Die Auferweckung Jesu als Sieg über den TodHoffnung wider alle Hoffnung

Im Römerbrief setzt der Apostel Paulus Abraham und Sara ein literarisches Denkmal. Es verweist auf den Glauben. Angesichts ihrer Kinderlosigkeit, die biologisch nicht mehr zu ändern ist, schreibt Paulus von dem, der zum Stammvater vieler Völker (Gen 12,3) werden wird: „Wider alle Hoffnung ist er auf Hoffnung hin zum Glauben gekommen“ – und zwar an den Gott, der „die Toten lebendig macht und das, was nicht ist, ins Sein ruft“ (Röm 4,17–18).

Im Ersten Korintherbrief begründet der Apostel in der Auferweckung Jesu die Hoffnung, dass am Ende aller Tage die Toten auferstehen werden. In einem Gebet fasst er mit prophetischen Worten (Jes 25,8; Hos 13,14) die Hoffnung wider alle Hoffnung zusammen, die er in der Gemeinde wecken will: „Verschlungen ist der Tod vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ (1  Kor 15,54–55).
In diesem Spannungsbogen von unglaublicher Hoffnung und unbändiger Siegesfreude entwickelt sich der Osterglaube. Die Evangelien verschweigen nicht, wie groß die Verunsicherung und die Anfechtung der ersten Menschen sind, die Jesus nach seinem Tode wiedersehen und nicht fassen können, was geschehen ist, oder die Gute Nachricht nur vom Hörensagen kennen und wie Goethes Faust denken: „Die Worte hör’ ich wohl, allein, mir fehlt der Glaube.“ Weil sie die Ängste nicht verdrängen, machen die Osterevangelien Mut. Weil sie die Zweifel nicht verschweigen, stärken sie den Glauben. Sie machen dort Hoffnung, wo alles dafür spricht, sie fahren zu lassen. Sie verkünden den Sieg über den Tod dann, wenn er definitiv der Sieger geworden zu sein scheint.

Jesus stirbt – und wird begraben

Das Erste, was die Menschen, die auf Jesus ihre Hoffnung gesetzt haben, nicht fassen können, ist das Faktum, dass Jesus tatsächlich gestorben ist und begraben wird. Die Emmausjünger bringen das Problem bei Lukas auf den Punkt: „Wir hatten gehofft, dass er es sei, der Israel erlöse. Aber nun ist schon der dritte Tag, dass dies geschah“ (Lk  24,21). Die Erwartungen waren andere – und mussten es sein, wenn nicht alle Hoffnungen auf den Kopf gestellt werden sollten. Zu Beginn des 2. Jahrhunderts lässt Justin, ein Verteidiger des Evangeliums, seinen Gesprächspartner, den Juden Tryphon, in einem Dialog sagen, dass er sich allenfalls einen leidenden, nie im Leben aber einen gekreuzigten Messias vorstellen könne.
In den Evangelien wird der Schock, den die Passion Jesu ausgelöst hat, in grellen Erinnerungsbildern festgehalten. Die Jünger fliehen bei der Verhaftung; Simon Petrus hat Jesus dreimal verleugnet; nur die Frauen und nach Lukas die engsten Bekannten Jesu halten bis Golgotha aus, wo sie sehen, wie Jesus stirbt und begraben wird. Dass Jesus in den Evangelien immer wieder prophetisch auf seine kommende Passion hingewiesen hat, scheint keinen Eindruck gemacht zu haben. Er müsste blind gewesen sein, wenn er die Gefahr nicht gesehen hätte. Seine Jünger aber wollen nicht wahrhaben, was eintreten wird.
Der tiefe Grund ihrer Angst besteht darin, dass sie nicht wollen, dass Jesus stirbt. Am deutlichsten wird dieser Vorbehalt bei Caesarea Philippi, wenn Petrus Jesus, den er gerade noch als Messias bekannt hat (Mk 8,29 parr.), den Weg verlegen will, da Jesus von der Notwendigkeit seines Leidens spricht (Mk  8,31–33). Er muss sich zwar von Jesus sagen lassen, dass er auf teuflische Weise das, was menschlich ist, gegen das setzt, was göttlich ist; aber wahrscheinlich ist Petrus in keinem Moment seines Lebens den meisten Menschen näher als dort, wo er erklärt, er wolle nicht, dass Jesus stirbt – schon gar nicht für ihn.
Allerdings ist es die Zumutung des Glaubens, dort, wo der Tod endgültig gesiegt zu haben scheint, den Anbruch des ewigen Lebens zu sehen: weil Jesus den Tod, den er stirbt, mit Gottes Menschenliebe füllt und ihm dadurch nicht nur seinen Schrecken nimmt, sondern auch seine Bedeutung verwandelt: Das Ende wird zum Anfang, der Tief- zum Höhepunkt, der Abbruch zum Aufbruch.
Der Tod Jesu ist in der Auferstehung nicht vergessen, sondern gegenwärtig: Der Auferstandene ist und bleibt der Gekreuzigte. Nach dem Lukasevangelium erklärt er den paradoxen Sinn seines Leidens (24,26–27.46–47), nach dem Johannesevangelium trägt er noch seine Wundmale (20,25).
Weil Jesus einen realen Tod gestorben ist, dürfen Menschen auch für ihr Leben, das definitiv mit dem Tod enden wird, auf die Auferstehung hoffen. Weil Jesus den Tod mit Gottes Leben füllt, können Menschen ihn annehmen: Er hat nicht das letzte Wort.

