Gottesdienst am 29. Dezember 2024Immanuel - Gott mit uns - durch die Zeit

1. Sonntag nach dem Christfest, Matthäus 2,13-18

Sie sind in Sorge. Sie sind in Sorge um ihr Leben – und das ihrer Lieben. Beide wissen, wie gefährdet sie sind und wie gefährlich ihre Lage ist. Beide haben unterschiedliche Möglichkeiten, mit der lebensgefährlichen Situation umzugehen.
Obwohl sie so gegensätzliche Ausgangspositionen haben, verbindet sie das Bedürfnis nach Sicherheit und Zukunft für ihre Familie.
Der scheinbar Mächtige ist doch ohnmächtig und verliert seinen Ruf für Jahrtausende.
Der scheinbar Ohnmächtige ist doch handlungsfähig und geht als „gerecht und fromm“ (Mt 1,19) in die Geschichte ein.
Der heutige Predigttext mutet uns etwas zu:

Lesung Matthäus 2,13–18

Josef

Sie sind in Sorge. Sie sind in Sorge um ihr Leben – und das ihrer Lieben. Beide wissen, wie gefährdet sie sind und wie gefährlich ihre Lage ist. Beide haben unterschiedliche Möglichkeiten, mit der lebensgefährlichen Situation umzugehen.
Obwohl sie so gegensätzliche Ausgangspositionen haben, verbindet sie das Bedürfnis nach Sicherheit und Zukunft für ihre Familie.
Müde von all der Aufregung der vergangenen Tage ist er. Der Besuch ist gegangen. Sie sind zu dritt allein in ihrer jungen Familie. Endlich ausruhen und Schlaf nachholen. – So stelle ich mir die Situation von Maria und Josef mit ihrem Säugling vor. Doch wieder wird es für den Familienvater keine ruhige Nacht. Nur wer selbst in ähnlicher Situation war, ahnt, welche Gefühle und welches Handeln zwischen den Zeilen stehen: Aus dem Schlaf gerissen, Maria wecken, die wenigen Habseligkeiten einpacken, den Lastesel beladen, und los, hinaus in die Dunkelheit, zu Fuß gen Süden. Sie schlagen den Weg in Richtung Sicherheit ein, den Generationen vor ihnen und nach ihnen geflohen sind (vgl. Gen 12,10–20; Jer 26,20–24; 1. Kön 11,4a). Kein Stern, der ihnen den Weg weist, nur den Auftrag des Boten im Ohr (Mt 2,13).

Vom Weg, vom Ankommen, vom Sich einfinden als Flüchtling, vom Neuanfang im fremden Land, kein Wort. Von Angst, Erschöpfung, Niedergeschlagenheit keine Zeile. Von Maria kein Ton. Alles, was zählt, ist, dass sie es geschafft haben, dass das Kind gerettet ist und eine Zukunft hat.
Und dass es eben nicht irgendein Kind ist, für das Josef Verantwortung trägt! Für die ersten Leser des Matthäusevangeliums ist es eine vertraute Erzählung, dass ein junger Mann mit Namen Josef mit Hilfe anderer nach Ägypten entkommt, sein Leben rettet und so seine Familie Zukunft hat. Sie kennen einen jungen Mann mit Namen Josef, der mit seiner Fähigkeit Träume zu deuten, lebenswichtige Entscheidungen in die Wege leitet. Auch dieser Josef rettet sich und seine Familie, weil er auf die Stimme eines Boten im Traum hört und danach handelt. So finden sie im Land Ägypten Zuflucht, bis die Gefahr in der Heimat vorbei ist. Dass noch viel mehr auf dem Spiel steht als die Bewahrung einer Flüchtlingsfamilie, daran erinnert der Verfasser des Matthäusevangeliums mit einem direkten Verweis auf das Buch der Propheten: Es ist eben sein Sohn und doch nicht sein Sohn, für den der menschliche Ziehvater Josef hier alles riskiert. Gott selbst ist der Vater des Kindes, das durch diese Flucht bewahrt wird. Gott selbst ist es, der seinem Volk wieder Befreiung aus der Bedrückung schenken wird. Aus erbarmender Liebe und in fast verzweifelter Fürsorge (Hos 11,1–11) bleibt der himmlische Vater Beschützer und Befreier seiner Menschen, die ihre eigenen Wege gehen. Das sind der Trost und die Hoffnung, die in den ersten Zeilen des heutigen Predigttextes stehen.
Wer Angst hat und unter Druck ist, steht in Gefahr Fehler zu machen. Doch Josef ist bewusst, wem er seine Sorge um sich und die Seinen still schweigend anvertraut. Er nutzt die Möglichkeit, die er bekommt, den Rat eines Boten Gottes. Deshalb kann er diesen lebensgefährlichen Weg einschlagen, der in die Sicherheit und Zukunft für seine Familie führt. So rettet er den, der sein Volk retten wird: Jesus, Immanuel: Gott mit uns (Mt 1,21.23).

