Wie ich in Zeiten von Überlastung für mich selbst sorge

Achtung. Kritische Zone, Speicher aufgebraucht, Batterie gleich leer. Wenn dieser Zustand bei mir eintritt, so merke ich das an folgenden Symptomen: Ich verhasple mich beim Sprechen, ich habe Probleme mit Namen, ich verlege Dinge, ich denke schneller als ich sprechen kann, ich gehe nicht mehr, ich renne über den Flur, und, das Allerschlimmste, ich habe Schlafprobleme.

Kennen Sie ihn auch, diesen Zustand, in dem man sich fragt, ob das - objektiv betrachtet - eigentlich alles zu schaffen ist oder ob es wohl an der eigenen (Un-)Fähigkeit liegt, dass die höchste Alarmstufe herrscht?

Meist stellt sich dieser Zustand bei mir vor der Sommerpause ein. Der Kalender quillt über von Terminen, meine Ablagekörbe (selbstverständlich ganz professionell in dringend - mittelfristig - langfristig eingeteilt) sind randvoll, meine To-do-Liste ist mindestens eine DIN A4-Seite lang, der Kopf raucht, der innere Druck nimmt zu.

Wohlwissend, dass sich das rote Warnlämpchen wieder mal erst jetzt eingeschaltet hat, wo ich schon völlig außer Puste im Hamsterrad laufe, kann ich mich der Aufgabe nicht entziehen: Der Endspurt muss bewältigt werden. Und ich sollte und darf als Leiterin, als Kopf der Mannschaft und als Motivator jetzt nicht schlappmachen. Wie aber schaffe ich es, gerade noch die ESCAPE-Taste zu drücken?

Ich habe mir im Laufe meiner beruflichen Tätigkeit mein eigenes Unterstützungs- und Hilfsprogramm zusammengeschustert, auf das ich zurückgreifen kann. Geholfen hat mir persönlich, mich zunächst auf die zentrale Botschaft zu besinnen: Hetzen bringt nichts. Am effektivsten ist es, sich nur auf eine Sache voll zu konzentrieren - gemäß der Weisheit: „Wenn Du es eilig hast, gehe langsam!" Sicher hat jeder Mensch sein eigenes System, sich bei Überlastung und Anzeichen von Erschöpfung zu regenerieren und neu zu motivieren. Meine Strategien möchte ich als Anregung für andere und Motivation für ihren persönlichen Weg im Stressmanagement weitergeben.

Punkt Nummer eins: Oberste Priorität hat für mich immer wieder, dass ich mir bewusst mache - und dies bereits und wiederholt im Vorfeld: Ich muss nicht immer perfekt funktionieren, ich darf mir ‚Müde-sein' zugestehen, ich muss auf mich aufpassen. Mir persönlich helfen dabei fernöstliche Entspannungsübungen, aber auch mentales Training. Das soll heißen, ich sage mir selbst: Bleib ruhig, du hast es immer geschafft, es wird auch jetzt wieder klappen. Ich erinnere mich selbst an meine Souveränität, ohne die ich Leitung gar nicht bewältigen könnte.

Punkt Nummer zwei: Sehr unterstützend ist weiterhin generell für mich das Wissen um die die viermal jährlich stattfindende Leiterinnensupervisionsrunde, bei der wir fünf Leiterinnen zusammen mit der Supervisorin gemeinsam unsere auslösenden Stressfaktoren anschauen. Das Betrachten der Situation unter objektiver Anleitung, das ‚Luftablassen' und ‚Sich-verstanden-' und evtl. sogar ‚Getragen-fühlen' geben mir Kraft und auch Mut, nötige Veränderungen einzuleiten und erinnern mich nachhaltig daran, mich bei Bedarf zurückzunehmen oder abzugrenzen.

Punkt Nummer drei: Ich achte gerade jetzt besonders darauf, genügend Bewegung und frische Luft zu haben, und plane bewusst täglich eine halbe Stunde dafür ein. In der Kita achte ich ebenfalls darauf, dass ich meine Pause einhalte und auch entsprechend entspannt gestalte. Ebenso achte ich gerade in diesen Zeiten auf eine ausgewogene Ernährung und trinke genug Wasser. In unserer Einrichtung hat sich ein Ritual eingestellt: Wenn es stressig wird, unterstützen wir uns gegenseitig mit „aufbauender Kost" - das sind vor allem frisches Obst oder hochwertige Säfte.