Jesus lebt – für immer und ewig

Alle Evangelien erzählen von zwei Momenten, die den Auferstehungsglauben beflügelt haben: Frauen aus Galiläa haben das Grab Jesu leer gefunden (Mk 16,1–8 parr.), und Menschen haben ihn nach seinem Tod lebendig gesehen, weil er ihnen, wie sie glauben, „erschienen“ ist: in Gottes Kraft. Johannes nennt Maria Magdalena (20,11–18), Paulus „Kephas (Petrus) und die Zwölf“ und dann viele weitere, zuletzt auch sich selbst (1 Kor 15,1–11), Matthäus die übriggebliebenen elf Jünger (28,16–20), Lukas die Emmaus-Jünger (24,13–35) und später über die Zwölf hinaus auch die Mutter Jesu und weitere Menschen aus seinem Umfeld (Apg 1,1–14).
Zwischen beiden Orten gibt es hintergründige Verbindungen: Das Grab, so die Glaubenshoffnung, ist nicht leer, weil der Leichnam Jesu beiseitegeschafft worden wäre, wie Maria Magdalena es befürchtet, sondern weil Jesus von den Toten auferweckt worden ist. Er erscheint nicht als Geist, sondern leibhaftig, so dass er an Körpermerkmalen – seinen Händen und Füßen (Lk 24,39–40), seinen Wundmalen (Joh 20,25), seinem Kommen und seinen Worten (Mt 28,16–20) – als Jesus erkannt werden kann.
Dass es weder für das leere Grab noch für die Erscheinungen eine natürliche Erklärung gibt, ist keine neue Erkenntnis. Nach Markus verschlägt es den Frauen die Sprache, die das leere Grab gefunden haben (Mk 16,8). Lukas erzählt, dass die Apostel die Botschaft der Frauen vom leeren Grab für Geschwätz gehalten haben (24,11). Maria Magdalena kann sich bei Johannes alles Mögliche vorstellen, als sie das Grab leer findet, nur nicht die Auferstehung – bis Jesus selbst sie mit ihrem Namen anspricht. Matthäus erzählt, dass die Jünger auf dem Auferstehungsberg in Galiläa gezweifelt haben, als Jesus ihnen erschien ist (28,16). Lukas überliefert, dass die Apostel den Auferstandenen, als er zu ihnen kommt, für einen Geist halten (24,37). Johannes erzählt vom Eingeständnis des Thomas, nicht glauben zu können, wenn er nicht sehen und berühren dürfe – und von der Bereitschaft Jesu, seinem ungläubigen Jünger zum Glauben zu verhelfen (20,24–29).
Ohne einen lebendigen Gottesglauben macht die Osterbotschaft keinen Sinn. Der Glaube selbst aber muss vernünftig sein. Er kann sich Gott nicht mit guten Gründen als Zauberer vorstellen, der auf spektakuläre Tricks setzt. Er kann aber zwei wesentliche Auskünfte geben. Zum einen: Die Auferstehung Jesu kann man nur glauben; sie lässt sich nicht beweisen, weil sie Gott mitten im Leben offenbart, alle menschlichen Gottesgedanken aber zu kurz greifen. Zum anderen: Die Auferweckung Jesu ist per definitionem einmalig; es gibt keine Analogie zu ihr. Alle naturwissenschaftlichen Theorien setzen aber voraus, dass es unter denselben Voraussetzungen immer dieselben oder doch sehr ähnliche Ereignisse und Erscheinungen gibt. Deshalb kann die Physik die Auferstehung weder beweisen noch widerlegen; sie muss sich Zurückhaltung in Glaubensdingen auferlegen. Ebenso wäre es übergriffig, aus dem Osterevangelium eine naturwissenschaftliche Supertheorie abzuleiten.
Das leere Grab ist im Neuen Testament ein Zeichen dafür, dass nicht der Tod Jesus, sondern Jesus den Tod besiegt hat. Die Auferstehung selbst wird im Neuen Testament nicht erzählt (sondern erst im apokryphen Petrusevangelium, das aus dem Anfang des 2. Jahrhunderts stammt). Die Evangelien lassen eine bedeutungsvolle Lücke zwischen dem Begräbnis und dem Ostermorgen – weil die Auferstehung ein Geschehen ganz eigener Art ist, nicht wie irgend ein anderes Ereignis auf dieser Welt. Im Rückblick auf den Tod Jesu wird das leere Grab gedeutet; im Aufblick zu Gott entsteht der Glaube, dass die Erscheinungen des Auferstandenen keine Illusion oder Projektion, sondern eine Offenbarung sind.