Herodes

Sie sind in Sorge. Sie sind in Sorge um ihr Leben – und das ihrer Lieben. Beide wissen, wie gefährdet sie sind und wie gefährlich ihre Lage ist. Beide haben unterschiedliche Möglichkeiten, mit der lebensgefährlichen Situation umzugehen.
Obwohl sie so gegensätzliche Ausgangspositionen haben, verbindet sie das Bedürfnis nach Sicherheit und Zukunft für ihre Familie.
Müde vom Warten auf die Rückkehr der Weisen ist er. Unruhig kreisen die Gedanken. Unklare Herrschaftsverhältnisse zum eigenen Aufstieg zu nutzen, das kennt und kann er. Schließlich ist er selbst so an die Macht gekommen. Doch nun wird ihm klar, dass er hintergangen wurde. Er, das Familienoberhaupt mit Verbindungen in höchste Kreise. Er, der Herrscher mit Einfluss über Ländergrenzen hinweg. Er hat sich von Fremden hinters Licht führen lassen. Er hat es nicht vermocht, durch eigene heimliche List (Mt 2,7) die drohende Gefahr von sich und seiner Familie abzuwenden. Beschämt, unfähig irgendetwas an dieser Lage diskret zu ändern, wird er zornig. – So stelle ich mir die Situation des Mannes vor, der als König Herodes (Mt vermeidet hier den Titel!) die politische Verantwortung für Sicherheit und Frieden trägt und nun den Aufstand fürchten muss. Kaum einer ahnt, welche Gefühle und welches Handeln hier zwischen den Zeilen stehen: Der Schock der Erkenntnis, betrogen worden zu sein, die Angst vor dem Ansehens- und Autoritätsverlust. Der Gefahr muss schnell Einhalt geboten werden. Er schlägt den Weg in Richtung Sicherheit ein, den autoritäre Herrscher-Generationen vor ihm und nach ihm gegangen sind und der unter keinem guten Stern steht. Aus Angst befiehlt er Völkermord (vgl. Ex 1,22). Er hat kein Wort eines anderen im Ohr – nur seinen eigenen grausamen Befehl, mit dem Leben aller Kleinkinder auch die Gefahr eines Aufstands zu beseitigen, der seinem Friedensreich das Ende brächte.

Von einer Beratung im Kreis von Vertrauten (so noch in Mt 2,4), von ihrem Abraten, Alternativen oder Widerspruch. Kein Wort. Niemand dringt mehr zu ihm durch. Dabei hatte er bisher mit Hilfe seiner Kontakte einer Generation Frieden gebracht. Mit zunehmendem Alter und wahnhaften Zügen kann sein Netzwerk ihn nicht mehr halten. Er nutzt keine diese Möglichkeiten mehr. Von einer Reaktion derer, die den Befehl zum Massaker ohne Massengräber bekamen und ihn ausführen mussten, keine Zeile. Alles, was zählt, ist, dass sie es schaffen, dass das Kind getötet wird und seine Dynastie eine Zukunft hat.

Aber von den Müttern und Vätern, den Familien der Opfer, ein Ton: ein Schmerzensschrei, der von Bethlehem aus durch die Jahrhunderte dringt! Denn es sind nicht irgendwelche namenlosen Kinder, die umgebracht werden, Zahlen einer Schlagzeile oder Opferstatistik. Für die ersten Leser des Matthäusevangeliums hallt hier die Trauer um die Stammmutter Rahel nach. Die Mutter des ersten Josef war im Wochenbett gestorben und wurde in Rama oder Bethlehem begraben. Und die nächste Katastrophe klingt mit an. Die Propheten haben den Namen der Stammmutter Rahel mit dem Schicksal und den Klagen aller Mütter verbunden, die um ihre ins Exil verschleppten Söhne weinen, keine Zukunft mehr für sich und ihre Familie sehen.

Schließlich klingt für die ersten Leser des Matthäusevangeliums eine Gewissheit durch: Gott sieht das Elend und hört das Schreien, es berührt ihn (Ex 3,7 f; Jer 31,18). Dem Schöpfer des Lebens sind die Menschen und ihr Schicksal nicht egal. So heißt es im Buch des Propheten, da wo Matthäus aufhört, weiter: „Aber so spricht der HERR: Lass dein Schreien und Weinen und die Tränen deiner Augen; denn deine Mühe wird belohnt werden, spricht der HERR. Sie sollen wiederkommen aus dem Lande des Feindes, und es gibt eine Hoffnung für deine Zukunft, spricht der HERR: Deine Kinder sollen wieder in ihre Heimat kommen.“ (Jer 31,16 f.)
Das sind der Trost und die Hoffnung, die auch in den Zeilen des heutigen Predigttextes stehen.
Durch die Zeiten gilt: Immanuel, Gott mit uns.

