Die Synode im Bistum TrierAuf den Weg geschickt als Volk Gottes

Die erste Diözesansynode in Deutschland seit über 20 Jahren treibt einen grundlegenden Perspektivenwechsel an. Seit Dezember 2013 tagt die Diözesansynode im Bistum Trier. Die Verantwortlichen im Bistum Trier betreten damit Neuland. Warum ist der Trierer Bischof dieses Wagnis eingegangen? Welche Ergebnisse sind schon abzusehen? Wie hat die praktizierte Synodalität das Bistum geprägt? Im folgenden Beitrag gibt der Trierer Bischof einen Einblick in die zurzeit einzige Diözesansynode in der deutschen Kirche.

Fazit

  • Die Synode im Bistum Trier hat sich intensiv mit den prägenden Entwicklungen unserer Zeit beschäftigt. So kann sie eine Ortsbestimmung der Kirche im Bistum Trier in der sozialen, politischen, religiösen, kulturellen und kirchlichen Landschaft vornehmen.
  • Sie erkennt die Herausforderung, mit ihren Beschlüssen, Antwort zu geben auf den epochalen Gestaltwandel der Kirche.
  • Sie strebt grundlegende Perspektivwechsel an und bildet Handlungsschwerpunkte, die diese Veränderungen unterstützen.
  • Die Synode im Bistum Trier hat bereits zu einer veränderten Qualität des Miteinanders geführt.
  • Als Instrument der Kirche, die immer aus „menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst“ (LG 8), ist die Synode „politische“ Arena, Strategieentwicklungselement und geistlicher Prozess.

Im Frühjahr 2012 verdichtete sich in unserem Bistum der Gedanke an eine Synode als eine besondere Form der Beratung des Volkes Gottes für den Bischof. Es war über 50 Jahre her, dass im Bistum Trier eine Diözesansynode abgehalten wurde (1956), und auch in den übrigen deutschen Diözesen war seit über zwanzig Jahren diese kirchenrechtlich verfasste Beratungsform nicht mehr praktiziert worden. Nach langjährigen pastoralen Umstrukturierungsprozessen, die noch unter meinem Vorgänger initiiert worden waren, traf ich bei meinen Besuchen in den Gemeinden immer wieder auf den Wunsch nach einer stärker inhaltlich ausgerichteten Selbstvergewisserung über die Frage des Glaubens und der Kirche in unserer Zeit. Dieser Wunsch stieß nicht nur bei mir selbst, sondern auch im Domkapitel und bei den Leitungsverantwortlichen im Bischöflichen Generalvikariat auf offene Ohren, nicht zuletzt aufgrund der intensiven spirituellen Erfahrung, die wir im Bistum durch die Heilig- Rock-Wallfahrt 2012 gemacht hatten. Zugleich konnten wir, trotz aller Schwierigkeiten, bei den Umstrukturierungsprozessen auf gute Erfahrungen mit verschiedenen Beteiligungsverfahren zurückblicken.

Tatsächlich eine Synode

Dennoch gab es zunächst Bedenken, eine Synode im kirchenrechtlichen Sinn durchzuführen. Zum einen hatten wir mit dieser Form keine Erfahrung, auf die wir hätten aufbauen können. Zudem sahen wir in einem Synodenprozess eine große Herausforderung in rechtlicher wie in methodischer Hinsicht. Wir wollten uns doch möglichst ohne „Ablenkung“ der inhaltlichen Auseinandersetzung zuwenden und nicht schon wieder rechtliche Fragen bearbeiten und Ordnungen erstellen. Dennoch brach sich in den Beratungen mit dem Domkapitel und im Priesterrat die Überzeugung Bahn: Wir wollen eine Synode in der vom Kirchenrecht her vorgesehenen Form wagen. Der verbindliche Charakter einer Synode unterstrich meine Absicht, dass ich ernsthafte Beratung erwartete, keine unverbindlichen Austauschrunden und nicht bloß die übliche ‚Klage über Gott und die Welt‘. Dadurch wurde klar – trotz anfänglicher Skepsis und im Bewusstsein des Wagnisses: Also doch eine Synode im eigentlichen Sinn des Wortes!

Den prägenden Entwicklungen nicht ausweichen

Natürlich gab es die Kritik, dass eine Synode nicht nach, sondern vor den Strukturreformen nötig gewesen wäre. Jetzt könne sie nicht mehr als ein verspätetes Anhängsel an die Strukturreformen der letzten Jahre sein.

