FernsehenNachrichten für Kinder

kizz sprach mit „logo!“-Moderator Tim Schreder über Nachrichten für Kinder.

Fernsehen: Nachrichten für Kinder
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Herr Schreder, welche Nachrichten aus unserer Welt sind für Kinder interessant?
Wir bei „logo!“ glauben, dass Kinder grundsätzlich an allen Nachrichten interessiert sind. Alles, was auf der Welt passiert und was Erwachsene interessiert, geht auch Kinder etwas an. Oft haben Kinder aber andere Fragen als Erwachsene und die Themen haben für sie auch eine andere Wichtigkeit.

Nach welchen Kriterien wählt Ihre Redaktion die Meldungen aus?
Wir haben immer drei Punkte, auf die wir achten: Das eine ist die allgemeine Relevanz des Themas. Wenn zum Beispiel der Präsident der USA das Klimaabkommen aufkündigt, so ist das für die ganze Welt relevant. Zweitens beachten wir, ob ein Thema gerade überall im Umlauf ist. Dann greifen wir es auch bei „logo!“ auf, um es für die Kinder einzuordnen. Das dritte Kriterium ist die Relevanz des Themas speziell für Kinder. Eine Rentenreform ist zum Beispiel für Erwachsene sehr wichtig, von den Kindern aber weit weg, wohingegen ein Schulthema sie direkt betrifft.

Es gibt ja auch Dauerbrenner, Themen, die Kinder immer interessieren, zum Beispiel Naturereignisse. Kommen solche Dinge eher in den Fokus?
Als Nachrichtensendung berichten wir möglichst über Dinge, die wirklich an dem Tag passiert sind. Es gibt aber auch Themen, für die Kinder ein besonders großes Bewusstsein haben, etwa Umweltthemen. Außerdem interessieren sich Kinder sehr dafür, wie es Kindern in anderen, zum Beispiel sehr armen Ländern geht. Darüber berichten wir, denn es geht uns auch darum, die Perspektive der Kinder zu erweitern und ihnen Einblicke in unbekannte Teile der Welt zu eröffnen.

Worauf kommt es bei der Aufbereitung der Informationen an?
Das Allerwichtigste ist die Verständlichkeit. Das ist für uns die größte Herausforderung: jeden Tag zu versuchen, diese komplizierte Welt verständlich zu erklären, also ohne komplizierte Nachrichtenwörter, und für Zuschauer ohne Vorwissen. Man fängt ja quasi bei null an und muss zum Beispiel erst mal erklären, was die EU ist oder dass Deutschland mal geteilt war.

Kann man Kindern Berichte über Krieg und Katastrophen zumuten?
Ja, auf jeden Fall! Wir berichten über alle Kriege und Konflikte dieser Welt. Denn wir haben die tiefe Überzeugung, dass es kein Thema gibt, worüber man nicht berichten kann. Und wenn nun mal in Syrien ein brutaler Krieg herrscht, bei dem viele Kinder sterben und in dem Kinder- und Menschenrechte mit Füßen getreten werden, dann ist es uns wichtig, dass auch die Kinder hier davon erfahren. Sie bekommen das meiste sowieso mit, spätestens wenn sie ein eigenes Smartphone haben. Man kann Kindern also alles zumuten, aber man muss es sensibel tun. Das heißt weitestgehend emotionslos und ohne zusätzlich Angst zu schüren, Kinder sind schon betroffen genug. Wir achten sehr auf die Bildauswahl und senden keine Bilder, die explizit Gewalt und Brutalität zeigen. Und das Einordnen ist ganz wichtig: Die Information nicht nur im Raum stehen zu lassen, sondern auch zu erklären, warum da Krieg ist und was getan wird, um diesen zu lösen.

Wie kann man Kindern das Böse dieser Welt erklären, ohne Angst zu machen oder etwas zu beschönigen?
Man kann über gewisseDinge nicht berichten, ohne Angst zu machen. Das ist leider die Wahrheit. Es gibt nun mal Nachrichten, die machen auch den Erwachsenen Angst. Man kann aber so berichten, dass es so wenig Angst wie möglich macht. Wir halten nichts davon, Dinge wegzulassen, denn wir glauben, dass es für Kinder nichts Ätzenderes gibt als das Gefühl, belogen zu werden. Manchmal schaffen wir Zusatzangebote und arbeiten mit Kinderpsychologen zusammen. Oder wir sagen den Kindern, es gibt zwar schreckliche Dinge auf der Welt, aber es ist sehr unrealistisch, dass euch morgen auch etwas Schreckliches passiert. Außerdem achten wir immer auf die Mischung. Das heißt, wir packen an den Schluss eine positive, vielleicht auch lustige Nachricht, sodass die Kinder mit einem guten Gefühl aus der Sendung rausgehen.