Punkt Nummer vier bedeutet für mich professionelle Analyse und Ordnung: Dabei zerlege ich fein säuberlich - und dazu nehme ich mir viel Zeit - die einzelnen anstehenden Arbeiten. Es lohnt sich vor dem Endspurt (ca. 4-6 Wochen vor Ferienbeginn), einen ganzen Nachmittag zu investieren, um zeitlich und inhaltlich zu ordnen und zu strukturieren. Ich unterscheide im ersten Arbeitsschritt: Was muss tatsächlich noch v o r den Ferien erledigt werden, was kann warten. Für die vorrangigen Aufgaben setze ich mir dann bewusst Etappenziele. In einem zweiten Schritt gewichte ich nun: Was muss in meinen Händen bleiben, was kann ich delegieren und an wen? Hierbei überlege ich sehr genau, was ich den Mitarbeiterinnen zeitlich zumuten kann, was aber auch nicht. Denn auch sie stehen unter dem Schlussdruck, haben noch Gruppenfeste oder Projekte mit den Schulanfängern oder, oder … Außerdem finde ich es sehr wichtig, dass ich mit meiner Gesamtverantwortung für die Arbeit sehr sorgfältig umgehe. Das heißt für mich aber auch als Konsequenz: Ich kann und darf nicht alles delegieren, Arbeitsteilung ja, aber in einem vernünftigen Maß. Damit meine ich, es ist meine Kunst als Leiterin, zu entscheiden, wie viel und in wessen Hände ich Mitverantwortung lege. Die Absprachen über delegierte Aufgaben treffe ich entweder direkt mit der jeweiligen Kollegin oder ich kläre die Arbeitsteilung im Team. Wichtig finde ich in dieser engmaschigen Situation auch, dass das Team Bescheid weiß, was noch alles anliegt. Denn der Druck auf Leitung und Team wirkt sich natürlich auch auf die Stimmung und Arbeitszufriedenheit aller aus.

Um die bei mir verbleibenden Aufgaben abzuarbeiten, nutze ich nun alle Mittel des Zeitmanagements. Ich vergleiche Zeitfenster und Aufträge miteinander und reserviere für Angelegenheiten, die viel Konzentration und Genauigkeit erfordern, zeitliche Blöcke. An der Bürotür findet man nun vermehrt ein Schild mit z.B. „Bitte nicht stören, mache Abrechnung" o.Ä. (soweit möglich mache ich auch eine Angabe zum reservierten Zeitraum - wichtig für Team und Eltern, die wissen müssen, wann sie mich wieder erreichen). Oder ich verlagere meine Arbeitszeit in den Spätnachmittag - dann, wenn es im Haus ruhiger wird. Ich verordne mir und meinen Mitstreiterinnen Disziplin im Umgang mit Zeit und Aufgaben. Das heißt, dass freigeschaufelte Zeiten für bestimmte Aufgaben auch tatsächlich nicht für anderes benutzt oder verschoben werden dürfen. Je nach Situation kann auch die Erwägung erforderlich sein, den Träger einzubeziehen und mit ihm über eine Entlastung zu verhandeln - sei es in Form einer zusätzlichen Hilfe oder der zeitlichen Verschiebung einer Aufgabe. Davon mache ich natürlich nicht gern Gebrauch, aber es kann notwendig für ein gutes Gesamtergebnis sein, Prioritäten zu setzen und den Träger davon zu überzeugen. In diesen Versuchen habe ich bisher nur gute Erfahrungen gemacht und festgestellt, dass der Träger offen und bereitwillig nach Lösungen suchte, wenn meine Argumente überzeugend waren.

Schlussendlich liegt für mich die größte Herausforderung darin, zu akzeptieren, dass ich im Arbeitsfeld Kita nie fertig sein werde, nie 100 Prozent erreiche. Kaum ist eine Aufgabe erfüllt, stehen schon wieder die nächsten fünf an. Ich muss damit klarkommen, dass es nicht allein in meiner Macht liegt, das Arbeitspensum festzulegen. Was ich steuern kann, ist mein Anspruch an mich selbst und die gezielte Planung der Arbeit. Ich glaube, als Leiterin ist man sehr oft in der Gefahr, sich kräftemäßig zu verausgaben - aus Liebe zum Beruf, aus Pflichtbewusstsein, aus Verantwortungsgefühl, aber vor allem auch wegen des immensen Drucks von außen, der Qualität fordert.

Da heißt es, sich gut zu schützen.

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