Aus heutiger Sicht würde ich es als einen Vorteil für die Synode betrachten, dass sie nicht durch strukturorientierte Fragen motiviert war, auch wenn sie um eine kritische Überprüfung struktureller Vorgaben nicht herumkommt. Die Fragen, um die es uns gehen sollte, gingen darüber hinaus: Wie wollen wir persönlich und gemeinsam unseren Weg des Glaubens im Bistum Trier gehen in den sich rasant ändernden Rahmenbedingungen des 3. Jahrtausends? Wie können wir uns neu inspirieren lassen von der Botschaft Jesu Christi, damit sie unser Leben noch stärker prägt? Oder noch einmal anders – in der Sprache der Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. – gefragt: Wie können wir uns in neuer und vertiefter Weise evangelisieren lassen und evangelisierend wirken? So lautete eine erste thematische Aufgabenumschreibung in der Predigt zur Ankündigung der Synode am 29. Juni 2012. Während der Vorbereitung der Synode von Dezember 2012 bis Dezember 2013 nahm der Blick auf die „sich rasant ändernden Rahmenbedingungen des 3. Jahrtausends“ eine bedeutende Rolle ein. Die Rückmeldungen zu den möglichen Themen der Synode, um die wir das Bistum in der Vorbereitungszeit gebeten hatten, machten uns deutlich, dass wir den konzeptionellen Aufbau der Diözesansynode so zu gestalten hatten, dass das Verstehen und Deuten der prägenden Entwicklungen unserer Zeit ein methodisches Gewicht bekommen mussten. Die Themen und Fragen unseres Glaubens würden wir nicht allgemein und abstrakt beraten können. Wenn wir zu hilfreichen Richtungsentscheidungen kommen wollten, mussten wir den „gegenwärtigen Moment“ verstehen. Die Instruktion über die Diözesansynoden von 1997 (I,2) bringt dies treffend auf den Punkt, wenn sie die Aufgabe einer Diözesansynode „in der gemeinsamen Suche dessen“ sieht, „was der Geist Gottes im gegenwärtigen Moment von der Teilkirche verlangt“.

Sich der Realität stellen

Neun prägende Entwicklungen haben die Synodalen für unsere Zeit identifiziert, in die sowohl soziologische Erkenntnisse als auch die Rückmeldungen der Christinnen und Christen im Bistum Trier eingeflossen sind: Individualisierung, Pluralisierung, Wandel der Geschlechterrollen, Religiosität, demografischer Wandel, Flexibilisierung, Medien- und Kommunikationsgesellschaft, Ökonomisierung und Bedrohtes Leben. Vor allem die Entwicklungen der Individualisierung, der Pluralisierung und die Veränderungen in der Religiosität der Menschen haben unsere Auseinandersetzungen geprägt. Es wurde spürbar, dass wir als Ortskirche in einem kritischen Moment stehen. Generalvikar Georg Bätzing brachte dies während der fünften Vollversammlung im September 2015 ins Wort. Zu diesem Zeitpunkt hatten zehn Sachkommissionen bereits über ein Jahr intensiv gearbeitet und insgesamt 102 Empfehlungen vorgelegt. Darin fanden sich viele gute Ideen, viel Kreativität, auch mutige und weitreichende Gedanken. Insgesamt spürten aber die meisten Synodalen: „Das ist zu viel und führt nicht in die Zukunft. Damit treffen wir keine Entscheidung. Zu dem vielen, was jetzt schon an Aufgaben in unserem Bistum vorhanden ist, kommt noch mehr dazu.“ Der Generalvikar griff das auf: „Die Kirche wird sich unter den prägenden Bedingungen unserer Zeit auflösen. So, wie Kirchenbildung bisher geschah, wird es nicht mehr weitergehen. Unsere Alternative ist nur, neue Formen der Vergemeinschaftung und Kirchenbildung zu finden und zu stärken. Was das für uns heißt, haben wir noch nicht wirklich reflektiert.“ Der Generalvikar erinnerte damit das Plenum eindringlich an den ursprünglichen Auftrag der Synode, eine „Ortsbestimmung“ vorzunehmen in der sozialen, politischen, religiösen, kulturellen und kirchlichen Landschaft, in der wir uns derzeit befinden. Mit Hilfe eben dieser Ortsbestimmung soll sodann der Auftrag der Trierer Kirche klarer und entschiedener in den Blick genommen werden.