Jesus spricht – und weckt den Glauben

Was sich in den Erscheinungen abspielt, wird von den Evangelien nicht im Wortlaut festgehalten, sondern in hohem Maße stilisiert, so dass einerseits die Intimität des Augenblicks gewahrt wird und andererseits die weltbewegende Neuheit des Geschehens zum Ausdruck kommt. Es gibt kein einheitliches Schema, sondern eine Fülle von Variationen, die auf die unterschiedlichen Traditionen und Interessen der Evangelisten, aber auch auf die vielen verschiedenen Menschen abgestimmt sind, die durch Jesus selbst, der von den Toten auferweckt worden ist, zum Glauben kommen.
Immer werden sie ganz persönlich angesprochen: mit ihren Hoffnungen und Ängsten, ihren Erfahrungen und Aufgaben. Immer wieder wird die Heilige Schrift, die Bibel Israels, herangezogen, um mit den Augen Jesu neu gelesen zu werden und den Heilssinn der Auferstehung zu erschließen. Immer wieder zeigt sich Jesus in sprechenden Gesten und wirksamen Worten als er selbst: Maria Magdalena spricht er bei Johannes mit ihrem Namen an (20,16), Thomas zeigt er seine Wundmale (20,27); Petrus fragt er am See von Tiberias dreimal, ob er ihn liebe (21,15–17) – so wie der ihn dreimal verleugnet hatte (18,15–18. 25–27). Bei Lukas lässt Jesus die Emmaus-Jünger die Geschichte ihrer Enttäuschung erzählen, bis er ihnen – Schritt für Schritt – zuerst die Heilige Schrift aufschließt und ihnen dann das Brot bricht (24,13–35). Bei Matthäus erinnert er die Jünger, denen er erscheint, an das, was er ihnen vor Ostern als Wegweisung mitgegeben hat, die nun auf der ganzen Welt, unter allen Völkern verbreitet werden soll (Mt 28,16–20).
In dem, was Jesus als Auferstandener sagt, kommt die Theologie der Auferweckung zur Sprache: Sie ist nicht eine Selbstbestätigung Jesu, sondern die Erhöhung Jesu zur Rechten des Vaters, von wo aus er in Erscheinung tritt. Sie enthebt Jesus nicht der Welt und den Menschen, sondern begründet eine neue Nähe, die durch die österliche Begegnung selbst angezeigt wird: das Sprechen und Berühren, das Segnen und Senden. Sie ist nicht nur die Bestätigung des Evangeliums Jesu, sondern zielt auf die Begründung weltweiter Mission (vgl. Apg 1,8). Sie ist nicht die Selbstrettung Jesu von der Erde in den Himmel, sondern die Vergegenwärtigung seines Heilsdienstes, der in seiner Lebenshingabe kulminiert.

Jesus wirkt – in Gottes Kraft

Der Ostertag ist kein Ende, sondern ein Anfang. Johannes erzählt von Erscheinungen an mehreren Sonntagen nacheinander. Lukas bemisst in der Apostelgeschichte einen Zeitraum von – idealen – vierzig Tagen, da Jesus neu das Reich Gottes verkündet (Apg 1,3). Paulus zählt Hunderte auf, die Jesus im Osterglanz gesehen haben (1 Kor 15,5–7). Er rechnet sogar noch sich selbst zu den Urzeugen der Auferweckung, wenngleich außerhalb der Reihe und nur noch als letzte Ausnahme von der Regel (1 Kor 15,8–11).
Dieser Einschnitt macht klar. Die Osterzeit wird enden – und die Zeit des Lebens in der Kraft der Auferstehung beginnt. Jesus verheißt nach Matthäus seinen Jüngern: „Ich werde bei euch bleiben alle Zeit, bis ans Ende der Welt“ (28,20). Dieses Bleiben ist höchste Aktivität: Befähigung, Beistand, Begleitung. Nach Johannes hat Jesus die Jünger am Ostertag angehaucht, damit sie mit dem Atem Gottes die Sünden vergeben, also auch die Not beenden und den Tod besiegen können (20,22–23). Nach Lukas verheißt er denen, die er neu um sich versammelt, den Heiligen Geist (Lk 24,47–49; Apg 1,8), der sie inspirieren wird, öffentlich das Wort zu ergreifen, um für die Auferstehung Zeugnis abzulegen. Pfingsten ist der Startschuss für die Mission (Apg 2): Die Auferstehung ist nicht vergangen, sie hat Zukunft: Wider alle Hoffnung gibt sie Grund zur Hoffnung auf den Sieg des Lebens über den Tod.

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