Aus dem BundesverbandKostenexplosion bedroht Kindertagespflege

Steigende Energie- und Betriebskosten zwingen viele Kindertagespflegepersonen zur Aufgabe. Der Bundesverband fordert daher eine gezielte finanzielle Unterstützung.

Kostenexplosion bedroht Kindertagespflege
© Nathalie Rahm

Die Situation vieler Kindertagespflegepersonen ist dramatisch. Die Kosten laufen aus dem Ruder und Einsparmöglichkeiten sind kaum gegeben. Die Raumtemperatur zu senken, wenn Kinder auf dem Fußboden krabbeln, verbietet sich. Auch bei der Ernährung der Jüngsten wird wohl niemand ernsthaft Einsparungen vorschlagen. Kindertagespflegepersonen, die nicht in ihren eigenen Wohnräumen betreuen, haben doppelte Kosten. Sie zahlen hohe Mieten und Energiepreise für ihre eigene Wohnung und die Arbeitsräume. Die Rückmeldungen, die wir von Kindertagespflegepersonen erhalten, deuten darauf hin, dass ohne Unterstützung viele aufgeben müssten. Zwei Jahre Corona haben bei einem Großteil der rund 42.000 überwiegend selbstständigen Kindertagespflegepersonen die Reserven aufgezehrt. Eigene Erkrankung an Covid-19 oder die unsicheren finanziellen Einnahmen während der Lockdowns – seit 2020 hatten viele mit finanziellen Einbußen zu kämpfen. Inflation und Kostenexplosion belasten seit 2022 zusätzlich. Daher gaben bereits im letzten Jahr ca. 1.200 Personen ihre Tätigkeit auf. Spürbar wird nun auch in diesem Bereich der Fachkräftemangel. Manche Kommunen suchen händeringend nach neuen Kindertagespflegepersonen. Einige Bundesländer haben sehr schnell reagiert und die finanzielle Situation der Betroffenen gut geregelt, z.B. durch landesweite Weiterzahlung während des Lockdowns. In einigen Bundesländern dagegen waren diese Zahlungen an die Kindertagespflegepersonen nur unzureichend und regional sehr unterschiedlich vorgenommen worden.
Kindertagespflegepersonen haben Anspruch auf Gewährung der laufenden Geldleistung nach § 23 SGB VIII über den öffentlichen Jugendhilfeträger (Sozialgesetzbuch VIII § 23 Förderung in Kindertagespflege, Absatz 2). Da der Anspruch und die Höhe der laufenden Geldleistung in den meisten Bundesländern in den Kommunen und Städten vor Ort festgesetzt werden, sind sehr unterschiedliche Vorgehensweisen beobachtet worden.

Systemrelevant, aber unterbezahlt

Während der Corona-Pandemie wurde die Kindertagespflege als systemrelevant eingestuft. Tagesmütter und -väter waren die verlässlichsten Betreuungspersonen in der Hochphase der Pandemie. Als Schulen und Kitas geschlossen wurden, waren sie für viele Eltern die letzte Rettung. Es darf nicht sein, dass diese Gruppe jetzt mit ihren finanziellen Nöten allein gelassen wird.
Wie für die Kindertageseinrichtungen muss auch für die Kindertagespflege eine Möglichkeit geschaffen werden, diese finanzielle Mehrbelastung abzufedern.
Die Politik muss nun auf verschiedenen Ebenen handeln:

  • Die Kreise und Kommunen müssen die Sachkostenerstattung für die Kindertagespflege deutlich erhöhen.
  • Jene Bundesländer, die landesweite Sätze für die laufende Geldleistung haben, sollen diese zeitnah erhöhen.
  • Der Bund muss kurzfristig eine finanzielle Entlastung für diese Gruppe von Selbstständigen schaffen, z.B. durch eine befristete Erhöhung der Betriebskostenpauschale.

Mittelfristig sollte die Finanzierungssystematik der Kindertagespflege im SGB VIII geändert werden. Der Bundesverband für Kindertagespflege e.V. hat 2019 die Broschüre „Das Modell zur Vergütung in der Kindertagespflege leistungsgerecht, existenzsichernd, transparent“ publiziert. Dort sind erste Überlegungen zu einer neuen Finanzierungssystematik beschrieben worden. Denn die alleinige Orientierung an den geleisteten Betreuungsstunden ist nicht mehr zeitgemäß. Sie berücksichtigt weder den zeitlichen Aufwand der Kindertagespflegeperson für Vor- und Nachbereitung, wie z.B. Elterngespräche, Dokumentationen oder Einkäufe, noch die tägliche Reinigung der Betreuungsräume. Denkbar wären kinderzahlunabhängige Sockelbeträge, Leistungsstunden oder Punktesysteme.

Fazit

  • Es muss schnell gehandelt werden, damit möglichst wenige Betreuungsplätze verlorengehen.
  • Die Politik muss handeln und eine neue Finanzierungssystematik beschließen, die im SGB VIII verankert wird.
  • Das Qualifizierungshandbuch muss auch in den Bundesländern implementiert werden, die bislang noch zurückhaltend sind (s. INFO).
  • Die ohnehin schwierige Betreuungslage vieler Familien darf nicht noch problematischer werden.

Die Kindertagespflege steht in diesem Jahr an einem wichtigen Wendepunkt: Die große positive Dynamik dieser Betreuungsform in den letzten Jahren ist in Gefahr und erfordert entschlossenes Handeln.

Info

Qualifizierungshandbuch (QHB)

Die Qualifikation von Kindertagespflegepersonen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Dazu gehört auch die Implementierung des Qualifizierungshandbuchs für die Kindertagespflege (QHB) in zahlreichen Bundesländern. Durch mehrere Bundesprogramme wurde es mit 300 Unterrichtseinheiten (UE) eingeführt. Es löst das bis dahin geltende „Curriculum für Tagespflegepersonen“ des Deutschen Jugendinstitutes (DJI) mit 160 Unterrichtseinheiten ab. In den meisten Bundesländern sind 300 Unterrichtseinheiten inzwischen Standard.

Das QHB stellte einen didaktischen Quantensprung dar. Es ist anspruchsvoll und wird den höheren Ansprüchen an die Arbeit der Kindertagespflegepersonen gerecht. Der Bundesverband für Kindertagespflege war mit mehreren Projekten an der Implementierung in die Praxis beteiligt.

Die Qualifizierung nach dem QHB gliedert sich in zwei Teile:

  • Der erste Teil beinhaltet 160 Unterrichtseinheiten als vorbereitenden Qualifizierungskurs. In dieser Zeit dürfen noch keine Tageskinder aufgenommen werden.
  • Der zweite Teil ist der tätigkeitsbegleitende Qualifizierungskurs von 140 Einheiten.
  • Des Weiteren soll ein Praktikum in einem Umfang von 80 Stunden absolviert werden. Diese sind aufgeteilt in 40 Stunden in einer Kindertagespflegestelle und 40 Stunden in einer Kindertageseinrichtung.

Nach Abschluss der gesamten Qualifizierungsmaßnahme erhalten die Absolventinnen und Absolventen ein Zertifikat, wenn der Weiterbildungsträger eine Kooperation mit dem Bundesverband für Kindertagespflege geschlossen hat. Etwa ein Drittel der Kindertagespflegepersonen verfügt außerdem über eine Qualifikation als pädagogische Fachkraft, z.B. als Erzieherin.

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