Kommentar zum Tag der Kinderbetreuung"Ihr seid doch eh nur am Kaffeetrinken"

Am Tag der Kinderbetreuung wird pädagogischen Fachkräften für ihren gesellschaftlichen Einsatz gedankt. Zwei Kita-Angestellte fragen: Und was ist an den anderen 364 Tagen?

© Harald Neumann

Wir, Arzu und Tina, sind Kinderpflegerinnen aus München und arbeiten seit ca. sieben Jahren mit Mädchen und Jungen zwischen null und drei Jahren. Unser beruflicher Alltag prägt ihre Kindheit und wir geben jeden Tag unser Bestes, bekommen aber leider nicht immer das Beste zurück. Weder von der Gesellschaft mit Aussagen wie „Ihr seid doch eh nur am Kaffeetrinken“ oder „Den ganzen Tag mit Kindern spielen kann doch jeder“, noch von Entscheidungsträgern, die uns gerade gut genug bezahlen, dass wir unsere Rechnungen begleichen können. Darüber hinaus ist von unserem Gehalt am Monatsende nicht viel übrig.

Unserer Meinung nach ist es traurig, dass wir Pädagoginnen einen so wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten, indem wir jeden Tag die nächste Generation erziehen, begleiten und betreuen, uns aber gleichzeitig Gedanken darüber machen müssen, ob wir uns den nächsten Urlaub überhaupt leisten können. Wir zwei sind angestellt in einer privaten Kinderkrippe; dies bedeutet aber nicht, dass die hohen Beiträge der Eltern auch in unseren Taschen landen.

Harte Arbeit, die oft nicht gesehen wird

Ja, wir starten mit einem Kaffee in den Tag, der aber meistens kalt getrunken wird, weil schon die ersten zehn Minuten vollsten Einsatz erfordern und sich dies bis zum Feierabend meist nicht ändert. Für all jene, die keinen realistischen Einblick in den Kita-Alltag haben, hier nun die knallharte Wahrheit: Kinder sind keine Maschinen, es gibt für sie keine Bedienungsanleitung! Man muss sich jedes Mal aufs Neue und ganz individuell auf die kleinen Menschen einlassen, sie dort abholen, wo sie gerade stehen und sie auf die Welt vorbereiten. Von kindlichen Wutanfällen, nur weil du kurz den Raum verlässt, über Eltern, die dringend Rat suchen, bis hin zu Kolleginnen, die am Ende ihrer Kräfte sind: Welche erwachsene Person, die nicht im sozialen Bereich arbeitet, kann sich dieses Übermaß an Beziehungen vorstellen, die wir zu anderen Menschen aufbauen, erarbeiten und denen wir täglich gerecht werden müssen? Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie sitzen in einem Raum mit zwölf unter dreijährigen Kindern. Das eine muss gewickelt werden, ein anderes möchte etwas trinken. Das nächste krabbelt auf den Tisch, zwei weitere streiten sich um einen Ball und Ihre Kollegin begleitet ein Kind in den Schlaf. So viele Bedürfnisse auf einmal, die es zu befriedigen gilt – und Sie haben eigentlich gerade das Eingewöhnungskind im Arm. Soweit unser kurzer Blick hinter die Kulissen.

Trotz allem eine Herzensangelegenheit

Fakt ist, dass jede Fachkraft, die den Kita-Alltag meistert, dies mit Leidenschaft macht. Die Gründe, die gegen diese Berufswahl sprechen, etwa der ständige Personalmangel und die schlechte Bezahlung, halten junge Menschen nicht davon ab, den Weg in die Frühpädagogik einzuschlagen. Zum Glück! Denn es ist ja noch nicht lange her, dass uns die Pandemie gezeigt hat, dass ohne uns ein großer Teil der Arbeitswelt stillsteht. Es wurde für alle sichtbar, dass ohne uns das System nicht funktioniert!
Der Tag der Kinderbetreuung naht – und so möchten auch wir davon berichten, warum uns die Betreuung der Kinder trotz aller Erschwernisse so am Herzen liegt. Es ist ein tolles Gefühl, die Bezugsperson so vieler junger Kinder zu sein und ihr Vertrauen erleben zu dürfen. Uns als Fachkräften ist es besonders wichtig, ihre ersten prägenden Lebensjahre so mitzugestalten, dass die Mädchen und Jungen bestens auf ihren weiteren Lebensweg vorbereitet sind. Wir freuen uns über jeden kleinen Menschen, den wir kennenlernen und mit dem wir gemeinsam die Welt entdecken dürfen. Wir wünschen uns und unseren Kolleginnen und Kollegen, dass Kitas in Zukunft nicht mehr als Abstellkammern für Kinder abgetan werden, sondern von Politik und Gesellschaft endlich als das erkannt werden, was sie längst sind: wichtige Bildungsorte, welche die Erziehungsarbeit der Eltern sinnvoll ergänzen. Wir möchten, dass die Ernsthaftigkeit und Bedeutsamkeit unseres Berufs gesehen, wertgeschätzt und anerkannt wird. Wir wünschen uns Dankbarkeit und positive Aufmerksamkeit – und das nicht nur am Tag der Kinderbetreuung.

Abschließend wollen wir uns bei allen Menschen da draußen bedanken, die täglich ihr Bestes geben und oft auf dem Zahnfleisch gehen, um den Kindern gerecht zu werden. Danke auch an alle Eltern, die unsere Arbeit schon jetzt sehen und wertschätzen – und an unsere Arbeitgeberin, die gute Rahmenbedingungen ermöglicht, unter denen wir pädagogisch wertvolle Arbeit leisten können.
Zuletzt ein riesengroßes Dankeschön an all die Kinder, die uns täglich daran erinnern, warum wir uns für diesen Beruf entschieden haben und ihn lieben.

Info

Tag der Kinderbetreuung

Am 15. Mai jährt sich der Tag der Kinderbetreuung zum elften Mal. Um auf die große gesellschaftliche Leistung pädagogischer Fachkräfte hinzuweisen und diese zu würdigen, wurde der Aktionstag 2012 ins Leben gerufen und findet seitdem immer am Montag nach Muttertag statt (außer in den Coronajahren 2020 und 2021). Kinder und Eltern überreichen den Fachkräften dann oft kleine Geschenke. Bundesweit finden außerdem Veranstaltungen statt sowie Besuche von Politikerinnen und Politikern in den Betreuungseinrichtungen. Seit 2017 wird der Tag der Kinderbetreuung von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung koordiniert.


Tina & Arzu: Live aus der Kita

Tina & Arzu sind Kinderpflegerinnen und arbeiten gemeinsam in einer Münchner Krippe.

Getreu dem Motto „For more reality about working with the Allerkleinsten“ veröffentlichen die jungen Frauen regelmäßig Podcasts und betreiben einen erfolgreichen Kanal auf Instagram. Fast 45.000 Follower freuen sich bereits über die authentischen und lustigen Videos der beiden, in denen sie typische Szenen des Kita-Alltags nachspielen. Wenn auch mit einem Augenzwinkern und viel Selbstironie, sprechen Tina und Arzu dabei immer wieder auch Missstände an, wie etwa die mangelnde Anerkennung pädagogischer Fachkräfte. @liveausderkita

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