Wie der Sport, so die Gesellschaft?Streng. Dich. An!

Derzeit klagen viele über „die“ ambitionslose Jugend. Das sollten wir ihnen nicht durchgehen lassen. Denn die Zukunft gewinnen wir nur gemeinsam.

Preisfrage: Wenn die deutschen Fußballer schon wieder in der Vorrunde ausscheiden; und ein halbes Jahr später den Frauen dasselbe passiert; und wenn dann noch, wie in der letzten Woche, deutsche Sportlerinnen und Sportler keine einzige Medaille von der Leichtathletik-WM nach Hause bringen – was ist das? Bloß ein (aus nationaler Sicht) blöder Zufall? Der Beleg, dass es eben nicht immer nur bergauf geht? Eine Anfrage an das System der Förderung des Spitzensports?

Über all das könnte man seriös diskutieren. Nicht jedoch, wenn man Friedrich Merz heißt. Der CDU-Vorsitzende hat die sportlichen Misserfolge soeben umfassend interpretiert. Aus seiner Sicht sind sie nicht weniger als „symptomatisch“ für den Zustand unserer Gesellschaft. Es fehle eben weithin am Leistungswillen. „Sind wir noch bereit, uns anzustrengen?“, fragt der 67-Jährige. Und markig gibt er selbst die Antwort: „Unser Wohlstand lässt sich nicht mit bedingungslosem Grundeinkommen und Vier-Tage-Woche bei vollem Gehalt aufrechterhalten.“

Man muss dem Mann solche Parolen nachsehen. Schließlich ist er im Wahlkampf, nicht zuletzt um seine Kanzlerkandidatur für 2025. Doch in dem Fall ist es Merz tatsächlich gelungen, ein Thema zu setzen. Es ist ja auch so herr-lich (genau so!) eingängig: Wie schwer hatten wir es früher! Und wie verweichlicht sind die jungen Leute von heute! Schon von Sokrates ist eine entsprechende Klage überliefert. „Die Jugend liebt den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den Älteren und schwatzt, wo sie arbeiten sollte.“

Die Rede über „die“ träge Jugend gab es also immer schon. Sie ist wohlfeil, verfängt aber nach wie vor. Es fügt sich ja auch so viel zu einem vermeintlichen Gesamtbild zusammen. Aktuell erregt man sich an den digitalen Stammtischen wahlweise über das geplante Selbstbestimmungsgesetz oder über die Abgabe von Cannabis. Und wenn gar nichts mehr hilft, wird übers Gendern oder über Inklusion hergezogen. Ach ja, und gerade werden ja noch die Bundesjugendspiele und die Nachwuchswettbewerbe im Fußball überarbeitet, also „entwertet“ – Skandal! „Als ob wir keine anderen Probleme hätten!“, heißt es dann. Auch etliche Medien machen mit. „Alle schaffen Wachstum. Wir nicht“, titelte Der Spiegel. Und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung sieht Deutschland als „Nation der Sensibelchen“.

Differenzierungen haben bei dieser Lautstärke kaum die Chance durchzudringen. Dabei wären sie so wichtig. Die Debatte über sportliche Misserfolge und ihre Grundierung durch eine mutmaßlich weithin fehlende Leistungsbereitschaft sei „an den Haaren herbeigezogen“, kritisiert etwa der Sportsoziologe Michael Mutz. Gesellschaft, Schulsport und Spitzensport hätten wenig miteinander zu tun, pflichtet ihm Torsten Burmester vom Deutschen Olympischen Sportbund bei.

Doch wenn wir das Thema unbedingt in einen größeren, gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang setzen wollen, warum dann nicht so: Nehmen womöglich junge Leute etwas wahr, das wir Ältere übersehen haben? Dass das Dasein mehr Dimensionen hat als Leistung? Muss es – gerade vor dem Hintergrund des christlichen Menschenbilds – wirklich in allen Lebensbereichen kapitalistische Muster geben? Anstrengung ist selbsverständlich wichtig! Aber gab es nicht auch einmal die weise, biblische Rede von der „Ethik des Genug“?

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