Den Synodalen und mir selbst ist im Prozess der Synode deutlich geworden, dass wir herausgefordert sind, Antwort zu geben auf den epochalen Gestaltwandel, in dem die Kirche in unserem Bistum steht. Selbst wenn wir von Anfang an intuitiv darum wussten, hat es einen Prozess über fünf Vollversammlungen gebraucht, um uns mit dieser Realität so zu konfrontieren, dass konkrete Konsequenzen daraus erwachsen können. Inzwischen herrscht in der Synode ein breiter Konsens darüber, dass Vorschläge, die bloß darauf abzielen, die Elemente der bisherigen sozialen Gestalt der Kirche zu stützen, zu verstärken oder wiederzubeleben, zum Scheitern verurteilt sind, selbst wenn man anderes dafür zurückstellen oder gar aufgeben würde. Mit einigen Kurskorrekturen hier und ein paar „pastoraltechnischen“ Verbesserungen da, ist es nicht getan. Es geht um Grundsätzlicheres.

Perspektivwechsel

Nach dem „Weckruf “ des Generalvikars wurde von der Synode eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um die 102 Einzelempfehlungen, die die zehn Sachkommissionen der Vollversammlung vorgelegt hatten, zu priorisieren. Die Arbeitsgruppe griff dabei nochmals auf die prägenden Entwicklungen der Zeit zurück. Priorisiert wurde eine Empfehlung dann, wenn sie die Herausforderungen, die sich aus der Individualisierung, der Pluralisierung und der veränderten Religiosität ergeben, annimmt und darauf antwortet.

Statt kleiner Kurskorrekturen hat die eingesetzte Arbeitsgruppe dann der sechsten Vollversammlung drei grundlegende Perspektivwechsel vorgeschlagen, die sich als gemeinsame Stränge aus den Einzelempfehlungen herauslesen ließen. Die Synode hat sich diese Perspektivwechsel mit großer Mehrheit zu eigen gemacht. Sie lauten: Vom einzelnen Menschen her denken – Charismen vor Aufgaben in den Blick nehmen und: weite pastorale Räume einrichten und netzwerkartige Kooperationsformen verankern.

Vom einzelnen Menschen her denken

In der dritten, vierten und fünften Vollversammlung wurde deutlich, dass uns die innere Annahme und Akzeptanz der Individualisierung und die damit verbundene Freiheit des Menschen eine Wahrheit des Evangeliums ganz neu erkennen lässt, auch wenn sie eine Bedrohung für die Sozialform der Kirche darstellen kann: Gott schaut jeden einzelnen Menschen ganz persönlich an. Jeder Mensch ist einmalig. Jeder Mensch ist in Freiheit von Gott gerufen und angesprochen. So hat es auch Jesus in seinen Begegnungen mit den Menschen praktiziert. Wurde der einzelne Mensch bisher häufig mehr von der Kirche her gedacht, soll die Kirche nun stärker vom Einzelnen her denken.

Charismen vor Aufgaben in den Blick nehmen

Ein aufgabenorientiertes Verständnis des kirchlichen Handelns geht eher von festgelegten Tätigkeiten und Aufgaben aus und sucht dafür Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Empfehlungen vieler Sachkommissionen betonen aber: Das Gesicht der Kirche wird geprägt von den Gaben (Charismen), die der Heilige Geist den Getauften schenkt. Die Zukunft der Kirche im Bistum Trier liegt demzufolge in erster Linie darin, dass die Getauften ihr Christsein entdecken und leben.

Weite pastorale Räume einrichten und netzwerkartige Kooperationsformen verankern

Die bestehende Struktur des Bistums ist trotz mancher Zusammenlegungen bisher durch Pfarreien überschaubarer Größe bestimmt. Für viele Gläubigen ist die Pfarrei nach wie vor die entscheidende Identifikationsgröße in ihrer Glaubensbiografie.