Boten Gottes

Sie waren in Sorge. Sie waren in Sorge um ihr Leben – und das ihrer Lieben. Sie wussten, wie gefährdet sie sind und wie gefährlich ihre Lage ist.
Und dann war da eine, die den Telefonhörer in die Hand genommen hat und vor dem Kommen der Gestapo warnte. – Und sie konnten rechtzeitig aufbrechen, die Kinder und den Rucksack nehmen, fliehen.
Und da war einer, der die Tür zum Verschlag öffnete und den Schrank davorschob – und sie saßen atemlos in Sicherheit, die Kinder und ihre Habseligkeiten an sich gedrückt.

Und da war eine, die immer wieder Brot und Äpfel zusteckte – und die Vorbeiziehenden hatten neue Lebenskraft, die sie brauchten, um die nächsten Schritte stolpernd zu marschieren.
Und da waren da nur ein Mann, eine Frau, die den Unterschied machten (vgl. Ex 1,15–21), zwischen Tod und Leben, Ende und Zukunft. Jahrzehnte später sind die Namen mancher Boten Gottes bekannt. Sie wurden als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt.

Sie sind in Sorge. Sie sind in Sorge um ihr Leben – und das ihrer Lieben. Sie wissen, wie gefährdet sie sind und wie gefährlich ihre Lage ist.
Deshalb sind sie aufgebrochen in der Hoffnung auf Sicherheit und Zukunft für ihre Familien. Sie haben es bis hierher geschafft.
Nun wohnen sie neben uns.

Eingangsgebet:
Schöpfer und Bewahrer des Lebens,
Du hast zugesagt, dass du uns auf unserem Lebensweg begleitest. Wir danken dir für die Zeichen deiner Nähe in schier ausweglosen Zeiten. Doch oft fällt es schwer, darauf zu vertrauen, dass unsere Angst und Sorge nicht das letzte Wort haben werden. Unsere eigene Erfahrung und die Nachrichten sind oft lauter als der leise Trost deines Wortes.
Schenke deine Geisteskraft, dass sie uns öffne Augen, Ohren und Herzen für die Zeichen der Hoffnung. Wir brauchen Mut und Tatkraft für uns und unsere Zeit. Darum bitten wir dich im Namen dessen, der für uns als Kind in diese Welt geboren ist.

Fürbittengebet (mit dem Gebetsanruf – Immanuel, erbarme dich):
Wir beten
- für die Kindern, die auf der Flucht verloren gegangen sind und sich alleine durchschlagen.
Stille Immanuel, erbarme dich.
- für die Mütter in Russland, die aus Angst um ihre Söhne an der Front gegen alle Widerstände versuchen, ihre Stimme hörbar werden zu lassen.
Stille Immanuel, erbarme dich.
- für die Ehemänner und Väter, die ihre Lieben nicht schützen konnten.
Stille Immanuel, erbarme dich.
- für die, die vorausgeschickt wurden, damit ihre Familien nachkommen können und nun Hoffnungen enttäuschen.
Stille Immanuel, erbarme dich.
- für die Menschen, die in ihren Träumen Jesus Christus begegnen und uns so zu Geschwistern werden.
Stille Immanuel, erbarme dich.
- für die Menschen, die vor der Entscheidung stehen, zu bleiben oder zu gehen.
Stille Immanuel, erbarme dich.
- für die Autokraten unserer Zeit, ihre Berater und ihre Handlanger.
Stille Immanuel, erbarme dich.
- für die Menschen, die das Leid von unschuldigen Kindern an der Barmherzigkeit des Vaters im Himmel zweifeln lassen.
Stille Immanuel, erbarme dich.
- für uns, die wir uns angesichts all der Krisen und Kriege oft so hilflos und ohnmächtig fühlen.
Stille Immanuel, erbarme dich.

Psalmvorschlag:  Psalm 71,1–3.12.14–18 
Altes Testament:  Jesaja 49,13–16 
Evangelium:  Lukas 2,(22–24)25–38(39–40) 
Epistel:  1. Johannes 1,1–4 
Liedvorschläge:  36 (Fröhlich soll mein Herze springen) 
  EG.E 18 (Mit dir, Maria, singen wir von Gottes Heil in unserer Zeit) 
  519 (Mit Fried und Freud) 
  19 (O komm, o komm, du Morgenstern)
  430 (Gib Frieden, Herr, gib Frieden) 
  EG E.30 (Lasst uns den Weg der Gerechtigkeit gehen) 
  56 (Weil Gott in tiefster Nacht) 
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