In Zeiten von Fake News: Können Kinder Fakten von Meinung unterscheiden und welchen Auftrag hat eine Sendung wie „logo!“?
Ich glaube schon, dass Kinder das in einem gewissen Ausmaß können, aber viel schlechter als Erwachsene. Vor allem heutzutage, wo über Social Media ständig professionell aussehende Falschmeldungen verbreitet werden. Umso wichtiger ist es, dass es eine Sendung wie „logo!“ gibt, wo man weiß, da bekomme ich Nachrichten, die sind wahr, die sind verständlich und für mich überprüft. Ich verstehe es auch als unsere Aufgabe, Kinder zu sensibilisieren und ihnen das Wissen mitzugeben, das sie später dazu befähigt, selbstständig Dinge einzuordnen und zu bewerten. Wer vier Jahre lang „logo!“ geguckt hat, ist, glaube ich, gut gefeit, um die größten Fake News von der Wirklichkeit zu unterscheiden.

Welche Rückmeldungen bekommen Sie von den Kindern?
Das Schönste an meinem Beruf ist, dass Kinder das tollste, ehrlichste und liebevollste Feedback geben, das man bekommen kann. Uns erreichen viele, viele Mails und Gästebucheinträge, außerdem sind wir Moderatoren bei Social Media aktiv, auch da folgen uns viele Kinder und schreiben uns. Das meiste, das die Kinder uns rückmelden, ist Lob, und sie schlagen uns auch oft Themen vor. Und weil wir keine acht oder zwölf Jahre alt sind, sind wir auf dieses Feedback sehr angewiesen.

Bei „logo!“ dürfen Kinder in die Rolle des Reporters schlüpfen. Welche Erfahrungen machen sie dabei?
Kinderreporter ist eigentlich der coolste Job, den man als Kind haben kann, denn man kann wahnsinnig spannende Dinge erleben, zum Beispiel Promis interviewen und sich die Fragen vorher selbst überlegen. Neulich hat zum Beispiel eine Neunjährige Dirk Nowitzki getroffen, das war für sie sehr aufregend. Wir haben ungefähr zwanzig Kinderreporter in Deutschland, die immer mal wieder zum Einsatz kommen. Spannend ist, dass sie im Interview natürlich wie ein Kind reagieren, und auch die Gesprächspartner sich ihnen gegenüber ganz anders verhalten als gegenüber Erwachsenen. Ein Kinderreporter hat zum Beispiel Bill Gates mal gefragt, ob er es nicht ungerecht findet, dass er so viel Geld hat. Ich glaube, wenn das ein Erwachsener gefragt hätte, wäre das Interview an dieser Stelle beendet gewesen.

Was macht Ihnen an Ihrem Beruf besonders Spaß?
Am meisten Freude macht mir, dass ich abends nach Hause gehe und das Gefühl habe, etwas Sinnvolles getan zu haben. Ich weiß, dass ich Hunderttausenden von Kindern wieder ein bisschen erklärt habe, was auf dieser Welt passiert. Kinder sind unsere Zukunft und ich finde es unglaublich wichtig, dass sie ein Gespür dafür entwickeln, was auf der Welt los ist. Dass sie sich eine eigene Meinung bilden und wissen, was sie gut und was sie schlecht, was sie gerecht und ungerecht finden und was sich ihrer Ansicht nach ändern muss. Wenn sich Kinder für die Welt interessieren, dann kann die Zukunft gut werden. logo! leistet da einen großen Beitrag, und zwar jeder Mitarbeiter. Die Sendung ist ein tolles Format und ich hoffe, dass es sie noch lange geben wird.

kizz Buchtipp

Tim Schreder, Jennifer Sieglar: Ich versteh die Welt nicht mehr. Die wichtigsten Nachrichten verständlich erklärt, Piper 2017, € 15

Tim Schreder moderiert seit sechs Jahren die Kindernachrichtensendung „logo!“ im ZDF.