Anzeige
Anzeige: Was kommt. Was geht. Was bleibt. Kluge Texte über die wichtigsten Fragen unserer Zeit von Manuel Herder (Herausgeber)
Pastoralblätter 11/2023

11/2023November: Alter

Inhalt

Nein, ich habe keine Sünde geerbt. Der Kirchenvater Augustinus hat sich nach meiner Überzeugung vor 1600 Jahren geirrt. Ich trage keinen Stempel, kein Tattoo, kein noch so crudes Zeichen auf meiner Haut. Es ist nur das kleine Kreuz, das 1948 der Pfarrer in Niefern auf meine Stirn gezeichnet hat, mit Wasser aus dem Taufbecken, und dies am Tag der „Währungsreform“ am 20. Juni 1948. 40,– DM war ich damals „wert“, – und meine Eltern, so erzählten sie, waren froh darüber.
Die „Erbsünde“ ist an mir abgeprallt wie ein scharf geschossener Ball an Beton. Meine Mutter hat mit 13 Brust-OPs alles bezahlt, was es zu bezahlen gibt für ein Nachkriegskind. Penicillin von der Besatzungsmacht im zerbombten Pforzheim für die Mutter. Ich war monatelang ohne Mutter in der Schneiderwerkstatt meines Vaters, behütet von meiner Tante.
Es muss ein armseliges „Erb-Sünden“ gewesen sein nach der Gefangenschaft des Vaters, nach den Versteckspielen vor „Fliegerangriffen“ in Gräben zwischen Elternort A und Elternort B der beiden Jungvermählten. Ein abgehungerter Mann aus – im Vergleich noch guter – englischer Gefangenschaft, quer durch Deutschland unterwegs von Nord nach Süd. Und sie, ein Mädchen, vor das sich der arbeitslose SPD-Vater noch schützend gestellt hatte angesichts alliierten Soldaten.
Sie erhielten zur Hochzeit „Mein Kampf“ von Adolf Hitler. Später habe ich dieses elende Buch an einen Nachbarn ausgeliehen – und nie wieder bekommen. Die Traubibel allerdings habe ich noch.

Über diese Ausgabe

Editorial

  • Gratis S. 881-882

    Sünde?

Monatsspruch

Wochensprüche

Gottesdienste

Elemente

Kasualansprachen

Predigt im Gespräch

Seelsorge im Gespräch

Pastorale Identität

Autorinnen und Autoren