Der Monatsspruch im August 2021

Neige, HERR, dein Ohr und höre! Öffne, HERR, deine Augen und sieh her! (2. Könige 19,16 (E))

Manchmal lassen sich Bedrohung und Gefahr in Zahlen ausdrücken. Wir haben in letzter Zeit viel Neues kennen- lernen müssen, was das angeht. Worte, die wir noch nicht gehört hatten. Werte, deren Bedeutung uns nicht geläufig war. Inzidenz, Reproduktionszahl, Anzahl der Neuinfektionen pro Tag, Sterbefälle, freie Intensivbetten und Impfquote.
Nach eineinhalb Jahren kennen wir uns aus mit den Maßstäben der Pandemie und fürchten uns vor exponentiellem Wachstum. 10 pro 100.000 sind etwas ganz anderes als 50 oder sogar 500 pro 100.000. Und R gleich 0,7 ist viel besser als R gleich 1 oder mehr.
Die Zahlen versuchen ein Nebeneinander zu fassen, das eigentlich kein Mensch fassen kann. Harmlose Verläufe einerseits, Beatmung auf der Intensivstation andererseits. Impfbefürworter und Coronaleugner. Lockdown und Lockerung. Homeoffice und Insolvenzwelle. Noch viel mehr geschieht verdeckt in dieser Zeit. Neben der alles umfassenden Pandemie verdrängen oder vergessen wir das Leid der Welt. Haben keine Aufmerksamkeit mehr übrig für die Armut, den Hunger und die Gewalt. Weder in der Ferne, noch in der Nähe.
Neige, Herr, dein Ohr und höre! Öffne, Herr, deine Augen und sieh her! Wenn wir es schon nicht fassen können, vielleicht kannst du es ja. Auch Hiskia ist bedroht. Hiskia ist vor 2700 Jahren der König von Juda gewesen. Er sagt als Erster diese Worte und bittet Gott um Gehör und Hinsehen. Auch das, was Hiskia bedroht, lässt sich mit einer Zahl ausdrücken: 185.000. So viele Soldaten hat Sanherib, der König von Assyrien. Juda ist winzig, Assyrien ist groß.
Eben noch verhöhnen Gesandte von Sanherib die Bewohner Jerusalems und ihren König. Hiskia hört davon. Er begreift sofort die Gefahr, zerreißt seine Kleider, zieht sich einen Sack an und geht in den Tempel, um zu beten. „Neige, Herr, dein Ohr und höre! Öffne, Herr, deine Augen und sieh her! Höre die Worte Sanheribs, der seinen Boten hergesandt hat, um den lebendigen Gott zu verhöhnen.“ So geht der Vers weiter.
185.000 Soldaten sind eine Übermacht. Wahrscheinlich hilft gar nichts mehr. Jedenfalls hat Hiskia nichts in der Hand. Selbst, wenn seine Feinde ihm 2000 Pferde stellen würden, hätte Hiskia nicht ausreichend viele Reiter. So spotten die Gesandten von Sanherib über ihn. Und es stimmt auch. Sie sind wehrlos. Auch der Verbündete im Süden, das mächtige Ägypten, springt ihnen nicht bei.
Wenn nichts mehr hilft, hilft nur noch beten. Gott um Gehör bitten und um Hinsehen. Neige dein Ohr, Gott. Und öffne deine Augen, betet Hiskia. Wir sind es gewohnt, unser Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, wo immer es geht. Das gilt auch in Zeiten einer weltweiten Pandemie. Seit Monaten befolgen wir Regeln, schränken uns ein und hoffen, dass es endlich vorbeigeht. An uns allen, an mir, an dir. Was richtet Gott aus in der Pandemie? Ist mein Gott mir fremd geworden? Traue ich Gott noch zu, mein Schicksal zu wenden und übermächtige Feinde zu besiegen? Kann ich an Gott glauben, an einen Helfer in der Not?
Neige, Herr, dein Ohr und höre! Öffne, Herr, deine Augen und sieh her! Hiskia kann nichts tun gegen 185.000 Soldaten. Und niemand von uns kann genau sagen, wie sich die kommenden Monate, Jahre und Jahrzehnte entwickeln werden. Mein Einfluss ist gering, aber die Bedrohungen unserer Zeit sind weit größer als ich. Sie sind überwältigend.
Was bleibt also? Gib dir Mühe. Streng dich an. Hab Geduld. Kämpfe deinen Kampf. Aber gib vor allem die Hoffnung nicht auf! Beten wirkt. Gott um etwas zu bitten, macht leicht. Es löst nicht automatisch alle Probleme, auch wenn Hiskia damals auf wundersame Weise gerettet wird. Aber Beten mindert die Last deiner Seele, auch heute. Denn Gott hört, was du sagst. Und Gott sieht, was du von dir zeigst. Von deinen Gedanken, deinen Gefühlen und deinen Sorgen.

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