InterviewBußgeld für Zuspätkommer?

In Ludwigsburg müssen Eltern, die ihr Kind immer wieder zu spät in der Kita abholen, nun mit einer Geldstrafe rechnen. Ein Gespräch mit Fachbereichsleiter Daniel Wittmann zu den Hintergründen.

Bußgeld für Zuspätkommer?
© Michaela Fichtner

Herr Wittmann, in Ihrer Stadt droht unpünktlichen Kita-Eltern seit April ein Bußgeld von 30 Euro pro angefangene halbe Stunde. Wann wird dieses fällig?
Ausdrücklich nicht, wenn das Kind ausnahmsweise mal eine halbe Stunde zu spät abgeholt wird. Die Verspätungsgebühr soll nur in hartnäckigen Fällen greifen, nämlich dann, wenn ein absichtliches und wiederholtes Fehlverhalten der Eltern vorliegt, das zu Lasten der pädagogischen Fachkräfte und Kinder geht.

Sie vermuten, dass manche Eltern ihre Kinder gezielt zu spät abholen?
Aus den 62 Einrichtungen in unserem Einzugsgebiet erhielten wir immer wieder vereinzelte Meldungen über Zuspätkommer, die ihre Kinder regelmäßig 20 Minuten bis zu einer Stunde warten ließen. Die Hintergründe unterschieden sich, was die Fälle aber verband: Die betroffenen Eltern waren wenig gesprächsbereit und zeigten keinerlei Einsicht.

Welche Motive verbergen sich hinter diesen vorsätzlichen Verspätungen?
So vielfältig wie die Eltern, so vielfältig sind die Anlässe. Wir hören Begründungen von „Es ist für mich entspannter, einen Zug später zu nehmen“ bis „Ihr seid doch sowieso da, stellt euch nicht so an“. Wir haben aber auch Eltern, von denen wir wissen, dass sie eine geringere Betreuungszeit gebucht haben, als sie eigentlich benötigen, um Kosten zu sparen.

Aber was ist mit den Eltern, die ihre Verspätungen damit begründen, dass Kitas schlicht keine ausreichend langen Betreuungszeiten für Berufstätige anbieten?
Zunächst einmal: Die angebotene Betreuungszeit wurde ja von den Eltern gebucht, also von ihnen akzeptiert. Sollte diese aber nicht ausreichen, sind wir natürlich immer hilfsbereit und finden auch in vielen Fällen gemeinsam Lösungen. Um diese Eltern geht es uns nicht, mit ihnen sind wir im Gespräch. Uns geht es um jene Väter und Mütter, die sich der Kommunikation entziehen.

Wie wird die neue Bußgeldregelung nun konkret umgesetzt?
Wir haben ein mehrstufiges Verfahren entwickelt, das zunächst mindestens drei Gespräche zwischen Eltern und Einrichtungsleitung bzw. Bezugsfachkraft vorsieht. Wenn diese Gespräche nichts bewirken, sind die Einrichtungen angehalten, das an die Stadtverwaltung weiterzuleiten. Dort wird der jeweilige Fall dann nochmals objektiv geprüft und den Eltern ein weiteres Gesprächsangebot unterbreitet. Wenn auch das nicht hilft, wird die Verspätungsgebühr schließlich ausgesprochen.

Befürchten Sie nicht, dass dieses Vorgehen das Vertrauensverhältnis zwischen pädagogischen Fachkräften und Eltern belasten könnte?
Um dies zu vermeiden, war es uns im Sinne der Erziehungspartnerschaft auf Augenhöhe wichtig, dass die Kitas das bestenfalls klärende Elterngespräch suchen. Die „Bad-Guy-Rolle“ übernimmt, wenn nötig, die Stadtverwaltung, sie stellt den Bußgeldbescheid aus. Umgekehrt stellten wir übrigens fest, dass es für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auch nicht förderlich ist, wenn Eltern ihren vertraglichen Verpflichtungen wiederholt nicht nachkommen.

Mit der Gebühr wollen Sie vor allem pädagogische Fachkräfte entlasten. Inwieweit verschärfen notorische Zuspätkommer die ohnehin angespannte Situation in den Kitas zusätzlich?
In Zeiten des Fachkräftemangels sind unsere Teams sehr dünn besetzt und die Arbeitsbelastung ist entsprechend hoch. Viele reißen sich tagtäglich ein Bein aus, um den Betrieb am Laufen zu halten. Wenn eine Fachkraft, die schon viele Stunden in der Einrichtung ist, dann noch eine Stunde länger bleiben muss, weil ein Kind zum wiederholten Male nicht pünktlich abgeholt wird, wirkt sich das natürlich negativ auf ihre Einsatzbereitschaft aus. Das möchten wir nicht! Und es war uns wichtig, hier ein Signal zu setzen: Die Motivation unserer Mitarbeitenden ist ein hohes Gut. Wir können es uns in sowieso schon schwierigen Zeiten nicht leisten, dass Einzelne unser Kita-Personal zusätzlich belasten.

Und auch für junge Kinder ist es belastend, wenn ihre Eltern sie regelmäßig zu spät abholen.
Ja sicher, für Kinder ist es wahrnehmbar, wenn die Verlässlichkeit auf Elternseite nicht gegeben ist. Wir stellen fest, dass es bei den Mädchen und Jungen durchaus Spuren hinterlässt, wenn sie immer wieder allein in der Einrichtung ausharren müssen, bis ihre Eltern erscheinen. Diese Verspätungen wirken sich also einerseits massiv negativ auf das Kindeswohl aus und stehen andererseits einer gut funktionierenden Erziehungspartnerschaft im Wege.

Wie haben Sie den Kita-Eltern die Einführung des Bußgelds vermittelt?
Wir haben das an die Träger und Kita-Leitungen kommuniziert, aber bewusst darauf verzichtet, die Eltern anzuschreiben. Wir wollen nicht den Eindruck erwecken, dass wir alle unter Generalverdacht stellen. Sollte es zu einem Fehlverhalten kommen, werden die Betroffenen gezielt in den Kitas angesprochen.

Da das Verfahren ja aber in einer öffentlichen Sitzung des Ludwigsburger Gemeinderats beschlossen wurde, haben sicher trotzdem viele Eltern davon erfahren. Gab es Reaktionen?
Ja, die gab es tatsächlich. Und wir waren da sehr positiv überrascht, weil es zahlreiche bestärkende Reaktionen von Eltern gab. Viele haben Verständnis für unsere pädagogischen Fachkräfte und sind sich deren schwieriger Lage durchaus bewusst. Viele finden es im Sinne des Kita-Personals richtig, dass es nun eine Handhabe gibt, in Einzelfällen auf die Verspätungen zu reagieren.

Was können Sie anderen Gemeinden oder Kita-Trägern mit auf den Weg geben, die gerne Ihrem Beispiel folgen würden?
Ich würde ihnen vor allem dazu raten, transparent zu kommunizieren. Es ist wichtig klarzustellen, welche hartnäckigen und vorsätzlichen Fälle diese Maßnahme in den Blick nimmt, also eben nicht die einmalige Verspätung von wenigen Minuten. Wird das nicht gut vermittelt, führt dies schnell zu Irritationen bei den Eltern – und das zu Recht.

Das Gespräch führte Katrin Imbery

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