„Fuckup-Nights“ – ein Modell für die Kirche?Feier der Fehlerkultur

Wir alle machen Fehler, doch offen darüber zu sprechen, fällt oft schwer. Ein Plädoyer für mehr Offenheit, auch in der „unfehlbaren“ Kirche.

In der Unternehmenswelt erfreuen sich seit ein paar Jahren sogenannte Fuckup-Nights (von Englisch to fuck up – etwas vermasseln, Mist bauen) immer größerer Beliebtheit. Bei diesen Veranstaltungen berichten mehrere Personen aus dem Businessbereich in kurzen Vorträgen ungezwungen davon, welche Fehler sie bei einer gescheiterten Geschäftsidee gemacht haben. Zum einen dient das öffentliche Bekenntnis des eigenen Fuckups der Enttabuisierung und Entstigmatisierung dieser zutiefst menschlichen Erfahrung. Zum anderen können die Teilnehmenden aus den Geschichten der Vortragenden lernen, Lektionen für ihre eigenen Projekte herausziehen und gemeinsam Strategien erarbeiten, wie solche Fehler in Zukunft vermieden werden können. Insgesamt soll so ein Wandel hin zu einer konstruktiveren Fehlerkultur innerhalb von Unternehmen bewirkt werden. Im Jahr 2016 nahmen bei einer der weltweit größten Fuckup-Nights an der Goethe-Universität in Frankfurt über 1000 Interessierte teil und lauschten unter anderem einem Vortrag des heutigen Finanzministers Christian Lindner, der über das lehrreiche Scheitern eines seiner Businessprojekte berichtete.

Die Geschäftswelt ist jedoch bei weitem nicht der einzige Bereich, der laut nach der Etablierung einer Fehlerkultur, nach Umkehr und nach mehr Innovation schreit. Gerade die katholische Kirche hat sich in den vergangenen Jahrhunderten mit einem „unfehlbaren“ Papst, ihren sakrosankten „Heiligen Männern“ und einem Societas-perfecta-Ideal in eine bisweilen menschenfeindliche Wagenburg verwandelt, deren dunkle Seiten spätestens im Zuge der Missbrauchskrise offenbar geworden sind: Betroffenen wurde nicht geglaubt, Taten wurden vertuscht und der Schutz der Täter und der Institution weit über den Schutz der Opfer gestellt – teilweise bis heute. Und auch die evangelische Kirche weist gerade im Umgang mit ihrem Missbrauchsabgrund und den Betroffenen einen eklatanten Mangel an Fehlerkultur und Lernbereitschaft auf.

Es gibt also jede Menge Problemfelder, Fehler und sogar Verbrechen im Kontext der Kirchen, die offen und schonungslos benannt, bereut und aufgearbeitet gehören und aus denen für die Zukunft gelernt werden muss. Aber nur ein Schleifen der immunisierenden Wagenburgen, ein wahrhaftiges Mea Culpa und ein daraus folgender radikaler Wandel „wird euch befreien“ (Joh 8,32).

Wie wäre es also mit einer ehrlichen und schonungslosen Kirchen-Fuckup-Night? Dabei könnten führende Kirchenvertreterinnen und -vertreter das lohnenswerte Wagnis der Fehlbarkeit und Verletzlichkeit eingehen und offen von ihren Fehlern, ihrem Verantwortungsversagen oder ihrer eigenen Schuld berichten. Im Anschluss würden die Teilnehmenden gemeinsam erarbeiten, was aus diesen Fuckups gelernt werden sollte, welche grundlegenden Veränderungen vollzogen werden müssten und wie neue Wege beschritten werden können. Und dann muss natürlich entsprechend gehandelt werden, denn den Unternehmen – und Kirchen – mit einer konstruktiven Fehlerkultur gehört die Zukunft, oder um es mit dem israelischen Historiker und Bestsellerautor Yuval Harari zu sagen: „Wenn Sie wollen, dass Ihre Religion der Welt als Orientierung dient, so lautet meine erste Frage an Sie: ‚Was ist der größte Fehler, den Ihre Religion begangen hat? Was hat sie falsch gemacht?‘ Wenn Sie mir darauf keine einigermaßen ernsthafte und seriöse Antwort geben können, so würde zumindest ich Ihnen nicht trauen.“

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