Die Zukunft der Pfarrei liegt nach Ansicht der meisten Synodalen darin, dass Pfarrei sich als ein Netzwerk mit unterschiedlichen Knotenpunkten gestaltet. Im Unterschied zu den bisher bestehenden Pfarreien, in denen (oft mit großer Anstrengung) versucht wird, überall ein mehr oder weniger gleiches pastorales Angebot zu gewährleisten, sollen die kirchlichen Knotenpunkte in den größeren Räumen durchaus unterschiedliche Akzente haben: So soll es Orte geben, die stärker gottesdienstlich geprägt sind, andere könnten einen diakonisch- caritativen Schwerpunkt haben, andere stärker von Aktivitäten der Kinder- oder Jugendarbeit geprägt sein, wieder andere sich stärker auf das Engagement einer bestimmten Gruppe von Gläubigen stützen. Das Prinzip der pastoralen Räume soll heißen: „Nähe und Weite statt Enge und Ferne!“

Das Herausarbeiten der drei Grundorientierungen und deren Akzeptanz durch die Vollversammlung machten dem Synodenplenum eine Priorisierung der vielen vorliegenden Empfehlungen möglich. Die kriteriologischen Fragen dazu lauteten: Welche Kulturmerkmale der Kirche im Bistum Trier sind zukünftig zu stärken, um diese Perspektivwechsel umzusetzen? Welche individuellen Haltungen sind dazu nötig? Welche konkreten Maßnahmen helfen, die neu gewonnenen Perspektiven in den konkreten Handlungsfeldern mit Leben zu erfüllen? Anhand dieser Fragen wurden die vorliegenden Empfehlungen der Kommissionen überprüft, und die Synodalen erklärten sich einverstanden, auf einen Teil der von ihnen vorgetragenen Empfehlungen zu verzichten. Dadurch werden nun wirkliche Richtungsentscheidungen durch die Synode möglich. Sie sollen in der siebten und letzten Synodenvollversammlung Ende April getroffen werden. Die Grundlage dazu wird ein Abschlussdokument sein, das von einer eigens eingerichteten Redaktionskommission vorbereitet wird.

Das synodale Prinzip

Während die drei oben beschriebenen Perspektivwechsel sich aus der inhaltlichen Arbeit der Synode ergeben haben, ist während der jüngsten Vollversammlung auf Initiative einiger Synodaler eine weitere Perspektive für die Zukunft im Bistum Trier eingebracht und positiv votiert worden. Sie heißt: Das synodale Prinzip bistumsweit verankern. Die Synode ist noch nicht vorüber, und wir erwarten noch lebhafte Diskussionen. Dennoch erlaubt das Votum für das synodale Prinzip bereits ein positives Zwischenfazit: Schon jetzt hat die Synode das Miteinander von Haupt- und Ehrenamt, von Laien und Priestern, von den in der pfarrlichen Pastoral Engagierten und denen, die in den sogenannten kategorialen Bereichen des kirchlichen Lebens arbeiten, in positiver Weise verändert. Das gemeinsame Sehen, Hören, Diskutieren und Entscheiden hat zu einer neuen Qualität der Kommunikation beigetragen. Natürlich gilt diese Erfahrung bisher vor allem für diejenigen, die direkt an der Synode beteiligt sind. Die Erfahrung ermutigt aber, das synodale Prinzip bistumsweit zu etablieren.

Gemeinsame Verantwortung

Ich habe die Synode seinerzeit ausgerufen, um der gemeinsamen Verantwortung des Volkes Gottes im Bistum Trier eine konkrete und verbindliche Form zu geben. Die Synode ist für mich als Bischof zu einer sehr dichten Erfahrung unserer kirchlichen Gemeinschaft geworden: Sie ist eine „sichtbare Versammlung“ (LG 8), mit methodischer Sorgfalt vorbereitet, um Strategieentwicklung zu betreiben. Sie bietet eine „politische“ Arena, in der unterschiedliche Interessen artikuliert werden. Sie ist aber zugleich ein geistlicher Prozess, in dem die „geistliche Gemeinschaft“ (ebd.) der Kirche dem Ruf ihres Herrn folgt. So bin ich wirklich zuversichtlich, dass sich im weiteren Verlauf der Synode bewahrheitet, was ich zu Beginn als Überzeugung und als Hoffnung formuliert habe: Wenn wir durch das Hören auf Gottes Wort, durch das bereitwillige Hören aufeinander, durch das Hören auf die ‚Zeichen der Zeit‘ und aus dem persönlichen sowie dem gemeinsamen Gebet heraus beraten, dann wird uns der Herr die richtigen Wege zeigen. Er wird uns auf unserem Weg nicht allein lassen. Er wird uns erst recht nicht böswillig in die Irre oder in die Sackgasse führen. Er wird uns helfen. Er wird wirken in uns. Denn wir sind es, die der Herr in dieser Zeit als Volk Gottes im Bistum Trier auf den Weg geschickt hat. Das müssen wir ernst nehmen. Darin liegt unsere Würde, aber auch unsere Verantwortung.

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