, der sie aufatmen lässt.
  2. Hochzeit: Bei Hochzeiten gehen Liebende bewusst nicht nur zum Standesamt. Sie spüren nicht nur ein Defizit an Feierlichkeit. Sie gliedern sich ein in eine – gelegentlich noch eher fremde - Segensgemeinschaft, der meist auch ihre Vorfahren angehört haben. Ob deren Vorbilder so vielversprechend waren oder ob die Statistiken für die Dauer von Ehen ein negatives Bild zeichnen: Sie suchen den kirchlichen Segen – und dann ist es gut. Dieses „dann ist es gut“ ist ein wichtiger, evangelischer Schatz.
  3. Konfirmation: Bei Konfirmationen gehen Jugendliche meist den Weg, den ihnen die Eltern nahegelegt haben. Wenn Konfirmation evangelisch einen Sinn macht, dann als eine der ersten, selbst gewählten, wesentlichen Entscheidungen eines jungen Lebens. Und sei es die Entscheidung, dazugehören, also kein Außenseiter sein zu wollen. Selbst wenn diese Entscheidung diffus erscheint: Es ist eine wesentlich evangelische Aufgabe, junge Menschen auf ihrem Weg in ein eigenverantwortliches Leben zu begleiten. Sie erzählen öffentlich vom eigenen Glauben in aller Vorläufigkeit. Wir begleiten sie bei den ersten Versuchen eines „aufrechten Gangs“ in Sachen Glauben.
  4. Beerdigung: Menschen sterben – alle. Diese Einsicht ist so lapidar wie schlimm. Auf dem Weg zu diesem Sterben und bei diesem Sterben Menschen und Angehörige zu begleiten, setzt evangelische Augenhöhe voraus: spürbare Nähe, Verzicht auf jegliche Schuldverrechnung, Liebe als oberste Priorität, Verzicht auf jede Besserwisserei. Ob am Krankenbett oder in der Küche am Ende eines Besuches: Wesentliche Worte werden nur auf der Grundlage eines Einverständnisses über „basics“ gewechselt. Wesentlich dafür ist das Gespür von Freiheit: Ich kann, ich darf, ich muss aber nicht … Sterbende und Trauernde schätzen evangelische Freiheit als Begleitung – sterbend wie trauernd. Sie glauben, was wir sagen. Und sie glauben, dass wir glauben, was wir sagen. Jenseits von evangelischer Freiheit ist dies eine Zumutung, die von den Sprechenden ausgehalten und in aller Ehrlichkeit gelebt (ggf. widersprochen) werden muss. Gerade hier stirbt die Glaubwürdigkeit mit dem bloßen Amt. Und eben da lebt das Evangelium mit dem authentischen Glauben des/der Tröstenden.
  5. Feiern: Menschen feiern – Gott sei Dank! Sie erleben das persönliche Leben, die Wege von Vereinen, Gemeinden, wie auch die Geschichte von Gebäuden oder Orten so, dass es ihnen eine Freude ist, weil sie Teil einer Geschichte und durch ihr Mitwirken für die Jetztzeit und die Nachkommenden wesentlich sind. Wir nehmen evangelisch an ihrer Freude Teil, weil wir ihre Freude nicht infrage stellen, sondern teilen. Der berechtigte Stolz wie auch die eigene Nachdenklichkeit führt Menschen in ein Gespräch mit ihrer eigenen Geschichte – und damit zum Nachdenken über „Woher und Wohin“ über den Grund ihrer Feier hinaus.
  6. „Andacht“: Menschen treffen sich, um gemeinsam zu beraten, Erfahrungen zu teilen, Wege zu erörtern oder Bibeltexte zu besprechen. In der Regel stellen die, die sich zu solchen Anlässen treffen, ihr Miteinander unter einen biblischen Gedanken. Eine „evangelische Andacht“ richtet Menschen auf, orientiert sie an der Liebe des Mannes aus Nazareth, enthebt von Abhängigkeiten, stört beklemmende Widerreden und freut sich mit denen, die zusammengekommen sind: Schön, dass es uns gibt!

Summe: Evangelisch gefeierte Kasualien feiern angesichts alles Liebens und Trauerns das geschenkte Leben und nehmen die – wie auch immer Betroffenen – wie Jesus damals ans Herz und ins Gebet.

Mehr – und das ist auch evangelisch – muss nicht sein.

Gerhard Engelsberger, Schriftleiter der Pastoralblätter