Rezensionen: Geschichte & Biografie

Bierling, Stephen: Nelson Mandela. Rebell, Häftling, Präsident. München: C.H. Beck 2018. 416 S. Gb. 24,95.

Begegnungen und Bildungsabschnitte des jungen Nelson Mandela (1918-2013) veranschaulichen dessen Werdegang: Im Studium erlebt er seine erste rassistische Demütigung, als er zu einer Nachprüfung nicht zugelassen wird. Er steigt in die Führungsriege des ANC (African National Congress) auf und radikalisiert sich als Anwalt. Mit 3000 gleichgesinnten „Gemischtrassigen“ (74) beschließt er 1955 die Freiheitscharta, Grundlage der späteren Übergangs-Verfassung von 1993 (308). Die Verfolgung durch das Regime und seine politische Aktivität gegen die Apartheid zwingen ihn in den Untergrund, später in jahrzehntelange Haft wegen Hochverrats (1962-1990) wodurch seine beiden ersten Ehen mit Evelyn (1944-1958) und Winnie (1958-1992) letztlich scheitern.

Der zuvor sprunghafte und leicht erregbare, arrogant wirkende Nelson wird während der Haft auf der Gefängnisinsel Robben Island reifer, selbstbewusster und -beherrschter. Wesentlichen Anteil an seiner Überzeugungskraft als politischer Führer haben sein unbeugsamer Wille und sein Charisma. Wie diese Wandlung geschieht, erlebt der Leser einfühlsam mit. Schon vorher haben Verhandlungen – z.T. noch während der Haft – stattgefunden, deren Ziele möglichst mit der ANC-Führung rückgekoppelt werden. Mandela will sich auf keinerlei Bedingungen für seine Freiheit einlassen. Erst Präsident de Klerk, nachdem Botha vom eigenen Kabinett entmachtet ist, sieht ein, dass es ohne Mandela zum Bürgerkrieg in Südafrika kommt und lässt ihn bedingungslos frei.

Seine diplomatische Mission als ANC-Präsident gerät zum Triumph: Der Papst und die Queen empfangen ihn zur Privataudienz, wobei er letztere sogar mit Vornamen anreden darf. Nach drejährigem Verhandlungsmarathon wird Mandela mit überwältigender Mehrheit zum Präsident gewählt. Seine wichtigsten Erfolge sind die Versöhnung zwischen den zerstrittenen weißen und schwarzen Gruppierungen in Südafrika und die Einrichtung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission unter Leitung von Desmond Tutu: Hier hatten die Betroffenen schwerer Menschenrechtsverletzungen ein Forum und die Kommission hatte die Befugnis, die Beschuldigten zur Stellungsnahme vorzuladen. Bereuten sie ihre Verbrechen nicht, wurden sie angklagt und gerichtlich abgeurteilt.

Misslich findet der Autor die bedingungslose Loyalität auch trotz nachgewiesener Ignoranz und Korruption beim ANC, welcher diese Haltung bis zum unwürdigen Tod des großen Mannes schamlos ausnutzt. Einzig seine dritte Frau Graca Machel hilft ihm, den Unruhestand nach 1999 einigermaßen würdig zu überstehen.

„Nelson Mandela“ ist ein beeindruckendes, gründliches und unparteiisches Buch, das sich durch den Blick von außen (viele Fotos) und einen globalen politischen Rahmen auszeichnet. Gleichwohl vermeidet es unnötige Längen und versteht es, die Spannung aufrecht zu erhalten.
Statt eines Vorworts schildert Bierling den Zauber, der von Mandela lebenslang ausging, begründet die Erweiterung der Biografie und mündet in den Dank an seine Informanten und Quellen, wobei deren Vielfalt deutlich wird. Ein rundum lesenswertes Buch.

 Eberhard Ockel

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Bierling, Stephen

Nelson MandelaRebell, Häftling, Präsident

München: C.H. Beck 2018. 416 S. Gb. 24,95.

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